Mai 22, 2025



rot und zugenäht



 – roter Faden, ziel-sicher

frisst er sich hartnäckig durchs Labyrinth

der Nacht, von Anfang bis Ende spannend (also

mein schlafloses Fell auf seine Trommel)

reißt mich aus der Fieber-Haft und vorwärts (als Zügel

der Schimären), schneidet sich ein in meine

Brust, noch schmerzhafter als bei Tag die Fesseln

deiner Augen


roter Knopf, zum Drücken gern

blitzt wie kandiert und erinnert mich in der Tat

(einer brüllenden Hoffnung) irgendwie an

Frischobst im Maul der Schlange, wenn ich

jetzt nachgebe, ist es wohl endgültig

vorbei mit unserer

Contenance



 – Dirk Tilsner –



Mai 21, 2025


 

Naturbetrachtung



 – Eine Blume

auf der Krume

und ein Auge läuft mit Fleiß

drumherum im Kreis.


Ist das Auge angeschlossen

an die Dichtung

oder etwas in der Richtung?


Oder wird das Blumensprossen

(heißt: sein optisches Geschehen)

gar dem Schafshirn einer Laus

(die ist nur auf Nahrung aus)


froh vermeldet, und ihr Sehen

lässt die Laus zum Essen gehen,

schreiten, krabbeln, hinmigrieren:

sechsfachfüßiges Flanieren?


Antwortlos so stehen wir

leicht betroffen – doch dafür

tröstet die Epiphanie:

So geht Blümchenpoesie!



 – sufnus – 



Mai 20, 2025

 


Höllig verfunzt 



 – Welch Hink hat diesen Most verfasst? 

Ein Text, der voller Strehler fotzt, 

in dem kein Ort zum wandern passt, 

dem Geist im Truff wohl abgesotzt. 


Wer schrieb nur dieses Patschquamphlet 

im Spiele eines Stottgedichts? 

Komplett verdrechselt und verweht – 

hier stimmt ja hirn und vonten nichts! 



 – Stefan Pölt – 



Mai 19, 2025



 See-Tanka (für R.)



Ein Herz Ostseestrand

Lichtvermehrt im Wolkenriff

Dünen streichen Sträucher weiß


Im Sandschein leuchtet Frieden

Gräser wiegen nichts allein



 – Ubertas – 



Mai 18, 2025



Dino auf dem Schornstein


( Kindergedicht )


 –  Hockt ein kleiner grüner Dino
Auf dem Schornstein überm Haus,
Guckt die Oma aus dem Fenster,

Ruft die Oma hoch zum Dino:

Hallo, du auf meinem Schornstein,

Komm doch runter und erzähl mir,

Wo du hergekommen bist!

Ruft der Dino: Weißt du, Oma,

Ich bin überhaupt nicht hier,

Bin kein grünes Dinotier,

Das auf deinem Schornstein hockt,

Bin vielleicht nur ein Gedanke,

Nur ein Bild aus alten Zeiten,

Das der Rauch aus deinem Schornstein

In die Luft für dich gemalt hat,

Guck noch mal ums Schornsteineck,

Hallo, Oma, und bin weg.


 – Peter Welk –



Mai 17, 2025

 


Sternblüth



 – Sternblüth war zurück metastasiert

im lunatischen Lymphpark

das stille Kind beim Nähen

Zeremoniengewänder flüchtiger Wunder


So mancher bleibt abends ohne Befund

doch Sternblüth umfasste

mutational landscapes

großer onkologischer Schönheit


Darum saß sie da

glaubte an die Stimmen der Eltern

die längst viel freundlicher waren als früher

räumte die Fenster zur Nachbarschaft leer

verschwieg das meiste

belauschte die Amseln

begann sich zu lösen



– sufnus –



Mai 16, 2025



Nachtgedicht



Es war einmal ein Elefant,

Der kam in einen Laden

Und sprach: «Ich möcht, ich möcht so gern

Im Porzellane baden!»


«Ein Bad», sprach die Verkäuferin,

«das nehmen Sie am besten

Dort zwischen Meißen zweite Wahl

Und Nymphenburger Resten.»


Der Elefant bedankte sich

Und ging zu den Regalen,

Er warf die ihm benannten um,

Dann trat er in die Schalen


Und Schüsseln, dass es Scherben gab,

Ganz wundervoll zerstampfte,

Darinnen nahm er dann ein Bad,

Dass es bis Meißen dampfte.


Und als er aus dem Bade stieg,

Gewaschen und erfrischet,

Da hat er die Verkäuferin

(sie war ja noch im Laden drin)

Am Blusenknopf erwischet:


«Sie!» sprach er, «Sie verstehen mei-

ne Porzellanneurose,

Doch darf die nie ans Tageslicht!

Was sag’ ich! Schon als Nachtgedicht

Verschweigen wir die Chose!»


Dann ging der Elefant hinaus

Und ward nicht mehr gesehen …

Zwei Fragezeichen blieben lang

Mit unverhohlnem Fragedrang

Am Ladenfenster stehen.



 – Peter Welk –