Posts mit dem Label tordilo werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label tordilo werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

 




Von Schaf zu Schaf



– Manchmal guckt er in den Spiegel,

Meistens guckt ein Mensch zurück,

Meistens ist er es dann selber,

Manchmal dreht sich auch das Glück.


Beispielsweise wenn ein Schaf guckt

Und den Guckenden erschreckt:

Welcher Teufel hat, so fragt er,

Die Verwechslung ausgeheckt?


Wer ist wer in solchem Falle?

Wo verblieb der Unterschied?

Gilt das Spiegelbild auf Dauer?

Wehe, wenn‘s ein Mitmensch sieht!


Ich als Schaf, ich sage: Macht nichts,

Ich als Schaf seh‘ das nicht eng –

Wenn ein neues Sein jetzt anfängt,

Und der Mensch hinfort als Schaf denkt,

Ist der Schrecken schon geschluckt,

Eh' er in den Spiegel guckt.



– tordilo –





 Bewegungsmelder



 – Es hat der Mensch den Drang sich zu bewegen,

er sucht im freien Raum das ganze Sein,

der eine will sich zu der andern legen,

ein andrer steigt in Kunstmuseen ein,

die eine joggt um stille Ententümpel,

die andre träumt sich weg im Dachgerümpel,

dann kommt der Tag, sich in ein Grab zu legen,

um Würmer zur Bewegung anzuregen.



– tordilo –





Fußballopas Traumtor



 – Wenn er im Zangengriff der Kumpels steht,
vom Wahn beseelt (mit angebiss‘ner Zunge),
brüllt Fußballopa Paul aus voller Lunge,
brüllt, dass der Hals in Kurzzeitstarre geht,

brüllt Richtung ringelbunter Wummerwaden, 
droht mit den Armen wie mit Götterflügeln
den Gegner eigenhändig glattzubügeln,
brüllt, dreht und zieht und zerrt am Schicksalsfaden:

«Der muss doch rein, hipp, Heppmann, rein! Wie kann man!
Wer hat denn auf den Eierkopp gesetzt!
Hipp, Heppmann, hau ihn rein! Der Schiri schwätzt
granatendummes Zeug, kein Abseits, ran Mann!»

Und Opa Paul, zum Siegesschrei entschlossen,
hat (Augen zu) sich selbst das Tor geschossen. 


– tordilo –




Hilferuf

 
 
 – Ich melde mich verstört von meinem Platz
im Himmel für Gelegenheitspoeten,
hier dacht‘ ich das Gemurkse abzubeten
aus Schnörkeln, Blechmusik und Kaffeesatz,

das erdenwärts mir die Kollegenrunde
im öffentlichen Wortverkehr entbot
bis gestern. Und ich ihr. Nun bin ich tot,
und dem Großreinereimen schlägt die Stunde,

so meine Hoffnung. Aber, denkste, Blechpoet,
hier oben reimen sie auf Teufel komm!
(der kommt nicht, weil er selbst auf Reime steht)
die Engel hält der freie Rhythmus fromm …

Ich will hier raus! In einen andern Himmel!
Hört denn hier niemand mein Sonettgebimmel?


– tordilo –



 

Gleiche Gier für alle!



– Paul Pütter ist vom Wesen her ein Reh,

ein scheues, wie es durch Romane springt

die Bächlein lang, derweil die Lerche singt;

und manchmal hüllt Paul Pütter auch der Schnee


in Jahreszeit und Stillvergnügen ein.

So pulst Paul Pütters Leben vor sich hin.

In seinem Schädel pulsen dick und dünn

die schönen Frauen zu Gesang und Wein,


wenn nach dem Winter ihn der Narrentrieb

zu Frohsinn und Enthemmung ruft, dann platzt

in Pütters Sein ein Knoten, Irrsinn kratzt

die scheue Seele auf … (wie Goethe schrieb:


Zum Rosenmontag juckt‘s in Zahn und Finger,

es schrumpft der brave Mann zum Lustmaulschlinger.) 



– tordilo –


 

Schneewittchens Rosenmontag



– Frau Schmidtchen geht zum Karneval als Flittchen.

Frau Schmidtchen ist ein Ausbund an Moral

normalerweise dort im Zillertal,

wo man sie kennt als Zillertalschneewitchen,


das couragiert den Zillertaler Kerlen

den Weisel gibt, wenn diese sie umgurren,

dann hört man Schmidtchens Kicherkatzenknurren:

Sie werfe vor die Säue keine Perlen,


es sei denn …! (Und es ist im Karneval,

dass im Schneewittchen seltne Säfte gären,

die rosenmontags ihm das Herz beschweren,

dann pfeift Schneewittchen hörbar auf Moral.)


Dann haut‘s Frau Schmidtchens Haltung in den Keller,

ihr schwillt ein Giergesicht plus Lustpropeller.



– tordilo –