Sommerschnee
– Rasiere mich und trinke schwarzen Tee.
Zwei Tauben kämpfen draußen um den Platz,
Genau wie wir es taten, ferner Schatz:
Am Ende war die Liebe Sommerschnee.
Die Kissen riechen immer noch nach dir,
Nach Kirschbaum, der auf Meereswiesen wächst …
In dich hineingetaucht bin ich, verhext
Von deiner kalten Wärme, schien es mir
Als sei die Welt nur für uns beide da …
Obwohl: In Wirklichkeit ist das nicht wahr!
Du warst für mich doch bloß nur zum Gebrauch!
Auch wenn mein Mund seit Tagen trocken ist …
Den Spiegel trifft mein Zigarettenrauch.
Ob du wohl wieder deinen Exmann küsst?
– Aron Manfeld –
… sieben Jahre später
– Die Stümpfe schwarz, sie gleichen Leichensteinen
Nur zögernd macht sich wieder Farbe breit.
Die Blüten hier und dort, so will es scheinen,
Wird irgendwann ein grüner Teppich einen.
Die alte Weberin, sie lässt sich Zeit.
Der neue Wald, er wird vom Wind getragen,
Im Schoß der Asche sachte Stöße wagen,
Bis eines Tages erste Blätter winken.
Dann wird er sich gebären und in Kreisen
Die unzählbaren Wunder in ihm speisen
Und schließlich Licht in seinen Wipfeln trinken.
– Dirk Tilsner –
Det iss der Lebenssinn
– Die Ilse sagt, der Victor iss nich helle,
Die Ilse sagt, der Victor iss mein Held,
Ick bin halt uff Jesundheit einjestellt,
Und oben rum ham andre ooch ne Delle.
Mir iss der Kopp nur jut zum Haarewaschen,
Die Ilse mach ick glücklich mitm Rest,
Ick halt mir anner juten Laune fest,
Denn darf det Ilseken am Victor naschen
In unsra Laube, sonntags, bis et scheppert,
Da wird keen Firlefanz zusammjeleppert,
Da jehts, wies jehn soll, inne Rinne rin,
So wie det Leben ehm spielt im Sonntagstrotte,
Und sind die Manneskräfte denn beim liebn Jotte,
Sagt Ilseken, det iss der Lebenssinn.
– Joe Fliederstein –
Neue Bahnen
– «Es gibt ein Vorbild, das mein Werk befeuert»,
So hör ich manchen jungen Dichter sprechen.
«Ich will ihm folgen, statt mit ihm zu brechen.
Wenn das gelingt, hab ich genug erneuert.»
Um solche Dichter mach ich einen Bogen.
Denn steht beim Schreiben nur das Alte Pate,
Sei mutig, Dichter, und zerschlag die Formen
Und lache Hohn den hergebrachten Normen:
Sonette schreiben ist total bescheuert.
– Martin Möllerkies –
Nordish by nature
– am Morgen zogen rotmelierte Streifen
und ostwärts hob sich Sonne aus der Flut
das Licht des Tages folgte einer kurzen Glut
ein letztes Mal nach diesem Meer zu greifen
den Augen bietet sich ein Möwentreiben
als würden sie im heißen Wind der Sonne
mit ihren Schnäbeln ungestümer Wonne
den Tag verschiebend sich an Wolken reiben
die Nacht changiert im Lichtermeer aus Strahlen
und Venus folgt der Scheinbarkeit der Welt
die langsam in der Dunkelheit zerfällt
sie würde mit der Nacht den Mond bezahlen
als Morgenstern sich in den Himmel malen
die Möwen haben einen neuen Tag bestellt
– Morphea –
Krimskrams
Ein großer Anteil Mist ist wohl dabei,
Wie du im Lauf der Jahre registrierst.
Dein Hab und Gut enthält halt allerlei
Objekte, die du ständig ignorierst.
Sie lagern teils im Schrank und teils in Kisten.
Sporadisch räumst du auf, um das, was stört,
Fein säuberlich und gründlich auszumisten.
An andren Tagen suchst du ganz beflissen
– Didi.Costaire –
Was bleibt
– Was wird von mir und dieser Sehnsucht bleiben,
Mit Eifer hab ich um das Wort gerungen,
Von Metrik und Kadenzen oft geplagt;
Hab Regen, Tod und Teufel gern besungen;
All das, was mir mein armes Herz gesagt.
Zum Dichten ist der Mensch nun mal geboren.
Er schreibt, er leidet, lacht und weint und trinkt.
Und küsst ihm Καλλιόπη auf die Ohren,
Verrät sie nicht, ob Hohn, ob Ehre winkt.
Drum lach ich nur und lass euch Spötter schwafeln –
Im Himmel werde ich mit Goethe tafeln.
– Andrea M. Fruehauf –
Am Meer
– Das letzte Haus liegt hinter uns. Dem Knick
Der Straße folgend sind wir bald im Grünen.
Auf krummen Pfaden geht es durch die Dünen,
Dann weitet sich auf einmal unser Blick.
Da liegt der Strand, gestreckt und menschenleer,
Die See ist grau, nur in der Ferne blasser.
Wir stapfen vorwärts, stehen jetzt am Wasser
Und schauen auf das wildbewegte Meer.
Da hebt sich eine Woge aus der Rinne
Und baut sich auf und nähert sich dem Strand,
Und brausend schwillt sie an, betäubt die Sinne
Und steht vor uns als eine große graue Wand,
– Martin Möllerkies –
Verweht
– Der Wind schwingt sich rauschend und schwer über Ähren,
Legt Schneisen, den stechenden Grannen zum Hohn.
Die schönste der Schönen zum Tanz zu begehren
Zerzaust er Kamille und schlafenden Mohn.
Schon trudelt er, hat sie alsbald auch gefunden,
Verharrt eine Weile und dreht sich zum Spiel
Um Taillen und Blättchen und reißt unumwunden
Ihr blauendes Leuchten vom bebenden Stiel.
Da lacht er und wirft sie in duftigem Bogen
Ins wogende Feld. Wie von Seufzern gezogen,
Versinkt sie, für immer verschwunden und tot.
– Andrea M. Fruehauf –