An der frischen Luft
– Stefan Pölt –
– Stefan Pölt –
– Verwandtschaftsbeziehungen sind mir ein Graus,
ich kenn mich bei so einem Wirrwarr nicht aus.
Ob Großtante oder Cousin zweiten Grads –
mein Stammbaum ist Teil eines Nudelsalats.
ich sei auch mit unseren Kindern verwandt.
– Stefan Pölt –
– Die Frau im Penthouse vis-à-vis
mit Fenstern ohne Jalousie,
die immer so verpennt aussieht,
wenn sie die Betten neu bezieht,
schlief heute wieder mal bis zehn.
Die sollte früher schlafen gehn,
dann käm sie morgens eher raus
und auch mal öfter aus dem Haus.
Jetzt liest sie auf der Couch ein Buch,
am Abend kriegt sie meist Besuch
und immer von nem andren Mann –
ich seh mir das schon länger an.
Nach außen dringt dann rotes Licht,
woher das kommt, erkenn ich nicht,
die Innenwände sind zu dick
und hindern mich am freien Blick.
Ich nehme später noch gewahr,
wie sie geduscht mit nassem Haar,
nur in ein Handtuch eingehüllt,
sich noch ein Gläschen Wein einfüllt.
Dann nimmt sie, wie fast jeden Tag,
– Stefan Pölt –
– Ich möchte nicht erschlagen werden,
auch nicht erdrosselt, -dolcht und -stickt,
nicht überrollt von Büffelherden
und nicht zerbombt im Grenzkonflikt.
Kein Unfall soll mein Leben kürzen,
kein Attentat und auch kein Mord,
Ich möchte nicht vom Felsen stürzen,
von Brücken oder über Bord.
Auf keinen Fall will ich verbrennen,
an Krankheit sterben oder Gift,
im Kugelhagel wie John Lennon,
durch Sturz aus einem Sessellift.
Auch lehn ich Tod durch Altersschwäche
genauso ab wie Suizid,
und dass ich mir das Rückgrat breche,
weil sich ein Flusspferd auf mich kniet.
Der Sensenmann hört meine Klage
und sinnt: An Todesarten käm
dann aber gar nichts mehr in Frage …
Na und, Gevatter? Dein Problem!
– Stefan Pölt –
Was werde ich nicht alles machen,
Wenn ich erst mal gestorben bin!
Mir kommen da schon tausend Sachen,
Die noch zu tun sind, in den Sinn.
Der Tod entbindet mich von Pflichten,
Dann hab ich endlich Zeit am Stück
Zum Lesen, Faulenzen und Dichten –
Ruft mich die Pflicht, ruf ich zurück:
Ich bin für keinen zu erreichen
Und mache nur noch, was ich will!
Das ist der Vorteil von uns Leichen –
Für uns stehn alle Uhren still.
– Stefan Pölt –
– Mann hatt es nicht leicht als ein Rechtschreibeksperte
denn viele versteen nichts von Ortograafie
Was musste ich nicht schon an Text korrigieren
in Büchern, und Zeitung mein Rotstiftbedarf
ist exorbitant doch ich darf nicht pausieren
«Was fallsch ist bleibt fallsch!» krittisiere ich scharf.
Auch Interpunkzjon ist ein Anlass zur Klage
weil keiner mehr, weis wo man Kommata setzt.
Die Bildungsbanausen sind nicht in der Lage
genau zu kapiern was die Regeln verletzt.
Ich schreibe zurzeit ein Programm zur Erkennung
von Rechtschreibefeelern das achtet als Tei-
laspekt bei den Wörtern auf richtige Trennung
und dann ist ballt Schluss mit der Fallschschreiberei!
– Stefan Pölt –
– Es sind so viele Wissenslücken,
Mehr Löcher als solider Grund,
Nur Bruch in kleinen Einzelstücken
Und ab und zu ein Zufallsfund.
Ich kenne weder Ibsens Dramen,
Noch den Geburtsort von Monet
Und auch die vierzehn, fünfzehn Namen
Der Jünger Jesu sind passé.
Mir sagen Nibelungenstrophen
So wenig wie Excalibur,
Auch passe ich bei Philosophen,
Mal abgesehn von Dieter Nuhr.
Selbst Daten kann ich mir nicht merken,
Nicht mal die Gründung der Türkei,
Von Schillers oder Goethes Werken
Ist mir nur eins präsent: Der Schrei.
So bleibe ich wohl wissenslücklich
Und lebe dennoch voll Genuss,
Bin ungebildet, aber glücklich,
Dass man nicht alles wissen muss.
– Stefan Pölt –