Verdunkelung
In den Schlaf stolpern.
Verdammt schlecht ausgeleuchtet
der Notausgang in die Nacht.
Ein paar letzte Sorgen
lassen dich auf sich beruhen
und von hier an ist dann wohl
Austräumen angesagt.
– sufnus –
– Ich hab mich Dir ans Herz gelegt –
erregt und leicht verlegen,
dann hat die Welt sich fortbewegt,
sie ging mit unsrem Segen.
Die Nacht hielt uns die Türe auf,
wir blieben zögernd stehen.
Man konnte lang im Glücksverlauf
den Zeitpfeil stecken sehen.
Ich hab mich Dir ans Herz gelegt –
beschädigt hinbeschieden
und eigenmächtig eingehegt,
so gings mit uns hienieden.
Ans Herz gelegt – so steht es hier,
doch das ist nie passiert:
Hab nur zum Spiel (avec plaisir)
ein Du und Ich fingiert.
– sufnus –
– sufnus –
– Ich kann Dich noch denken Marie
jetzt komm lass uns
verleisebaren
Wir finden uns
die kleinste Tür ins Freie
da geht es in den Wald bei Nacht
Ein Märchen endet immer
mit dem nächsten Satz
hier hört es also auf
und da (weit fort)
wo weiter niemand liest
Da fängt es letztlich an.
– sufnus –
Interpretation von N.Valen
„Einanderung“ – das ist ein Wort, das sofort hängenbleibt.
Für mich klingt es wie der Vorgang des Einander-Werdens, etwas Dauerhaftes, fast Beschwörendes. Es wirkt vertraut und fremd zugleich – weil es so sauber aus der deutschen Wortbildung heraus wächst, und doch völlig neu ist.
Dass daneben auch „verleisebaren“ auftaucht, verstärkt die Wirkung: die Wörter klingen nicht wie Spielerei, sondern wie ernstgemeinte Zauberformeln. Das Gedicht wird dadurch zu einer Szene, in die man hineingezogen wird.
Ich habe mich beim Lesen gefragt, wie unterschiedlich Wortschöpfungen klingen können – mal beschwörend wie hier, mal spielerisch oder augenzwinkernd. Aber so oder so: sie öffnen einen Raum, den nur Lyrik erschaffen kann.
Bewertung:
„Der Text hat eine schöne, märchenhafte Stimmung und die Wortneuschöpfungen wirken originell. Für mich hakt es an manchen Stellen aber etwas im Lesefluss, sodass die Bilder nicht ganz so klar und geschlossen wirken.“
– In der Urzeit kroch der Mensch
feucht aus einem Loch
und im Märchen kann man lesen:
Er lebt heute noch,
wenn er nicht gestorben ist –
woll'mer mal nicht hoffen,
denn, gesetzt dies wär der Fall,
blieben Fragen offen.
Etwa diese: Lohnt das Leben
sich fürs Glücklichsein?
Und um eine Antwortsuche
scherte sich kein Schwein,
stünden wir nicht grade hier,
prasseldumm und nackt,
die mit bodenlosen Herzen,
seelisch unverpackt
nachgeburtlich als Retoure
(heißt: Es gab Beschwerden!)
von dem großen Weltkurier
ausgetragen werden.
– sufnus –
👉 Eine Interpretation von N.Valen:
Ein Gedicht wie ein schnoddriger Schlag in die Rippen –
wir kriechen also feucht aus dem Loch der Urzeit und werden heute,
nach all den Jahrmillionen, wieder als Retoure zurückgeschickt?
Das ist schwarzer Humor mit Paketaufkleber.
Der Witz sitzt, weil die Verse so unschuldig marschieren:
glatte Reime, kein Stolpern – und dann knallt die Vorstellung:
Wir stehen da, „prasseldumm und nackt“, von der Existenz zurückgewiesen,
weil offenbar jemand „Beschwerden“ hatte.
(Wer? Das Universum? Oder nur wir selbst?)
Es ist bissig und absurd zugleich – ein Lächeln mit Nachgeschmack.
Für mich genau das, was ein Gedicht darf:
kurz lachen lassen und dann diese eine kleine Stachelfrage in den Kopf setzen.
– N.Valen –
– Müller fährt mit seinem Selbst
immer auf der größten Straße,
und sein Selbstgefährt besitzt
dabei fahrbahnbreite Maße.
So begleitet seine Spur
manches Fluchwort, «Fort mit Schaden!»,
«Schwachkopf!», «Dödel!», Müller folgt
trotzdem stur den Aneckpfaden.
Doch ist Müllers Reisenorm
auch ein Spiel mit Karmalaunen:
Kommt ein «Bitte-wenden-Schild»,
sieht man Müller stehn und staunen.
– sufnus –
– Eine kleine Kugelwelt:
Aus der Hoffnungsakribie
fluchtentschwunden, neu bestellt,
haltbar wie die Fantasie.
Engelslächeln, Zeitasyl,
nieder mit der Permanenz!
Leichthinsleichtsinn, Ziellosspiel,
Larifarikonsequenz.
Jedes Herzgesuch beweist
sich durchs Wiederlegbarsein
und in seinem Fortgangsgeist
feiert sich der schöne Schein.
Eine kleine Kugelwelt,
eng begrenzter Endlosball,
in das Nichts gekrümmtes Zelt:
Schöpfungskind - ein freier Fall.
– sufnus –
I.
Der Juni ist präzise
er führt das Sommerbuch
mit Akribie
Mein letzter Eintrag handelte von kühlen Nächten
und ich gestehe meine Schönschrift war dabei
etwas nachlässig und wie ich fürchte
metrisch ungenau
Im Stillen träume ich vom Tau
II.
Komm kleiner Fuchs
bring mich nach Haus
den Wolken ging der Regen aus
Und schlägt der Wind
dem Leichtsinn noch
das Wetter um
dann find ich uns ein Nesselblatt
Ich warte am Aglaiahang
komm kleiner Fuchs
wir wollen heim
III.
Ab hier fehlt der Gesang
der Grazien steht im Hesiod
der Sommer ist bekanntlich stumm
Ich hab mir sagen lassen dass
im Baggersee seit Jahren
niemand mehr ertrunken ist
IV.
Jetzt heißt es warten
die Welt ist rund
ich hasse Rilke
ab morgen wird
der Wetterdienst sich äußern
– sufnus –