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Hymne von Angola 



 – Dass am frühen Abend eines lauen 

Spätseptembertages in Athen 

deutlich mehr als hunderttausend Frauen 

aus Kambodscha nackt zum Shoppen gehn 


und dabei die Hymne von Angola 

jeweils mit Kartoffeln in der Hand 

hinter einem Truck von Coca Cola 

lauthals schmettern, bis ein Doktorrand, 


auf dem Kopf zwei weiße Turteltauben, 

«Schluss jetzt!» ruft und Tee mit Rum verspricht, 

ist im Grunde letztlich kaum zu glauben, 

völlig ausgeschlossen aber nicht. 



 – Rudolf Anton Fichtl –



 

Leibrente 



 – Wir haben die Oma jetzt einschläfern lassen, 

Das ging äußerst preiswert und unkompliziert, 

Da helfen zum Teil die gesetzlichen Kassen, 

Der Rest wird auf Antrag vom Staat finanziert. 


Wir denken, es war auch im Sinne von Oma,

Sie tat sich inzwischen beim Gehen recht schwer, 

Wie schnell wird man Pflegefall, fällt mal ins Koma, 

Wird taub und gefährdet den Straßenverkehr. 


Mit knapp achtzig Jahren, so darf man wohl sagen, 

Da hat man im Grunde sein Leben gelebt,
Wie gut tut‘s zu wissen, dass Oma getragen
Von Engeln wahrscheinlich gen Himmel nun schwebt. 


Für Omilein war es ganz sicher das Beste,
Jetzt bleibt ihr zum Ende hin manches erspart, 
Denn morgen ist Opa aufgrund der Atteste 

Beim Einschläfern dann schon als Nächster am Start. 



– Rudolf Anton Fichtl –



 


Bitte alle mal herhören 



– Dem Förster trieft das Schmalz aus beiden Ohren, 

Der Gästeblock erstarrt im Kollektiv,
Ein Fachjournal für Außenbordmotoren 
Wird abbestellt. Am Strand bei Tel Aviv 


Gibt’s nun schon seit fast Ende letzten Jahres 

Kein Schöller Eis mehr, nur Cornetto Nuss. 

Nach Auskunft eines Delmenhorster Paares 

Klemmt wieder mal der Rucksackreißverschluss. 


Ein Faschingskrapfen leckt, und währenddessen 

Ist Stromausfall in Ungarns Parlament, 

Ach ja, und um ein Haar hätt ich’s vergessen: 

Der Blutdruckreferenzwert wird gesenkt. 



– Rudolf Anton Fichtl –



 


Frühling 



– Dies erogene Brummen 

Des Zwölfzylinder V 

Lässt demütig verstummen: 

Ein Traum metallic-blau. 


In Chrom gehüllte Felgen 

Mit Schlappen: 30 Zoll. 

Welch ehrfürchtiges Schwelgen, 

Mit einem Wort nur: Toll. 


Der Spoiler küsst die Straße 

Bei offenem Verdeck 

Und – Gipfel der Ekstase – 

Blondine im Gepäck. 


So rollt im Maserati
Vor mir mein Chef, Herr Wolf, 
Dahinter ich mit Vati
In meinem alten Golf. 


– Rudolf Anton Fichtl –




Die deutschsprachige Lyrik übt sich seit 1945 in strenger Askese. Sie verzichtet nicht nur auf den Endreim, darüber hinaus entsagt sie dem Rhythmus, jeglichem Versmaß und hat schließlich auch Großbuchstaben und Satzzeichen im Wesentlichen eliminiert. 

Wie unschwer zu erkennen, ist mein untenstehendes lyrisches Machwerk den formalen Anforderungen an ein hochkarätiges zeitgenössisches Gedicht spielend gewachsen. 

Dennoch habe ich mich aus wirtschaftlichen Erwägungen entschlossen, wenngleich mir dies den Vorwurf künstlerischer Rückwärtsgewandtheit einbringen dürfte, meine Mitmenschen ausschließlich mit poetischer Kost in Reimform und Versmaß zu beglücken. 

Da zudem auch nur der geringste Hauch von Betroffenheitslyrik halbwegs erquicklichen Verkaufszahlen massiv im Wege stehen dürfte, habe ich mich inhaltlich der Satire, der Groteske, dem Nonsens – kurzum dem komischen Gedicht  verschrieben. 


– Rudolf Anton Fichtl –




seerosenblätterdeklinationen 



trübe rahmige spinatbrühe / bodensicht 

ung ist / grün ist grün / ist 

bodenseh sicht wie / blattspinat 

grün
ist trübe brühe / in
seenot ist / brühe in sehnot
see not
rose blühe
rosenbrühe
wie spinat
isst p o
p e
y e
seerosenblatt? 


 


Gesetzt den Fall



Gesetzt den Fall, ich hieße Hubert

und fänd das Leben ziemlich öd,

und ferner hieß ich auch noch Schubert,

sprich: Hubert Schubert. Das wär blöd.


Gesetzt den Fall, ich hätte Schuppen

und Nagelpilz am großen Zeh,

dann wär das Riesenquatsch, denn Schuppen

und Nagelpilz hab ich ja eh.


Gesetzt den Fall, ich wär mein Bruder,

wer wäre dann, so frag ich mich,

jetzt wird’s allmählich immer kruder,

wer wäre währenddessen ich?


Gesetzt den Fall, ich wär ein Rettich

und übte täglich Kontrabass

in einer Gärtnerei, dann hätt ich …


Ich glaube, wir beenden das.



– Rudolf Anton Fichtl –





Bestandsaufnahme



– Zwischen Nelken, Veilchen, Rosen

sitze ich mit Kopfverband,

hinter mir die Düngerdosen,

hier in meinem Blumenstand.


Heute früh – mein lieber Schieber! –

fiel der Terrakottatopf,

aus der Blumenampel über

mir, auf meinen Hinterkopf.


Dass die Veilchen, Rosen, Nelken

nun in meinem Blumenstand

demzufolge nicht verwelken,

halt ich durch mit Kopfverband


und sinniere schon seit Stunden,

grüble hin und grüble her,

akkurat den Kopf verbunden,

was denn jetzt das Beste wär


für die Rosen, Nelken, Veilchen.

Aktueller Zwischenstand:

Heute bleib ich noch ein Weilchen,

morgen kommt dann Ferdinand.



– Rudolf Anton Fichtl –




 


Diagnose: Möbelpoliturpsychose 



– Nichts stimmt im Leben mich so froh 

Wie honiggelbe Möbelpo- 

litur. 


Sie rettet meinen Tageslauf:
Ich schau beim Putzen kaum noch auf 
die Uhr. 


Mit ihr pfleg ich den Dielenschrank, 

Sowie die morsche Eichenbank 

im Flur. 


Desgleichen meinen ganzen Stolz, 

Die filigrane Ebenholz- 

figur. 


Und nebenbei verschönert sie 

In puncto Glanz und Fülle die 

Frisur. 


Doch ist mir um das Herz so bang, 

Ich muss ab Montag wochenlang 

zur Kur. 


Was mach ich bloß auf dieser Kur 

Ganz ohne Möbelpolitur 

denn nur? 



– Rudolf Anton Fichtl –





Frühling 


– Dies erogene Brummen 
des Zwölfzylinder V 
lässt demütig verstummen: 
ein Traum metallic-blau. 

In Chrom gehüllte Felgen 
mit Schlappen: 30 Zoll. 
Welch ehrfürchtiges Schwelgen, 
mit einem Wort nur: Toll. 

Der Spoiler küsst die Straße 
bei offenem Verdeck 
und – Gipfel der Ekstase – 
Blondine im Gepäck. 

So rollt im Maserati
vor mir mein Chef, Herr Wolf, 
dahinter ich mit Vati
in meinem alten Golf. 

– Rudolf Anton Fichtl –




 Jugendliebe 


– Wir schwebten gen Himmel, den Wind in den Haaren, 
mein Roller, er trug uns auf Wolken dahin,
so sind wir des Abends zum Weiher gefahren 
und hatten nur Ewigesträumen im Sinn. 

Wir fanden am Ufer ein lauschiges Plätzchen,
wir neckten und küssten uns, lagen im Gras,
so dass ich dann prompt mit dem Schatz aller Schätzchen 
den Raum und die Zeit, einfach alles vergaß, 

schlicht alles, was um uns war, nur nicht die Sterne, 
den Mond, ihre Lippen und auch nicht den Wein, 
es tanzte das Licht unsrer kleinen Laterne 
zum Zirpen der Grillen im Vollmondenschein. 

Halb zwölf, auf dem Rückweg dann, musste ich blasen, 
sie haben vor Ort meinen Lappen kassiert.
Ab folgendem Tag war der Schatz aller Schätzchen 
mit Ritchie und seiner Suzuki liiert. 

– Rudolf Anton Fichtl –