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Mai 22, 2025



rot und zugenäht



 – roter Faden, ziel-sicher

frisst er sich hartnäckig durchs Labyrinth

der Nacht, von Anfang bis Ende spannend (also

mein schlafloses Fell auf seine Trommel)

reißt mich aus der Fieber-Haft und vorwärts (als Zügel

der Schimären), schneidet sich ein in meine

Brust, noch schmerzhafter als bei Tag die Fesseln

deiner Augen


roter Knopf, zum Drücken gern

blitzt wie kandiert und erinnert mich in der Tat

(einer brüllenden Hoffnung) irgendwie an

Frischobst im Maul der Schlange, wenn ich

jetzt nachgebe, ist es wohl endgültig

vorbei mit unserer

Contenance



 – Dirk Tilsner –



Mai 06, 2025

 


Haiku 


 – die Fliege spurtet
den Wettlauf an der Scheibe 
gewinnt der Tropfen 



 – Dirk Tilsner –



April 18, 2025



Osterwunsch



Lieber Jesus,


wenn du nächstens, wie alljährlich,

neu erscheinst zur großen Feier

der Gebete, falsch und ehrlich,

Völlerei und bunter Eier,

der Erneuerung der Säfte

und des Lichts in Herzbereichen,

dann vergeude deine Kräfte

statt an uns – an deinesgleichen!


Ja, an einem wie den einen

mit der blonden Endzeit-Tolle,

den Jongleur (mit kurzen Beinen)

in der Action-Dauerrolle,

jenen ich-weiß-alles-Brüller,

Spieglein-an-der-Wand-Versteher,

Bärenbinder, Taschenfüller,

Edeldieb und Nebelkräher.


Preise ihn und seine Rache

an den nimmersatten Maden,

dass er alles(!) besser mache

als du selbst, von Gottes Gnaden.

Will er dann mit dir verhandeln,

um die Jünger auszurauben,

lass ihn übers Wasser wandeln

und ganz fest in seinem Glauben.


Wenn er endlich aufsteigt – bitte

bitte in Gewittermitte …



 – Dirk Tilsner –



März 30, 2025



Vorausgicht



 – Planung, sagt man, sei das halbe Leben.
Wie zum Beispiel: sich ein Gläschen Wein,
einer Dame einen Edelstein
und dem Chef (dem Arsch) ein Lächeln geben.

Selbst ein Blinder plant die besten Wege
und der Stumme sagt sie sich voraus.
Gute Bürger bauen sich ein Haus
und der Mörder kauft sich eine Säge.

Ganz besonders bei den hehren Zielen
hat der Mensch meist einen Plan im Sinn:
Marktanteile, Maximal-Gewinn,
ein verstecktes Blatt beim Kartenspielen,

Edelhölzer, geile Bodenschätze,
eine gute Lage fürs Projekt,
Friedensabschluss, wenn mit Nutzeffekt,
spaßeshalber nächste Kampfeinsätze.

Fragst du nach der zweiten halben Seite,
bist du sicherlich ein Moralist.
Heuchler, Dummkopf oder Utopist.
Spielverderber. Omen unsrer Pleite.


– Dirk Tilsner –


März 15, 2025



 Jogger‘s delight



 – Die Mahnung: Pumpe, Glatze, Bauch und Falten.

Mir schwant, ich bin als Macker laue Luft

und muss was machen. Hoch jetzt, fauler Schuft!

Die Sonne scheint. Heut kann mich nichts mehr halten.


Ich lege los. Ganz locker. Drei Schritt ein-

und wieder ausgepustet. Bleibe standhaft

im Takt und flöge förmlich durch die Landschaft (!),

blies nicht von vorn der Wind so hundsgemein.


Der Wind, der alte Schinder, hemmt erheblich.

Ich schalte runter: ein zwo Phuuh und ein zwo Phooh,

als just ein Fräulein naht. Oh Libido!

Mein Lächeln, wohl vom Schmerz verzerrt – vergeblich.


Ich fluche, weil der Weg nun aufwärts geht.

Vorbei an Häusern, Gärten, einer Laube,

aus der die Lust schreit, einem Rest von Taube,

an trauten Rasen, die ein Mäher mäht.


Der Durst, die Hitze und ein fraktioneller

Ventilationsverlust auf halber Strecke

beschweren Herz und Bein, als um die Ecke

ein Köter schießt. Erregt! Schon lauf ich schneller.


Fürwahr ein Marathon! Am Automarkt

wird abgekürzt, durch Sand bis zu den Knöcheln.

Das Echo einer Wand klingt fast wie Röcheln.

(Starb Pheidippides gar an Herzinfarkt?)


Kurz vor dem Ziel, noch einmal runterschalten

den Gang, den wirklich letzten vor dem Tod.

Erreiche meinen Hof mit Müh und Not.

Erschöpft, doch glücklich, bald ein Bier zu halten …



 – Dirk Tilsner –



März 09, 2025

 


akt absurdum



Der Morgen rekelt sich auf der Leiste.
In mürrischen Falten die Gardine darunter
hängt noch etwas durch. Sie mag den
alten Stänkerer Helios ohnehin nicht.

Expressionistisches Stillleben in der Küche:
Mülleimer (schnarcht mit offenem Maul) vor
Geschirr im Spülbecken (cubism in action).
In der Ecke Fett-flennende Kacheln ...

Vorsichtig taste ich mich durchs Kunstwerk.
Das perfekte Perpeptuum inmobile, lautlos wie ein
toter-Pharaonen-Traum! (Bloß gut, dass der Hacken-
Specht über mir heute ohrenscheinlich frei hat.)

Planung ist der halbe Sonntag. Der Tisch wartet
geduldig auf den ersten Kaffeefleck. Ich kenne
Erbarmen. Nach dem dritten Pott ein Entschluss:
Ich werde endlich ein Gedicht von dir schreiben.

Ob es dich wirklich gibt?



 – Dirk Tilsner –



Februar 15, 2025

 


Ruhestörung 



– Der Morgen graut. Die Wolken schweigen Bände. 

Noch dösen alle Häuser. Der Asphalt 

Schleppt sich als Fluss ins offene Gelände.
Im Hintergrund kriecht Nebel aus dem Wald. 

Kein Ton. Kein Hauch. Nur sakrosankte Stille, 

Die sich in jedem Punkt des Bildes staut, 

Als ... Wispern einer elfischen Fibrille? 

Vielleicht doch irdischer ... Das ist ein Laut! 


Nein, lauter Laute wie ein Kleckern, Klacken, 

Und zwischendurch ein zartes Tippel-Tapp. 

Es hallt heran, im Takt. Zwei Herrenhacken 

Und Pfötchen eines Hunds im Zuckeltrab. 


Schon schießt der Gassigänger um die Ecke. 

Der Wegerich am Gartenzaun vibriert, 

Und Spinnennetze zittern an der Hecke. 

Der Köter in der Pfütze ... randaliert! 


Der Mantel fliegt. Die Luft erfüllt Getose.
Es schallt und kracht und etwas bricht entzwei – 
Ein Ahornflügel? Knospe einer Rose?
Egal. Jetzt ziehen Kerl und Vieh vorbei, 

Durch diese Mitte und allmählich weiter, 

Drei Eigenheime und dann noch ein Stück. 

Der ganze Lärm verebbt, vermaledeiter.
Der Morgen graut und alles schweigt. Zum Glück! 



– Dirk Tilsner –



Februar 08, 2025

 


Fahrausweis bitte


( Terzine )


 – Herr Polizist, es tut mir schrecklich leid.
Ich weiß, im Ort mit hundertzwanzig Sachen
ist rein gesetzlich keine Kleinigkeit.

Die Wahrheit ... ähm ... Ich kann da nicht viel machen
beim Anfall. Wissen Sie, bei meiner Reife
kommt's ab und an (bei Gott, kein Grund zum Lachen)

im Kniegelenk abrupt zu einer Steife.
Im rechten wohlgemerkt, was so den Schein
erweckt, dass ich aufs Tempolimit pfeife.

Herr Polizist, wir werden nicht so sein,
weil ich ansonsten wirklich niemals rase.
Wobei ... Sie zittern leicht (?) und obendrein

tropft Ihnen fürchterlich die rote Nase.
Das sieht mir ganz nach Frieselfieber aus.
Doch Vorsicht, das ist nur die erste Phase!

Hier, nehmen Sie! Beim Zeug von meiner Maus
vergisst man zügig Kopf- und Gliederschmerzen.
Kein Tee ... da dreht man Zigaretten draus!

Dies Fläschchen, um die Viren auszumerzen,
von meinem Lieblingsdruden selbst verkorkt,
und für den Rotz – spezielle Räucherkerzen.

So sind Sie mit dem Dringendsten versorgt,
um nicht im Dienst der Ordnung zu erkranken.
Den Ausweis, übrigens, hab ich verborgt ...

Ich fahr dann mal. Ach was denn, nichts zu danken!



 – Dirk Tilsner –


Januar 27, 2025



Weitsicht 



 – Als ich gestern in die Ferne sah,
schien mir diese plötzlich seltsam nah.
Näher noch – ich weiß, das klingt jetzt dumm –
als der leere Raum um mich herum.

Dieser Raum, gefüllt mit lauer Luft,
die mir dauernd in die Seele pufft;
diese schnöde Enge ganz aus Nichts,
die Garotte meines Gleichgewichts.

Dieses ungreifbare Nichts-Substrat,
licht- und schattenarme Wechselbad;
dieses körperlose Hindernis,
steter Zwang, im Ausgang – ungewiss.

Als mir, wie schon oben angeführt,
diese Ferne jäh im Innern rührt,
fand ich darin einen tiefen Sinn:
Manchmal will der Mensch woanders hin. 


– Dirk Tilsner –



Januar 21, 2025

 


Credo



 – Ich lege meine Hand ins Herz der tollsten Frauen.
Kein Wunder, wenn sie mir als Casanova trauen,
denn meine Verse sind: Orkan für die Frisur,
ein Sieder für das Hirn, die Presse ihrer Säfte,
sind Sinnflut, Rizinus der vaginalen Kräfte,
poetisch Kamasutra pur.

Mitunter schreib ich auch mal was für weise Männer,
als Bibel-, Nietzsche- und als Suppenerbsen-Kenner.
Denn meine Verse sind: Prometheus in der Bar,
der Scheit des Heilands, Herd platonisch-reifer Wärme,
sind Tee und Valium für aufgeblähte Därme.
Sind so wie ich, bloß voller Haar.



– Dirk Tilsner –



Dezember 23, 2024

 


Aus den Chroniken 

eines Steppkes 



 – Die Straße hatte damals eine Länge
von etwa sieben Lederstrumpfgeschichten. 
Wir konnten jagen, stromern ... ohne Zwänge, 

und wenn es hart kam, auf Bonbons verzichten. 


Am Strand im Urlaub sammelten wir Muscheln 

und ihrer Schönheit wegen(!) Kieselsteine. 

Im Schilfgras hörten wir die Nymphen tuscheln: 

«Der See birgt alte Schätze und Gebeine.» 


Im Kirschkern-Spucken warn wir echte Meister, 

bei Sauriern, ha! In jedem Streit die Schlausten. 

Wir glaubten an die Kraft der Poltergeister 

und dass Zyklopen nur in Märchen hausten. 


Der Kuchen Omas ließ uns dicker werden. 

Wenn Opa nieste, wackelten die Wände.
Ihr Garten galt als Paradies auf Erden:
Die Himbeerstaude nahm und nahm kein Ende. 


Den Becher Milch trank ich stets bis zur Neige. 

Ich war Korsar, ein guter, mit Gewissen. 

Mitunter leider auch ein wenig feige –
ich habe nie in einen Frosch gebissen. 



 – Dirk Tilsner –