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Juni 07, 2025

 


§ 1 ZuneigungsG



 – (Gesetz zur Regelung affektiver Wechselwirkungen)

(in Kraft getreten am Tag deiner Ankunft)


Abs. 1 – Gegenstand des Begehrens:

Die Partei A (nachfolgend: Ich) erklärt einseitig und ohne Rücktrittsrecht,

dass sie Partei B (nachfolgend: Du)

nicht nur vorübergehend, sondern mit auf Dauer angelegter

Emotionalbindung zu begehren gedenkt.


Abs. 2 – Willenserklärung:

Ein Kuss gilt als stillschweigende Annahme.

Ein Blick über drei Sekunden Dauer

begründet Anfangsverdacht auf Gegenseitigkeit.

Die Berührung der linken Handfläche

hat konkludente Wirkung entfaltet.

Das Wegschieben der Haarsträhne von der Stirn

begründet stillschweigend das Recht, im Anschluss

die Schläfe zu küssen.


§ 2 Subjektive Unverhältnismäßigkeit:

Die Intensität der Gefühle steht

außer Verhältnis zum objektiven Sachverhalt;

Haftungsausschluss für Schmerz ist unzulässig

(Art. 14 GG – Herz hat Eigentumsschutz).


§ 3 Vertrag zur Affektionsgemeinschaft:

Die Parteien verpflichten sich zur gegenseitigen Verschwiegenheit;

die Affektionsgemeinschaft stellt ein höchstpersönliches Rechtsverhältnis dar,

das weder kündbar

noch übertragbar ist.

Die Rechte an sämtlichen Erinnerungen verbleiben bei beiden Parteien.

Nach möglicher Scheidung müssen beide Teilnehmer

der Anpflanzung einer Eiche nachkommen.


§ 4 Salvatorische Klausel:

Sollte einer von beiden Parteien fallen,

bleibt das Gesagte gültig.

Selbst Trennung hebt

den Ursprung nicht auf.

Und dieser war der Himmel.


§ 5 Schlussbestimmungen:

Dieses Dokument wurde nicht unterschrieben,

aber mit jeder Geste beurkundet.

Zustellungsversuche erfolgen

im Traum.

Zwangsvollstreckung ausgeschlossen.



 – seefeldmaren –



Juni 04, 2025

 


Mohn



 – Am Rand der Wiese hält der Boden Licht,

das jenen stand, die heimlich sich verrieben,

in Räumen, wo sich Formen kaum verschrieben,

bereit zum Wuchs, doch ohne Angesicht.


Und Träume gehen wortlos durch das Feld,

sie tauchen auf und legen sich in Kreise -

ihr Lauf verharrt in Blatt und Blüten, leise,

die etwas tragen, das sich nicht mehr stellt.


Sie dachten, welkend sei ihr letztes Streben,

doch jetzt, im Aufbruch, reißen sie sich weit:

gefranste Kelche voller Dunkelheit

und Schwärme, die im Kuss des Schlafes leben.


 seefeldmaren –



Mai 26, 2025

 


anleitung 

zum wolkenabbruch



schritt eins:

sammle alle atemzüge,

die jemals in fenstern festhingen.


schritt zwei:

lege sie vorsichtig ab,

bis sie wolken werden.


schritt drei:

warte, bis

die landschaft

in ihre teile zerfällt.


danach:

öffne das fenster,

trete hinaus

und sammle dich ein.



 – seefeldmaren –



Mai 10, 2025

 


die länder 

auf deinen fingerkuppen



 – lithosphären aus zärtlichkeit,

die sich unter lichtkuppeln

der erinnerung dehnen und verweigern.


dein daumen: ein reich

aus wüstenzeichen und moosalphabeten

liebe. als hitzeflimmern


ich taste mich durch

glaziale dörfer deiner handlinien,

überquere grenzen, die

mir nachgehen wie schafe


(hier: die wärme deiner greifbewegung,

die erste form des einlassens –)


aus den fingerbeeren sickert

das salz der meere,

die einst unsere namen trugen

in ein neues azur.


im zeigefinger

eine südliche provinz,

und jeder pfad, begehbare abschiede unter schwalben.


dein mittelfinger trägt

die ruinen meiner stolzesten städte

ich wohne noch dort, als mythos,


(und doch: dein lachen, das manchmal

wie ein visum wirkt)


an deinem ringfinger

wächst eine schweigsame regierung aus licht,

deren gesetze nur im traum verlesen werden


verbrieft nicht auf papier,

sondern in der wechselwärme

zwischen hauch und haut


ein kodex aus atmung,

die nie besitz behauptet

nur duldung –

auf gläserner schwelle


und wenn dein finger zittert

kehrt ein land zurück,


im kleinen finger

ein zeltlager aus schnee,

der schneefall flüstert dort: «komm zu spät,

aber komm»


(dann: deine hand auf meiner,

der abruf aller topographien in einem tastmoment)


und so wandere ich

tagelang durch deine linien,

ohne zu wissen, wo du endest


und nenne dich welt.



 – seefeldmaren –