Posts mit dem Label seefeldmaren werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label seefeldmaren werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

November 16, 2025



alles bleibt kurz



ich wach auf und denk,

vielleicht ist das hier gar kein morgen.

die sonne hängt wie ein ladebalken

über den häusern,

alles wartet auf ein update,

auch die vögel,

auch ich. beim frühstück

sagt brudi: man müsse sich entscheiden,

aber wofür,

wenn jede richtung

bloß eine andere form von warten ist.

danach seh ich menschen im supermarkt

mit gesenkten köpfen,

verwelkt wie sonneblumen vor den kühlregalen,

die den fettrand ihrer sehnsucht mustern.

an der kasse lacht die kassiererin,

du lellek,

so hell,

dass für einen moment

alles ruckelt.

ich denk:

vielleicht war das glück,

oder bloß ein fehler in der wiedergabe.



– seefeldmaren –



November 01, 2025



Hinter den Feldern



 – sah ich den Tag, wie er im Nebel stand,

sein letztes Gold verschwamm im Mühlengraben.

Die Ähre trug den Schlaf schon in der Hand,

und schien den Sommer still davonzutragen.


Ein Reiher zog, so weiß, als wüsste er

vom Gleichgewicht der Flügel und der Zeit.

Er trug im Schnabel Heimat und das Meer

und ließ mich dort in seiner Wirklichkeit.


Sah Felder, die im Dämmerlicht verglommen,

der Abend hielt den Tag noch in der Hand.

Ein Stück vom Licht war in die Flur gekommen,

und hing wie Rauch in unbewohntem Land.


Hier lag der Tau, hier sangen einst die Halme,

hier trug der Wind mein Herz in jedes Blatt.

Nun gehn die Jahre über diese Psalme,

die ich aus Erde lernte

heimatblass.


Dann kam der Pflug, zog Narben in die Tage,

die Ackerhaut war wund und übersehnt.

Das alte Haus, der Himmel leise Klage

um das, was grünt. Geblieben -

ist vergangen.


Die Nacht erschien mir wie ein Engel, wollte

sie einmal suchen noch mit einem Kuss,

doch weil sie fern blieb, kühl in ihrem Golde

erahnte ich, dass ich

bald gehen muss.



– seefeldmaren –



September 07, 2025

 


Juni-Elegie



 – Wenn du erklingst - ein geknickter schmaler Hals, grau-verfilzte Schläfen.

Abgewandter Pilger, daneben seidene Säulen und nur nächtliche Kühle im Sinn.

Die Einfachheit unberechenbarer Sand-Ströme: Stumm wie ein Glasblau voller Risse,

ein Rausch mitten durch schattiges und schneidendes Gestein. Zeitfalten Orgelklang, entfernte Wagen.


Bierlachengeruch am Waldesrand, ein sich dahinzüngelnder Waldpfad, das Klirren

in der Nettoplastiktüte, der Himmel kippt, verschrägt die Umlaufbahn der Blicke,

wir werden euch suchen, wenn ihr vergeht. Ich bin entstellt, ein Arm

an der Wand, erinnere: ferne Versprechen Bahre des Stromes, Fragmente

von denen ich dir erzähle, während du durch die Fenster tastest, ins Fremde.


Schimmer eines Karussells, vor der Dämmerung, ein krächzender Reiher

– taumelnde Florelegien, ich atme, nur in dieser Ordnung, zähle

die Balken der Brücke. Das matte Flussufer, ein Kinderdrachen

taucht ein in das Dickicht der Weiden, mir ist, als ob ich träumend wachte.


Laute versiegen, der Mond kreist – und ruht sich aus im Gedicht

wir werden dich heben, wenn du ermattest. Ich stehe verloren, ein Knie

auf der Schwelle, erinnere: Milde Umarmung Mutter der Wälder, Geschichten

von denen ich dir erzähle, während du über die Dächer schaust, ins Offene.


Stillstand erschien als Abriss. die Stunde verharrte im Geröll

– was war, war wie verätzt. Über den zerbrochenen Dächern, in der letzten Glut

einige Drohnen im versickerndem Eigelb. Rückkehr über gläserne Rampen. Ersticktes.

Und unser Schweigen dauerte an als wir durch die Wasserfedern schwammen.



 – seefeldmaren –



August 20, 2025



Schwereloses Protokoll



 – zwischen zwei Atemzügen

schwenkt das Licht

in eine andere Umlaufbahn


ihre Stimme ist

ein Becken voller Regentropfen

mit der Temperatur von Kindheit

die Möbel: auf Kippe

als hätten sie den Körper vergessen

der sie einmal gestützt hat


am Küchentisch

kniet eine Kaffeetasse

im Schatten der eigenen Henkelkurve

das Wort Mutter

löst sich von der Zunge

Mutter...

und driftet ab

wie ein Satellit ohne Funkkontakt


ein Messer blitzt

beim Umfallen

kurz auf im Licht

und es ist nicht klar,

ob es fällt

oder schon gefallen ist



 – seefeldmaren –



August 12, 2025



der hurensohn



 – was ein joke dieser hurensohn er stieg aufs schiff

und zeichnete mit seiner abnehmenden spur linden in die ferne

in den horizont

welche mutter muss er wohl gehabt haben?

dieses wohlverdiente glück einer geburt

aus einer mauer, aus spalten, aus einem mauerriss ist er gestiegen

direkt ins licht – es gab ihm sofort einen schatten

und niemanden ging es etwas an

er blickte auf zu seiner mutter

der regen hat im himmel

das erste mal mit seinem leben herumgehurt.



 – seefeldmaren – 



Juli 19, 2025

 


Steinweg



 – eine ameise trägt

den glanz von glas

in ihrem maul

es könnte

der funke sein

der den weg zündet



 – seefeldmaren –



Juli 05, 2025



als um nach hause



 – fettige schiebetür

die fingerabdrücke kann man noch riechen

und dazwischen das ziehende

licht wie ein schlauch aus seide

und innen eine stadt aus briefen gebaut

die straßen aus quecksilber

tragen sich selbst aus ihrer haut

und münden dein mund rostrote zärtlichkeit

ich habe dich vermessen vertraut

ist deine fingerkuppe am rand des himmels

es ist fast wie ein zerbröseln

du bist ein star aus violett blauen wasserfällen

ein metall aus zuckerguss

so selten wie eine umarmung

nach hinten.



– seefeldmaren –



Juni 27, 2025

 


fast nur umkreis


für L., 2025



 – nicht viel –

vielleicht das

was sich nicht entscheidet

zwischen anwesenheit

und luft


eine wärme

die du spürst

aber niemandem zuordnen kannst


die signatur einer anemone

etwa in höhe

deines kehlbeins


nicht mehr

als das verschweigen

eines schritts


der sich

gegen das entfernen

nicht wehrt


ich wäre

gern der grund

für dein vergessen

dass du alleine bist


im sommer

wäre ich so viel baum wie nötig

und sonst: fast nur umkreis


damit du bleibst

im gedächtnis der erde

wo es nach dir atmet

(oder etwas in ihr das

bestimmt ist für dich)


 – seefeldmaren –