Kleine Rotlichtballade
hessisch
Do muss mer mindstens Engel sei.»
– Joe Fliederstein –
Do muss mer mindstens Engel sei.»
– Joe Fliederstein –
– Wissen Sie, ich möcht ja richtig möchten,
Und Sie möchten, werter Herr, vermutlich auch,
Zwischen uns stehts gar nicht mal zum Schlechten,
Vor gemeinsamer Enthemmung nur ein Hauch
Hält uns noch, wie sag ichs, auf Distanz,
Zwei Minuten noch, dann könnten wir uns ganz
Sozusagen ineinander denken,
Meinetwegen fällt das Denken auch mal aus,
Und ich fang mal an, mich zu verschenken,
Und Sie nehmen sich was Passendes heraus,
Oder droht schon die Enthemmung zu erkalten,
Und ich sollte einfach nur die Klappe halten?
– Joe Fliederstein –
Ick bin een orjinales Schwerjewicht,
Naturbelassen, im Jeruch vaführend,
Die Sehnsucht scheuer Seelen schürend
Nach Mann. Und ick verleugne nicht
Mein loderndes Verlangen, wenn een Weib
Mir jradezu entjegenkommt und haucht:
«Nimm mir und leg mir hin!» Denn raucht
Der Schornstein überm Haus, und ihren Leib
Seh ick im Rauch zum Anjebot vawirbeln,
Und weil die Kontenanz nicht weiter stört,
Darf mir det Weib im Oberstübchen zwirbeln
Und ick een Mann sein, wie et sich jehört.
– Joe Fliederstein –
… du hast … du hast … was hast du nur?
Du bleibst mir alles, alles schuldig,
Geschnürtes gibst du für Figur,
Du legst dich hin und machst es pur,
Unvorbereitet nackt und herzlich ungeduldig.
Wenn ich für Streichelhände bin,
Bist du für kalkuliertes Greifen,
Und bitte ich um Neubeginn
Nach kurzgefasstem Immerhin,
Gähnst du und gähnst und zählst Matratzenstreifen.
Und dennoch, grobe Kreatur,
Da ist etwas, dem ich mich beuge,
Kein Rätsel, keine Politur,
Du nimmst und gibst es hart retour,
Und dennoch, wie erklär' ich's nur:
In deinen Baggerarmen weiß ich, dass ich zeuge.
– Joe Fliederstein –
– Du hast Papiere nicht und Ahnen,
Du hast nur einen runden Leib,
Und die Behörden kratzen Kreuze
Betreffs: Festendlicher Verbleib?
Du hast in meinem Bett gelegen
Vorgestern Abend im August
Und hast gesagt: «Herr Nachbaa, gelle,
Se maches korrz, isch hob ko Lust.»
Und saß ein Vogel vor dem Fenster
Und hatte einen Ehrenplatz -
«Herr Nachbaa, sehn Se, unner Mensche
Iss doch es Edstle so‘n Schpatz,
Der fliescht erum un hockt am Erker
Un guckt enoi un hot ko Geld,
Des issen Schpatz un iss als solscher
Beliebt, gefiddert un gemeld.»
Du hast Papiere nicht und Ahnen,
Und übermorgen bist du tot,
Und vor den Fenstern alle Vögel
Spalieren dir im Morgenrot,
Und hinter Wolken schreibt ein dicker
Prophet dich ein in die Kartei.
«Herr Nachbaa, sehn Se, unner Mensche,
Do muss mer mindstens Engel sei.»
– Joe Fliederstein –
– Sieht‘s der Mond auch jeden Abend,
Guckt er doch zum Fenster rein,
Drinnen flackert rot die Lampe,
Und man wechselt einen Schein.
Eine Hose wird in Falten
Über einen Stuhl gelegt,
Während sich ein tiefer Seufzer
Zwischenmenschlich fortbewegt.
Eine Spinne lässt sich fallen,
Und ein Seidenfummel fällt,
An der Wand im Schnörkelrahmen
Guckt ein Engel in die Welt.
Eine Fülle von orangen-
farbener Verkäuflichkeit
Legt sich auf das Vorgeprüfte
Und erwartet den Bescheid.
Ein Gebet auf schmalen Lippen
Wird im Himmel überhört,
Und ein Schicksal steht im Zimmer
Irgendwie herum und stört.
Ein ermunterndes: «Was ist denn!»
Aus der Ecke mahnt zur Lust,
Und das Schicksal fährt zusammen
Und entscheidet: «Franz, du musst!»
Sieht‘s der Mond auch jeden Abend,
Guckt er doch zum Fenster rein,
Drinnen fällt beherzt ein Schicksal
Auf ein anderes herein.
– Joe Fliederstein –
– Nehmen Sie ein Stückchen Schokolade?
Wollen Sie von mir ein Stückchen Glück?
Finden Sie, mein Hütchen sitzt gerade?
Bin ich, insgesamt gesehn, ein Stück
Allerfeinste Schokoladenschöne,
Zärtlich eingepackt in Tüll und Taft?
Wenn ich Sie auf meine Art verwöhne,
Hätt ich‘s dann in Ihrer Welt geschafft?
Soll ich Ihnen mal die Seele zuckern?
Könnten Sie ein bisschen näher treten?
Soll‘n wir im vereinten Herzschlagtuckern
Mal den Staub aus Ihren Augen beten?
– Joe Fliederstein –
– Ihr habt mich lange klettern lassen
Am Regenrohr zu euch hinauf,
Die Nachbarsleute auf den Gassen
Besprachen meinen Lebenslauf,
Der dritter Stock mit einem Griff
Ins Leere enden würde, weil
Ich Griff für Griff ein Tönchen pfiff,
Nicht wie ihr denkt per Hinterteil,
Im Gegenteil, ich pfiff das Lied
Vom süßen Lohn nach langer Pein,
So musste denn mein Appetit
Im Dachgeschoss gewaltig sein!
Und, ach, der eure war es minder nicht …!
(Darüber schreibe ich euch
nächstens ein Gedicht.)
– Joe Fliederstein –