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Nachmittag 

im späten August



Wolken legen ihre schmalen
durchscheinenden Leiber
knapp über den gläsernen Türmen der Stadt
ins Blau


 – Christian Fechtner –



 


Nach dem Gewitter



 – der Himmel immer noch grau verbeult
der Asphalt längst wieder
trocken geleckt
und die ganze Straße eine Landschaft
aus missglücktem Abend
in der kleine Scharen von Tonnen
dichtgedrängt beisammen stehen
als simulierten sie
ein Warten auf säumige Hirten



 – Christian Fechtner –





Nachtaktiv



 – durchs Fenster
flutet die Sonne
über den Wandschlaf eines Falters
dessen dunkelgraue Flügel
wie ein langer
eng geknöpfter Mantel
das Geheimnis eines Leibs verbergen



– Christian Fechtner –



 


Vögel in der Vorstadt 



 – vorm Fenster
probt eine Staffel Tauben wieder und wieder
den jähen Aufflug Richtung Balkons 


auf dem Bürgersteig gegenüber 

hüpfen in wachsender Ungeduld 

die misstrauisch äugenden 

Vertreter der Rabenpolizei 



– Christian Fechtner –



 


Im Fluss der Begegnungen



– eine Kinderstimme
wohnt in dem Hünen
der seinem vorausgeeilten Begleiter
etwas zuruft


kaum im Freien
kappt sie jede Verbindung
zu dem
den das Auge sieht



– Christian Fechtner – 



 


Im Aufblicken



– eine Gardinenfalte
zieht einen Längsstrich
durch das Bild vorm Fenster:

der Himmel eine Illusion

von zweierlei Blau

am Boden reckt ein blühender Strauch

zum Bleiben verdammt
die ungleichen Flügel



– Christian Fechner –



 


Mittagsschatten



– Mittagsschatten
auf dem äußeren Fenstersims:
Inseln aus Vogelscheiße
in einem dunkelroten Meer
und die silberne Reise eines schmalen Insekts
bis ans plötzliche Ende der Welt



– Christian Fechtner –



 


Passantin



gut anderthalb Meter
über dem Asphalt
eine energisch schwebende
Riesenschildkröte
die pink
durch den Regenmorgen leuchtet



– Christian Fechtner –





Beim U-Bahn-Fahren



 ein- und ausgeschaltet
das Lächeln einer jungen Frau
im Hin und Her
zwischen einem gesprächigen Schräg-Gegenüber
und dem Handy in ihrer Hand


(als huschte mit den Drehungen ihres Kopfs
das Leuchten
fast im Sekundentakt
vom Bildschirm in ihr Gesicht
und wieder zurück)


 – Christian Fechtner – 


 

Am Ende der bewohnten Welt



 – vor einer weißen Hausfront
schiebt ein halbglatziger Mann mittleren Alters
einen leeren Rollstuhl
durch den Regen


quer über den Bürgersteig
parkt ein Elektroroller
herausfordernd
als suche er Streit



– Christian Fechtner –



 


Splitter



– früh am Morgen 
schmuggelte der Schienenbus
das Tuten seines Signalhorns
in den Kinderschlaf:
genug für ein paar selige
Sekunden des Auftauchens
zwischen Traum und Traum


– Christian Fechtner –





Im leichten Regen


 – unerreichbar für die Scheibenwischer
ein dunkelrotes Blütenblatt
auf der grauen Autostirn


– Christian Fechtner –




Ungut



– sattbraune

dicht gefügte Staubwolle

die wohl über Jahre

hinter dem Heizkörper

lautlos wuchs

und heute morgen unvermutet

in kompakten Portionen auf den Teppichboden fiel


(jetzt ist nicht das Zimmer

aber der Tag

schwer bewohnbar)



– Christian Fechtner –




 

Sekundenrausch


– auf der Rolltreppe

aus der Tiefe der B-Ebene

zurück an die Stadtoberfläche:


unaufhaltsam

kommt ein immer größeres

Stück vom leuchtend grauen Himmel

immer näher



– Christian Fechtner –


 

 


Liebesspiel 



 – ein Eichhörnchen jagt
ein anderes Eichhörnchen 
wild durchs Gerippe
des Alleebaums:
zwei nackte Herzen kurz vorm Überschlag
in der toten Brust des Winters 



 – Christian Fechtner – 





Morgenprotokoll



 – azurblau
der Himmel
durchs Fenster

rasurrot
das Gesicht
im Spiegel

fast farblos
die Gedanken
vorm Aufbruch 

– Christian Fechtner –





In der Landschaft 

des Aschenbechers



– die abgestreifte Glut der Zigarette
leuchtet auf wie die winzige
Sonne einer sterbenden Welt

ein Körper aus atmendem Licht
der schnell
auf Funkengröße schrumpft
beim Rückzug ins Innere
eines Klumpens aus bröckelndem Weiß und Grau


– Christian Fechtner –