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Rätsel-Gedicht für Hanna

( Kindergedicht )


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Eine uralte Frau steht am End’ einer Straße,

die in nachtschwarze Dunkelheit führt,

die Frau hat ihr Haar mit Zahlen verschnürt,

ihre Nase ist lang, ihre Augen sind groß,

aus den Ohren wächst uraltes Moos.


Und ein Kind ohne Nase mit knopfkleinen Augen

steht hüpfend auf nur einem Bein

am Anfang der Straße und gelb sind im Schein

des Mondes drei Haare, mehr hat es noch nicht,

die weht ihm der Wind ins Gesicht.


Der flüsternde Nachtwind, er flüstert: «Hallooo,

alte Frau, sag, du weißt, wer da hüpft? 

Ist gerade erst in die Stadt geschlüpft!»

«Ja, ich weiß es, ja, ich sehs an der klitze-

kleinaufblitzenden Stubsnasenspitze!»


Die Frau dreht sich weg, murmelt «Ach…» und ist fort.

Das Kind fragt den Wind: «He, wer war sie?»

«Tjaaa, wer? Denk nach, sonst erfährst du es nie!»

Und noch einmal hört man das Wort:

«Ach, lang war ich hier, bin für immer gegangen,

hat was Neues auf einem Bein angefangen!»


Das Kind ruft ihr nach: «Alte Frau, guck doch hin,

auf zwei Beinen jetzt! Guck, wie groß ich schon bin!»


Und du, Hanna, weißt du‘s? Wer ist da gegangen,

und was hat vor fünf Tagen neu angefangen?



 – Peter Welk –



 


Gespenstergeplänkel


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 – Verschwitzt hast du in meinem Bett gelegen,

Und neben dir lag eine Eintrittskarte,

Ich sah dich links den dicken Zeh bewegen,

Worauf der alte Fensterladen knarrte,


Sich langsam öffnete und offen blieb,

Dein Schatten huschte wehend aus dem Fenster

Und rief zurück: «Huhu, ich hab dich lieb!»

«Ich liebe, wenn es sein muss, auch Gespenster»,


Gab ich dir zu verstehen, «aber ja,

Vor allem die, wie du, mit Eintrittskarte!»

Da war das Ding besprochen und geschah.

(Wobei der alte Fensterladen knarrte.)



 – Peter Welk –





Tanz


 
– ich werfe mir deinen blick 
über die schulter
nehme ihn mit
durch meinen tag
und meine stadt
siehst du wie schön sie ist 
ich es bin
wie geistreich
wie hungrig
dein blick rutscht
ich lege ihn zurück
siehst du wie ich gehe
mir die haare
aus deinem blick streiche 
sei milde
raune ich dir zu


– Bianca Venis –


(Interpretation 
Hanna Seiffert)


 

Drei Mücken im Gulasch

(Kindergedicht)



– Es schwirren drei Mücken durchs offene Fenster,
drei schwarzdicke summende Mückengespenster,
die fliegen durch‘s Zimmer und woll‘n in die Küche,
von dort kommen kirschsüße Tortengerüche.

Die Torte, da steht sie! Die Mücken, sie summseln,
rundumseln die Torte, und alle drei brummseln
im Sturzflug und mitten hinein in die Torte,
was soll man da sagen, ja, hat man da Worte,

drei Mücken, die haben die Landung geschafft
und schwimmen und zappeln im Kirschtortensaft,
so ist es passiert, es ist nicht gelogen,
und tortensatt sind sie dann weitergeflogen,

es roch aus der Küche nach Gulasch, die Mücken,
nach Kirschtorte wollten sie Gulasch verdrücken,
so flogen sie rüber zum Gulaschtopf
und stürzten ins Gulasch, Hals über Kopf.

Man sah sie im Gulaschtopf untergehen,
kein Mensch hat sie jemals wieder gesehen.


– Peter Welk –


 



Sanchos Ballade


Song aus "Gestatten, Don Quichotte!"


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Lieber Gott, warum – ich wüsst es gern –

Hast du mich in diese Welt geschickt?

Jagst mich runter von dem Glitzerstern,

Hast mich aus dem Hort der Seligen gekickt.


Treibst mich durch die Jahre, machst mich alt,

Schweigst, wenn ich nach Hauptgewinnen frage,

Lässt mich, wie ich bin, auch zugeknallt

Branntweinmäßig. Lieber Gott, ich schlage


Vor: Ich geh dir künftig aus dem Blick.

Dein Gelauer oben runter stört mich sehr.

Hockst mir, alles besser wissend, im Genick,

Lässt mir keine Luft zur Gegenwehr.


Du, ich werde mich von nun an wehren

Gegen dich und deine Vormundschaft,

Meine Pläne reifen noch im Ungefähren,

Aber bald erlebst du sie als dauerhaft.


Losgelassen streif ich dann durchs Leben

(insofern hat sich der Kick dann doch gelohnt),

Bald benehm ich mich aus eigner Kraft daneben,

Denn der Himmel ist für mich jetzt unbewohnt.


Lieber Gott, was hältst du von der Sache?

Sagst du’s meiner Frau, wenn sie mich sucht?

Bleibst du mir gewogen, wenn ich’s mache?

Bleib ich auf Verdacht bei dir gebucht?



 – Peter Welk –





 

Kuhgedanke


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Auf der Alm ein Mädchen lächelt,

Und ihr Mädchenlächeln fächelt

Einer jungfräulichen Kuh

Einen Kuhgedanken zu:

 

Wenn ich auch so lächeln täte,

– denkt die Kuh – und es beträte

Just ein Stier die Alm und säh es,

Lieber Kuhgott, dann geschäh es!



 – Peter Welk –






 Zeichensetzung


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Geglaubt

gedacht zu haben

das eigene Denken

hätte längst die Grenzen

notorischen Starrsinns überwunden

freiwandelnd

Veränderungen artikulierend


Doch beständig

sind immer noch Punkte gesetzt

dorthin

wo Nebensätze Möglichkeiten ließen

im Weiterdenken der Sinn

seine Konturen erlangt

erlangen könnte


Stunden der zugelassenen Entmündigung

greifen in die Freiräume


Und wieder

bleibt nur das Ahnen



 – Silvia Kuhn –



 


Reisende


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 – Als unsere Reise begann 
auf jenem blutroten Blatt
weinten die Zweige
strecken sich die Bäume
und warfen ihre makellosen Stämme
gegen den Wind von Nord

Als jene Reise begann
auf genau diesem Blutrot
zerbarst unser jubelnder Blick
die Stille und echote
vor und hinter uns
wie ein Wellenspiel

Wir waren die Fraglichkeit
und die Antwort
wir waren der Zweifel
und das Verstehen

Beginnen ist so schön



 – Silvia Kuhn –





 gesetzt


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 – Füße gesetzt

nicht laufen

nicht gehen oder gar rennen

auch nicht gleich beide Füße


einen Fuß zaghaft gesetzt

mit den Zehenspitzen den Grund ausloten

dann mit dem ganzen Fuß spüren

und dann

erst dann Gewicht darauf geben


nicht alles

damit das Gleichgewicht bleibt

vielleicht auch der Rückzug?


Was ist es nur

das uns am Lostanzen hindert?



 – Silvia Kuhn –





Sturm


(Kindergedicht)


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– Fegt ein Sturmwind übers Haus,

bläst den Rauch vom Schornstein weg,

lässt die Fensterläden klappern,

sammelt sich im Straßendreck,


scheucht die Käfer aus den Ritzen,

wirbelt Mücken durch die Luft , 

kippt die müllgefüllte Tonne

wie ein Spielzeug um und ruft


Regen aus den Wolken runter,

Blitz und Donner übers Haus,

faule Äpfel und Tomaten

kullern aus der Tonne raus,


Büchsen scheppern, Tüten klatschen,

Hühnerknochen fliegen rum,

Tonne spuckt Kartoffelschalen,

steht im Wind, fällt wieder um,


rumpelt übers Straßenpflaster,

heulend hält der Wind sie fest,

leer die Tonne? Alte Hose 

knüllt sich noch um Würstchendose

unten in der Tonne drin,


holt der Wind sie aus der Tonne,

treibt mit Dose und der Hose

hoch hinaus und hin zur Sonne,

die jetzt über allem schaukelt

gelb wie eine Riesenrose.



 – Peter Welk –