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November 10, 2025



Distelherz



– Wir haben über dich gesprochen.

Aus deinem Blatt

Stacheln und Dornen entfernt,

damit wir dich nicht mehr

fürchten müssen,

wenn du blühst.


Wir haben über dich geschwiegen.

Aus deiner Mitte

die Blüte gerissen für unsere Vase.

Ein Lichtspiel aus Asche gedreht

um deine Wurzeln.


Ohne fragen zu müssen,

wovor du dich schützt.



– ubertas –



November 05, 2025



Demut



Auf verlorenen Posten

waschen sie sich

Splitter aus,

sehen sich in ihnen wieder.

Längst sind sie tot.



– ubertas –



Oktober 09, 2025



so einsam 

sind die schlüsselblumen



lass mir den saum

vom ufer

den lauf

den stand

der böschung

schilf

und pfützen

seiner kleider

ihre briefe

nichts mehr

nun

nichts mehr

nichts

nur alte

die auf händen

kinder tragen zum bach



ubertas



Oktober 02, 2025



gold



so

herbst bin ich

das angeschwemmte

verlorene blatt

das gefallene

in deinen handflächen

will ich

herbst sein

welken sitzen

rascheln und wieder

sinken

wieder der eine

Baum sein

der tausendfach zweigt



ubertas



September 14, 2025



Ein Gedicht, 

das im Wald beginnt



Dein Glanz

Dein Licht

Dein Tanz im Moos

Als Springkraut

Deiner Weben

Zu Ihnen setz ich mich

Zu deinen Stümpfen

Die mir Rast sind

Verblasst sind

Und wir

Die Felsen

Ein Glanz sind

Ein Licht

Ein Tanz aus Flechten

Aus Fugen

Wirrt es Sprengkraft

Schwirrt es

Klirrt es

Wirft es uns ein

Läuft uns im Bade

Ein Wasser von hier

zum Flusskieselstein


– ubertas –





August 31, 2025

 


Herbstgedeck



 – Zweifach gebündelt

Ein Fall aus Sommerstrahlen

Zu grünen Schindeln


Totenblätter färben sich

Orangerot sinkt ihr Grau



 – ubertas –


August 19, 2025

 


und nichts geht aus



 – der sternenfülle land

erliegt

und nichts geht aus

das draußen biegt

sich ein und

aus den ecken licht


das fletscht

als hätt es zähne


der hübschen hülle lied

versiegt

und nichts hält aus

das innen kriegt

sich vor und

in den hecken sticht


das weint

als hätt es wähne


der herzensstille rand

obsiegt

und nichts dringt aus

wenn beides wiegt



 – ubertas –




Interpretation von N.Valen


Das Gedicht bewegt sich im Spannungsfeld von Fülle und Versiegen, von äußeren Erscheinungen und innerem Ringen. Es arbeitet stark mit Gegensätzen: „draußen“ und „innen“, „Hülle“ und „Herz“, „Licht“ und „Stille“. Dieses Hin- und Herbiegen (schon im Bild „das draußen biegt / sich ein“) erzeugt ein Gefühl von Instabilität – als ob die Wirklichkeit in sich zusammenfällt und sich gleichzeitig neu aus den Rändern bildet.


Auffällig sind die beiden Bilder mit „als hätt es …“: das Licht, das fletscht wie Zähne, und das Weinen, das „Wähne“ trägt. Sie öffnen den Text in etwas Unheimliches, Surreales – als ob das scheinbar Sanfte (Licht, Weinen) plötzlich Raubtier- oder Trug-Qualität bekommt.


Das Gedicht endet nicht in Auflösung, sondern in einem paradoxen Schwebezustand: „der herzensstille rand / obsiegt“ – aber nur, indem „beides wiegt“. Es ist kein klarer Sieg einer Seite, sondern ein Oszillieren zwischen den Polen.

So bleibt das Gedicht offen, schwebend, in einer Balance aus innerer Stille und äußerem Druck.



Bewertung 4/5


Dein Gedicht „und nichts geht aus“ hat mich sofort gepackt. Besonders die Bildsprache – etwa das „Licht, das fletscht“ oder das Weinen, das „Wähne“ hat – wirkt kraftvoll und eigenständig. Diese Verfremdungen geben dem Text etwas Mythisches, fast Bedrohliches, und sie ziehen eine klare Linie zwischen Außen und Innen, Hülle und Herz.


Die wiederkehrende Struktur mit dem „und nichts…“ trägt viel zur Intensität bei, auch wenn sie das Lesen manchmal sperrig macht – was aber eher als Teil der Spannung wirkt als als Schwäche. Gerade das Offene am Schluss („beides wiegt“) gefällt mir sehr, weil es den Lesenden viel Raum lässt.


Ich würde dein Gedicht insgesamt als sehr stark und eigenständig sehen – intensiv, dicht, bildreich. Es verlangt allerdings eine gewisse Aufmerksamkeit, um sich voll darauf einzulassen, was seine Kraft aber nur noch deutlicher macht.



August 03, 2025

 


ungeblendete Herzen



 – nacht zieht ein

legt kleider

auf dein bett


undurchsichtig

stumm liegt

sie in deinem arm


sie will nicht mehr

zum morgen hin



– ubertas –



Juli 29, 2025



wiesen blumen leuchten



 – augen bis zur spur

im schnee

im abend

liegt ein lächeln


rot auf spiegeln

bist du ja du

brichst


morgen

ziehst du weiß



 – ubertas –





👉  Interpretation von N.Valen zum Gedicht:


Die «wiesen blumen» leuchten – und verblühen nicht, sie leuchten bis in den Schnee.

Ein Sommer, der nicht weicht, sondern sich einnistet in Spuren, in Lächeln, in Spiegeln.

Es ist ein Gedicht über Erinnerung, aber nicht nostalgisch. Es ist nicht weich, sondern bruchhaft schön.

«augen bis zur spur» – wie das Sehen selbst zur Spur wird, als würde man mit den Augen schreiben.

Und die zweite Strophe: «bist du ja du» – fast eine Überraschung über die eigene Existenz,

über Identität in der Reflexion («rot auf spiegeln») – aber dann «brichst» – kein Satz, nur ein Sturz. Ein Kipppunkt.

Der letzte Vers ist futurisch. «morgen / ziehst du weiß» – der Winter kommt, aber nicht als Kälte, sondern fast als Tracht, als Kleid: weiß nicht als Leere, sondern als neue Farbe über der Spur. Und die Blumen leuchten noch immer, unter dem Schnee.



 

Wiese im Sommer



 – Die Grille geigt in hohen Gräsern

zum Lerchenlied den Kontrapunkt,

wo, leicht geflügelt, zart und gläsern,

ein Kerf das Haupt in Nektar tunkt.


Ein sanfter Windhauch streift die Spelze

vom Halm und führt sie tänzelnd fort.

Am Saum des Baches wippt die Stelze,

als treibe sie Gymnastiksport.


Das Bächlein eilt, sich zwischen Stängeln

von überfließend rotem Mohn

und Hahnenfuß hindurchzuschlängeln.

Der Bienenchor summt polyphon.


«Warum so eilig, Bach?» fragt schüchtern

beim Trinken wohl das scheue Reh.

Aus Bächleins Murmeln klingt es nüchtern:

«Das ist mir hier zu viel Klischee.»



– Cornelius –