Werden und Vergeh‘n
(Kyrielle)
Wenn Abendrot den Berg behaucht,
die Watteschäfchen rotbebaucht
im letzten Blau am Himmel stehn:
ein Spiel von Werden und Vergeh'n.
Vom grauen Acker blick ich hoch:
wie lange wärmt die Sonne noch?
Bald kann ich meinen Atem seh'n,
gewebt ins Werden und Vergeh'n.
Der Weinschwärmer liegt längst verpuppt,
die Tannenzapfen kahlgeschuppt;
sie zeigen an, dass wir uns dreh'n
im Kreis von Werden und Vergeh'n.
Schon bald hat Winterschnee verdrängt,
was Herbst mit Füllhorn ausgeschenkt.
Und aus den Wipfeln rufen Kräh'n
ihr Lied von Werden und Vergeh'n.
Den Kranichen ist's einerlei,
wie jedes Jahr zieh'n sie vorbei.
Wohin sie auch die Winde weh'n,
stets heißt es: werden und vergeh'n.
– Claudia Neubacher –