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Mai 19, 2025



 See-Tanka (für R.)



Ein Herz Ostseestrand

Lichtvermehrt im Wolkenriff

Dünen streichen Sträucher weiß


Im Sandschein leuchtet Frieden

Gräser wiegen nichts allein



 – Ubertas – 



Mai 15, 2025

 


im mittelpunkt



ich im mittelpunkt

einer großen traurigkeit

um mich herum und keine

konnte mich erklären nur

war ich nicht anlass

oder grund

denn

der lavendel trieb

seine sehnsucht in mich

nach hitze und süden

nach einer wahrheit

die schön ist

und

nicht ich bin

anlass oder grund

nur transparent genug



 – charlotte van der mele –

Mai 13, 2025

 


Ich schätze, du bist da



 – Kein Interesse

pictures Bilder framing

No comment

kein Kommentar commodore

In den Kopf

geschossen

full metal jackets

beschissener Abende

Blumensträuße

altern kippen

Wasserflowers

behandeln Beulen

Sonne scheint

gott



– Ubertas –



Mai 10, 2025

 


die länder 

auf deinen fingerkuppen



 – lithosphären aus zärtlichkeit,

die sich unter lichtkuppeln

der erinnerung dehnen und verweigern.


dein daumen: ein reich

aus wüstenzeichen und moosalphabeten

liebe. als hitzeflimmern


ich taste mich durch

glaziale dörfer deiner handlinien,

überquere grenzen, die

mir nachgehen wie schafe


(hier: die wärme deiner greifbewegung,

die erste form des einlassens –)


aus den fingerbeeren sickert

das salz der meere,

die einst unsere namen trugen

in ein neues azur.


im zeigefinger

eine südliche provinz,

und jeder pfad, begehbare abschiede unter schwalben.


dein mittelfinger trägt

die ruinen meiner stolzesten städte

ich wohne noch dort, als mythos,


(und doch: dein lachen, das manchmal

wie ein visum wirkt)


an deinem ringfinger

wächst eine schweigsame regierung aus licht,

deren gesetze nur im traum verlesen werden


verbrieft nicht auf papier,

sondern in der wechselwärme

zwischen hauch und haut


ein kodex aus atmung,

die nie besitz behauptet

nur duldung –

auf gläserner schwelle


und wenn dein finger zittert

kehrt ein land zurück,


im kleinen finger

ein zeltlager aus schnee,

der schneefall flüstert dort: «komm zu spät,

aber komm»


(dann: deine hand auf meiner,

der abruf aller topographien in einem tastmoment)


und so wandere ich

tagelang durch deine linien,

ohne zu wissen, wo du endest


und nenne dich welt.



 – seefeldmaren –



Mai 09, 2025



windweg nachhaus



 – Wind weht

ein paar Strähnen

aus meinem Lächeln –

wie Fingerspitzen

Harfe spielen.


Die Straße atmet flach,

die Laternen noch zu müde

für Licht.

Ich denke mir Schritte

wie kleine Versprechen,

die ich niemandem schulde.


Ein Auto rollt vorbei,

trägt ein Lied auf seiner Stoßstange

und einen Streit auf dem Rücksitz.

Ich nehme nur die Melodie mit.

Sie passt zu mir

wie ein Schatten,

der mich freiwillig begleitet.


Zuhause liegt

noch das halbe Gedicht

auf dem Küchenstuhl,

und der andere Teil

läuft barfuß durch den Hof

und lässt sich

sonnig vergessen.


Ich bin

nicht angekommen.

Bin nur hier.



 – Max von der Heydt –



Mai 07, 2025



 Bushaltestelle



 – Die Tropfen treffen das Plexiglas,

klingeln wie Münzen auf leerem Boden,

schlagen Takte,

die niemand zählt,

außer vielleicht der Wind,

der zwischen den Häusern die Zeit verliert.


Die Straße glänzt,

nicht schön,

nicht sauber,

nur: nass und ehrlich,

mit Pfützen, die wie zu große Augen blicken,

stumm,

offen,

müde.


Ich sitze auf der Bank,

das Holz unter mir gibt nach,

aufgesogen vom Regen,

nicht mehr hart,

nur noch schwer.


Meine Jacke klebt an den Ellenbogen,

meine Beine angewinkelt,

Schuhe aufgesogen vom Wasser,

die Socken ein nasser Film an der Haut,

und ich atme durch den Kragen,

weil die Luft da wärmer ist.


Die Welt riecht nach nassem Teer,

nach Rost in den Dachrinnen,

nach zerquetschtem Laub,

nach feuchter Haut und

den fernen Essensgerüchen

einer Küche,

die ich nie betreten werde.


Lichter von Autos in der Ferne —

nicht hell, nicht schnell,

nur verschwommene Blasen aus Gelb und Rot,

zerlaufend wie alte Träume.


Keine Autos kommen hier vorbei.

Kein Mensch.

Nur das Summen der Laterne,

dieses matte, sirrende Klingen,

als hätte auch das Licht vergessen, wofür es brennt.


Der Regen kitzelt die Haut durch die Stoffschichten,

sickert zwischen die Fasern,

zieht Linien über den Rücken

und malt Muster,

die niemand sieht.


Meine Hände in Taschen,

zu klein für Kälte,

zu leer für Träume.


Und irgendwo dazwischen –

zwischen Tropfen und Dunkel,

zwischen dem feuchten Herzschlag des Bodens

und dem müden Puls in meinem Hals –

ist ein Frieden,

so still,

dass selbst die Traurigkeit

leiser atmet.


Kein Moment für Helden.

Kein Film wird ihn je drehen.

Kein Lied wird ihn je summen.


Aber ich sitze hier,

inmitten von nichts,

inmitten von allem,

im Herzschlag der Nacht.


Und glaube:

Vielleicht reicht das.

Vielleicht reicht genau das.



 – Max von der Heydt –