Oktober 18, 2025
Lösche das Feuer
August 10, 2025
Wie man auch noch
die letzten Leser vergrault
Lektion 1
– Ich bin mir relativ sicher,
dass ich diese Worte hier
bloß in meiner Fantasie
in die Tastatur tippe
und mich in Wirklichkeit
in irgendeiner Psychiatrie befinde,
wo ich sie
mit den eigenen Fäkalien
an die Wände
des Gemeinschaftsraums schmiere,
nur um die Pfleger zu ärgern.
***
Ich weiß weder,
warum ich das hier kursiv schreibe
noch warum ich es überhaupt schreibe.
Aber die Finger
kriechen über die Tastatur
wie Maden
über eine offene Wunde
und
AUF EINMAL
SCHREIBE ICH
IN GROSSBUCHSTABEN!
"Stell dir nur mal vor", sagt plötzlich einer,
"in diesem sogenannten Gedicht
würde jetzt auch noch jemand
Wörtliche Rede verwenden!"
***
Das ist nicht philosophisch,
sondern pathologisch;
keine Kunst,
sondern Geisteskrankheit.
Wäre ich der Leser
und nicht der Autor,
würde ich ebenfalls denken,
dass ich sie nicht mehr alle habe.
Und würde ich
ein "R" verlieren,
wäre ich kein "Autor" mehr,
sondern ein "Auto"
und vielleicht
würden mir spontan
vier Räder wachsen.
Wer weiß?
IHR jedenfalls nicht!
Ihr wisst ja nicht mal,
ob ich eine Hose trage,
während ich schreibe
... und ihr werdet es
auch niemals erfahren.
***
Vielleicht
sollte ich meine Texte demnächst
auf Fünfzig-Euro-Scheine schreiben
und an Obdachlose verschenken.
Wäre das
ein guter Deal?
Denn selbst wenn
- und ich betone WENN -
noch irgendwer freiwillig
neue Gedichte lesen wollen würde,
wäre dies hier
doch mehr als überflüssig.
***
Ich
bin eben nur paar Pfund
getrocknete Scheiße,
die im Schädel eingesperrt
vor sich hin stinken.
Als Mensch
bin ich womöglich gescheitert,
aber vielleicht wäre ich ja
als Möbelstück glücklicher.
***
– klaatu –
Juli 21, 2025
Die Partei der wütenden Männer,
mit denen keiner fuggen will
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Aufgrund jüngster Geschehnisse
wähle ich nur noch Penisse,
denn gewisse Privilegien
würde ich ganz gern behalten
– im Gegensatz zu meiner Alten!!!
HAHAHA!!
(War natürlich nur Spaß,
ich bin selbstverständlich unverheiratet,
da geistig gesunde Frauen
meine Gesellschaft verabscheuen)
Für mich gibt es jedenfalls
nur noch
die Partei der wütenden Männer,
mit denen keiner fuggen will,
denn hier ist Kompensation
keine Schande,
sondern Kulturkampf.
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Ich stehe auf
breitbeinige Politik
mit Brusthaartoupet,
bedrohliches Flexen
mit Vaterkomplexen
und martialisches Posieren
vor dem eigenen Testosteronspiegel.
Ich wünsche mir eine Regierung
mehrheitlich gewählter
Minderwertigkeitsgefühle,
einen Volks-Babo,
der sich die Demokratie
quer übers Knie legt
und ihr vor johlendem Publikum
den verwöhnten Hintern versohlt.
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Weil ich unendlich männlich bin,
quasi ein paar Hoden auf zwei Beinen,
haben meine Freunde mich "Daddy" zu nennen
und wenn ich Sex hätte,
wäre meine Lieblingsposition
bestimmt die Vormachtstellung.
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Weltweit wieder
einschleichendes Scheichtum
und die regelmäßige Einnahme
penisförmiger Schluckimpfungen
hindern mich zum Glück daran,
darüber nachzudenken,
warum ich es nicht einmal
als privilegierter weißer Heteromann schaffe,
halbwegs zufrieden zu sein.
Nein,
was ich brauche
ist wieder ein starker Mann an der Macht
- und ganz sicher
keine Traumatherapie!!
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– klaatu –
👉 Eine Interpretation des Gedichts von – ubertas –
Ein Gedicht, das auf mehrfache Weise zum Nachdenken anregt. Was macht es so beeindruckend? Ganz klar, es beleuchtet gleich mehrere Bühnen menschlicher oder noch besser gesagt, unmenschlicher Auftritte.
Nur noch Penisse zu wählen – dort ist er wieder, der altbekannte Schwanzvergleich. Hier allerdings erweitert in seiner Vermessenheit, als Illustration des Festhaltenwollens an bewährten Rollenbildern. Das Bild des starken Mannes, der sich über seinen Hosenstall hinaus, selbst die Legitimation erteilt, andere durch seine «Größe» zu unterdrücken. Darauf spielt «Im Gegensatz zu meiner Alten!!!» gekonnt an. Das Herabwürdigen des anderen, geschlechterfeindliches Verhalten sitzt mit am Ende der Waagschale. Ein klares Schwergewicht: übersteigerte Selbstwahrnehmung.
Das lyrische Ich kommt vor diesem Hintergrund zur einzig möglichen conclusio «Für mich gibt es jedenfalls nur noch die Partei der wütenden Männer, mit denen keiner fuggen will».
Kompensation ist keine Schande, sondern Kulturkampf. Ein denkwürdiger Satz. Was steckt wirklich hinter Hypermaskulinität? Ob auf der politischen Ebene oder zuhause im stillen Kämmerlein ausgelebt, die betätigten Hebel folgen einem einfachen Mechanismus: Zurschaustellung übertriebener Härte, gern verbunden mit hemdsärmeligem Machogehabe, hier mit einem «Brusthaartoupet» schafft Raum für allerlei Allmachtsfantasien. In Wirklichkeit ist dem Großherrentum nur eines gemein: Der Minderwertigkeitskomplex. Um diesen zu kompensieren, bedient man sich an der Frischetheke vermeintlicher Dominanz, Unterdrückung und martialisches Herausputzen wirken fast erotisierend. «Vormachtstellung», das ist sie wohl, die Lieblingsposition einiger Führungsriegen. Ich denke hier bewusst an so manch’ oberkörperfreie Präriereiterei.
Im letzten Abschnitt des Gedichts wird deutlich, wie schädlich diese Instrumentalisierung ist. Wohin führt es die Gesellschaft und den Einzelnen? Woran kann ich mich noch orientieren? Dieses Gedicht legt den Finger auf die zugepflasterten und doch wunden Stellen unserer Wahrnehmung.
Leben wir wirklich in einer fortschrittlichen und toleranten Umgebung oder zählen noch immer die altbewährten Prinzipien, von denen man sich im öffentlichen Dialog nur allzugerne distanziert?
Mein Fazit: Ein Regime, welches sich den harten Kerl auf die Fahnen stickt, ist nur eines und zwar schwach. Genauso wie es der Einzelne in solchen Systemen nur werden kann, ebenfalls schwach, weil er dem gleichen Irrtum unterliegt, dass Stärke und Macht wohl nur durch Verblendung des Verstandes erreichbar wären.
– ubertas –