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 Im diffusen Licht 

des Nachmittags



 – vorhin
beim Blick durchs Küchenfenster dachte ich
der Wind treibt eine helle Plastiktüte 
gemächlich durch die Schatten des Innenhofs 


(dann aber sah ich
es hing noch
in dunklen Kleidern
ein flatternder Mann aus dem Hinterhaus dran) 



 – Christian Fechtner –



 


Im leichten Regen



unerreichbar für die Scheibenwischer

ein dunkelrotes Blütenblatt

auf der grauen Autostirn



 – Christian Fechtner –





 Grenzschlaf



Grenzschlaf
wirre Träume
in die schon das grammatische
Bewusstsein funkt


in halbwachen Sekunden
sucht der Blick
den Tag hinter den Ritzen
des Rollladens



 – Christian Fechtner –



 


Ostpark



graues Spätoktoberlicht
voll unbestimmter Erwartung


über laubgefleckten Wiesen
Tiefflug von Nilgänsen
die einander jagen
ausdauernd und mit scharfen Schreien



 – Christian Fechtner –



 


plötzliche Sehnsucht



 – plötzliche Sehnsucht
nach den Rändern der Stadt
wo in Siedlungen
einzelne Häuserzeilen
den ganzen Tag in tiefen Schatten liegen


die Außenleuchten
blasse Monde
in bewusstlos dämmernden
Vorgärten



 – Christian Fechtner –



 


Passanten des Tages



 – der Morgenmann
mit den braunweißen Zwillingshunden
macht seinen Routinestopp
am Rand der Grünfläche


später wühlt eine Kapuzengestalt
mit hastigen Griffen
in einem Einkaufstrolley


zuletzt ein trottendes Schulkind
das ohne Zorn
eine leere Dose
durch den Nachmittag tritt


 – Christian Fechtner –



 


ohne etwas zu suchen



ohne etwas zu suchen
fällt der Blick
auf die Skyline des Küchentischs:


kleinere und größere
Dosen und Gläser
und die zentralen
Zwillingstürme voll Pflanzenöl



 – Christian Fechtner –



 


Im Wartezimmer 



 – mit einem schmal emporragenden Schornstein 

steht das Dach von gegenüber
im Glastisch auf dem Kopf
(an einzelnen Stellen von Illustrierten verdeckt) 


der Blick scheitert
beim Versuch
mit den Wölkchen zu treiben
im Himmelbraun des Marmorbodens 


irgendwann
zupft in einem der Fenster drüben
ein älterer Mann
am Rand der Gardine
um einer Topfpflanze
einen schnellen Schuss Wasser zu spenden 



 – Christian Fechtner –





Später Vormittag 

in der Seitenstraße 



 – das Bettzeug
hängt im ersten Stock 
über die Fensterbrüstung 

wie ein uraltes 

Wesen auf der Flucht 

(das Kissen der spitzohrige 

Kopf ohne Hals
die Decke der schlaffe 
faltendurchfurchte Leib) 


von der Straße aus 

unmöglich zu entscheiden 

will es rein
oder wird es springen 



 – Christian Fechtner –



 


kurz nachdem 

der Sommer starb



 – kurz nachdem der Sommer starb
verschwanden auch seine intimsten Geschöpfe
die winzigen schwarzen Fliegen
die so gerne
die Ränder gespülter Joghurtbecher besuchten
(schön zu glauben
sie siedeln jetzt
mit der gleichen Beharrlichkeit
an den Ufern eines winzigen Totenreichs)



 – Christian Fechtner –



 


in der B-Ebene



 – in der B-Ebene
hängt noch die ganze
stinkende Hitze
eines am Ende
hysterischen Sommers
der jetzt
sein letztes Aufgebot
auf Bahnsteigen versammelt:
erschöpfte Trägerinnen
von Trägerhemdchen
und Radfahrer
die ihren Rädern
eine U-Bahn-Fahrt spendieren


– Christian Fechtner –



 


aus dem Papierkorb



 – aus dem Papierkorb
ein plötzliches
beklemmendes Geräusch
als wühlte dort
unter verrotzten Papiertaschentüchern
leeren Tabakpackungen
und zerknüllten Notizzetteln
unsichtbar
ein riesenhaftes Insekt


(oder eine Spinne
die borstig braun
nach oben drängt
um die Schreibtischplatte zu entern
und mit kleinen
unvorhersehbaren Bewegungen
den Schrecken
direkt ins Herz zu pflanzen)



 – Christian Fechtner –