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Mai 06, 2025



Vögel in der Vorstadt 



 – vorm Fenster
probt eine Staffel Tauben 

wieder und wieder
den jähen Aufflug Richtung Balkons 


auf dem Bürgersteig gegenüber 

hüpfen in wachsender Ungeduld 

die misstrauisch äugenden 

Vertreter der Rabenpolizei 



 – Christian Fechtner –



April 22, 2025



die Fensterputzerin



die Fensterputzerin

im ersten Stock gegenüber

vollführt kleine

flinke

kreisende Bewegungen

mit einem hellgelben Tuch

unaufhörlich

und bei längerem Hingucken so

als winkte sie

eifrig

oder verzweifelt

jedem

der unten vorbeigeht


und zufällig nach oben blickt 



 – Christian Fechtner –


März 16, 2025


 

Sonntagvormittag

 


– leise schwankend
der übermannshohe
Turm mit blonder Spitze:
 
ein Kinderritt
auf Vaterschultern

 
– Christian Fechtner –
 

März 07, 2025

 


Am Ende 

der bewohnten Welt



 – vor einer weißen Hausfront
schiebt ein halbglatziger Mann mittleren Alters
einen leeren Rollstuhl
durch den Regen


quer über den Bürgersteig
parkt ein Elektroroller
herausfordernd
als suche er Streit



– Christian Fechtner –



Februar 26, 2025

 


Mittagsschatten



– Mittagsschatten
auf dem äußeren Fenstersims:
Inseln aus Vogelscheiße
in einem dunkelroten Meer
und die silberne Reise eines schmalen Insekts
bis ans plötzliche Ende der Welt



– Christian Fechtner –



Februar 06, 2025

 


Liebesspiel 



 – ein Eichhörnchen jagt
ein anderes Eichhörnchen 
wild durchs Gerippe
des Alleebaums:
zwei nackte Herzen kurz vorm Überschlag
in der toten Brust des Winters 



 – Christian Fechtner – 



Januar 23, 2025



 In der Landschaft 

des Aschenbechers



– die abgestreifte Glut der Zigarette
leuchtet auf wie die winzige
Sonne einer sterbenden Welt

ein Körper aus atmendem Licht
der schnell
auf Funkengröße schrumpft
beim Rückzug ins Innere
eines Klumpens aus bröckelndem Weiß und Grau


– Christian Fechtner –


Januar 08, 2025



Morgenprotokoll



 – azurblau
der Himmel
durchs Fenster

rasurrot
das Gesicht
im Spiegel

fast farblos
die Gedanken
vorm Aufbruch 


– Christian Fechtner –


Dezember 19, 2024



 Im diffusen Licht 

des Nachmittags



 – vorhin
beim Blick durchs Küchenfenster dachte ich
der Wind treibt eine helle Plastiktüte 
gemächlich durch die Schatten des Innenhofs 


(dann aber sah ich
es hing noch
in dunklen Kleidern
ein flatternder Mann aus dem Hinterhaus dran) 



 – Christian Fechtner –



Dezember 10, 2024

 


Im leichten Regen



unerreichbar für die Scheibenwischer

ein dunkelrotes Blütenblatt

auf der grauen Autostirn



 – Christian Fechtner –



November 09, 2024



 Grenzschlaf



Grenzschlaf
wirre Träume
in die schon das grammatische
Bewusstsein funkt


in halbwachen Sekunden
sucht der Blick
den Tag hinter den Ritzen
des Rollladens



 – Christian Fechtner –



November 03, 2024

 


Ostpark



graues Spätoktoberlicht
voll unbestimmter Erwartung


über laubgefleckten Wiesen
Tiefflug von Nilgänsen
die einander jagen
ausdauernd und mit scharfen Schreien



 – Christian Fechtner –



Oktober 20, 2024

 


plötzliche Sehnsucht



 – plötzliche Sehnsucht
nach den Rändern der Stadt
wo in Siedlungen
einzelne Häuserzeilen
den ganzen Tag in tiefen Schatten liegen


die Außenleuchten
blasse Monde
in bewusstlos dämmernden
Vorgärten



 – Christian Fechtner –



Oktober 17, 2024

 


Passanten des Tages



 – der Morgenmann
mit den braunweißen Zwillingshunden
macht seinen Routinestopp
am Rand der Grünfläche


später wühlt eine Kapuzengestalt
mit hastigen Griffen
in einem Einkaufstrolley


zuletzt ein trottendes Schulkind
das ohne Zorn
eine leere Dose
durch den Nachmittag tritt


 – Christian Fechtner –



Oktober 16, 2024

 


ohne etwas zu suchen



ohne etwas zu suchen
fällt der Blick
auf die Skyline des Küchentischs:


kleinere und größere
Dosen und Gläser
und die zentralen
Zwillingstürme voll Pflanzenöl



 – Christian Fechtner –



Oktober 15, 2024

 


Im Wartezimmer 



 – mit einem schmal emporragenden Schornstein 

steht das Dach von gegenüber
im Glastisch auf dem Kopf
(an einzelnen Stellen von Illustrierten verdeckt) 


der Blick scheitert
beim Versuch
mit den Wölkchen zu treiben
im Himmelbraun des Marmorbodens 


irgendwann
zupft in einem der Fenster drüben
ein älterer Mann
am Rand der Gardine
um einer Topfpflanze
einen schnellen Schuss Wasser zu spenden 



 – Christian Fechtner –



September 24, 2024



Später Vormittag 

in der Seitenstraße 



 – das Bettzeug
hängt im ersten Stock 
über die Fensterbrüstung 

wie ein uraltes 

Wesen auf der Flucht 

(das Kissen der spitzohrige 

Kopf ohne Hals
die Decke der schlaffe 
faltendurchfurchte Leib) 


von der Straße aus 

unmöglich zu entscheiden 

will es rein
oder wird es springen 



 – Christian Fechtner –



September 18, 2024

 


kurz nachdem 

der Sommer starb



 – kurz nachdem der Sommer starb
verschwanden auch seine intimsten Geschöpfe
die winzigen schwarzen Fliegen
die so gerne
die Ränder gespülter Joghurtbecher besuchten
(schön zu glauben
sie siedeln jetzt
mit der gleichen Beharrlichkeit
an den Ufern eines winzigen Totenreichs)



 – Christian Fechtner –



September 12, 2024

 


in der B-Ebene



 – in der B-Ebene
hängt noch die ganze
stinkende Hitze
eines am Ende
hysterischen Sommers
der jetzt
sein letztes Aufgebot
auf Bahnsteigen versammelt:
erschöpfte Trägerinnen
von Trägerhemdchen
und Radfahrer
die ihren Rädern
eine U-Bahn-Fahrt spendieren


– Christian Fechtner –