Im Wartezimmer 



 – mit einem schmal emporragenden Schornstein 

steht das Dach von gegenüber
im Glastisch auf dem Kopf
(an einzelnen Stellen von Illustrierten verdeckt) 


der Blick scheitert
beim Versuch
mit den Wölkchen zu treiben
im Himmelbraun des Marmorbodens 


irgendwann
zupft in einem der Fenster drüben
ein älterer Mann
am Rand der Gardine
um einer Topfpflanze
einen schnellen Schuss Wasser zu spenden 



 – Christian Fechtner –



 


Nostalgie auf Schienen



 – In gesellschaftlichem Kreise

wird das Wörtchen «Puff» ganz leise

nur genannt, da jedermann

Liebeslust und Liebeslaster

gegen eine Menge Zaster

käuflich dort erwerben kann.


Wird das Wort jedoch verdoppelt

und ans Schienennetz gekoppelt,

dann erscheint mit viel Elan

unter Dampf die hochgelobte,

altbewährte, krafterprobte,

treue Puff-Puff-Eisenbahn.


Mit ein wenig Sachverständnis

reift so langsam die Erkenntnis:

Zweimal Puff erfreut unbändig,

einmal Puff ist unanständig.



 – In Erinnerung an 

Günter Nehm –



 


Erfolglos


 

 – Ihren Traummann sucht Sieglinde
schon seit einer Ewigkeit:
«Zeit, dass ich ihn endlich finde.
Ach, wie gern wär ich zu zweit!
 

Alle Männer haben Macken,
keiner passt perfekt zu mir,
könnte man sich einen backen,
wär die Küche mein Revier.»
 

Bis die Freundinnen sie necken:
«Hast zum Trauern keinen Grund,
Prinzen gibt's an allen Ecken –
leider ist die Erde rund.»


 – Stefan Pölt –





 dunst erhebt sich 

aus den wäldern



 – dunst erhebt sich aus den wäldern

krähen schreiten auf den feldern

jedes blättchen wippt und tropft

regengüsse gingen über

wald und ackerkrume nieder

hör nur – meister specht – er klopft


klopft an tiefgefurchter rinde

dass er fette Larven finde

eh‘ er suchend weiterfliegt

tropfen fallen aus den wipfeln

prallen ab von tannenzipfeln

bis sich jeder grashalm biegt


voll von wasserperlenketten

feuersalamander retten

sich indem sie bergwärts zieh‘n

kleine bächlein gluckern leise

schneiden schneisen auf der reise

und die waldameisen flieh‘n


nasse himbeersträucher schwanken

dicke weinbergschnecken zanken

viel zu langsam dass wir‘s seh‘n

rote gummistiefel schmatzen

springkrautsamenkapseln platzen

dort am wegrand wo wir geh‘n


hör – der wind bringt neues rauschen

sieh wie sich die blätter bauschen

da – der nächste regenguss!

schön ist so ein wald im regen

und auch nicht ein grund weswegen

man jetzt heimwärts gehen muss


 also stapf ich noch ein stückchen

sammle hier und da ein glückchen

ach - wie ist's hier draußen fein!

ist es wahr? kommt da die sonne?

komplettiert die wanderwonne?

sag - was könnte schöner sein!



 – claudia neubacher –






Wirkung und Ursache



Urplötzlich ertönte ein Chor von Posaunen,

ein gülden und vollmundig strahlender Klang.

Verzaubert entrückt mit unendlichem Staunen,

so glaubt ich zu schweben, als Engelsgesang


auf himmlische Weise in schillernden Sphären

durch Blüten, die tanzten wie Elfen im Licht,

mich bebend verzückte, und fast schon als wären …,

erschien ganz allmählich Kai-Uwes Gesicht.


Er sagte, ich sei in der Mauer gestanden

und habe dabei noch den Freistoß moniert,

da habe der Zwölfer nen exorbitanten

Gewaltschuss mir voll in die Eier platziert.



 – Rudolf Anton Fichtl –



 



Sanchos Ballade


Song aus "Gestatten, Don Quichotte!"


– hören >>


Lieber Gott, warum – ich wüsst es gern –

Hast du mich in diese Welt geschickt?

Jagst mich runter von dem Glitzerstern,

Hast mich aus dem Hort der Seligen gekickt.


Treibst mich durch die Jahre, machst mich alt,

Schweigst, wenn ich nach Hauptgewinnen frage,

Lässt mich, wie ich bin, auch zugeknallt

Branntweinmäßig. Lieber Gott, ich schlage


Vor: Ich geh dir künftig aus dem Blick.

Dein Gelauer oben runter stört mich sehr.

Hockst mir, alles besser wissend, im Genick,

Lässt mir keine Luft zur Gegenwehr.


Du, ich werde mich von nun an wehren

Gegen dich und deine Vormundschaft,

Meine Pläne reifen noch im Ungefähren,

Aber bald erlebst du sie als dauerhaft.


Losgelassen streif ich dann durchs Leben

(insofern hat sich der Kick dann doch gelohnt),

Bald benehm ich mich aus eigner Kraft daneben,

Denn der Himmel ist für mich jetzt unbewohnt.


Lieber Gott, was hältst du von der Sache?

Sagst du’s meiner Frau, wenn sie mich sucht?

Bleibst du mir gewogen, wenn ich’s mache?

Bleib ich auf Verdacht bei dir gebucht?



 – Peter Welk –



 


Mr. Bluemoon



 – Der olle Mond ist angenagt
er wandert einsam über'n Deich 
verfolgt von Flut und Meeresgischt 

und ob er lacht? ich weiß es nicht! 


Sirenen singen Meerschaumlieder 

sie stranden flutwärts mit dem Wind 

und Wolken fetzen sich im Licht 

Herr Mond hat heute Himmelsschicht. 



 – Morphea –