Am Küchentisch 

(Figurengedicht) 



An

einem heißen Sommertag 

bei

weit geöffneten Fenstern 

mit

Blick auf den Gartenteich 


und 

plötzlich

ist der ganze Raum 

erfüllt 


vom 

glitzernden Flügelschlag 

einer

Libelle 



– FrankReich 




 Wege



 – Einst ging die Liebe durch den Magen

Und ward bald der Verzweiflung nah, 

Sie konnte einfach nicht ertragen,

Was sie auf diesem Wege sah.


Durch den Verdauungsbrei hier staksen,

Soll ich (das sei ja wohl ein Scherz!)

Und nach dem Gang noch mächtig wachsen?

Ab morgen gehe ich durchs Herz!


Im Herzen war ihr auch nicht wohler,

Das sie mit hohem Blutdruck schlug.

Sie rief dem Menschen: Komm und hol er

Mich raus! Hab von dem BUMM genug!


Jetzt irrt sie durch des Hirnes Rinde

Und hofft, in dessen Labyrinth,

Dass sich ein guter Ausweg finde –

Kann sein, dass sich auch keiner find‘!



 – niemand –



 


Sommer 



– Vor seinem Schauspiel lässt er gerne warten, 

Der große Regisseur. Er narrt erst hier
Und dort, hält sich zurück, scheint noch zu üben ... 
Abrupt verwandelt er, von Freude schier 

Verzehrt, das Bühnenbild in einen Garten. 


Bei seiner Pracht brauchst du nur zuzulangen. 

Schlaraffenland! Aus jeder Blüte spritzt 

Ambrosia und flutet dich in Schüben. 

Der Liebreiz, der am Tag dein Blut erhitzt, 

Hält dich im Arm der lauen Nacht gefangen. 


Im Rausch bemerkst du kaum wie das Gefilde 

Sich einfärbt und allmählich Glanz verliert. 

Noch tanzt du unbeschwert, bis aus dem trüben 

Gewölk ein Paukenschlag den Schluss taktiert. 

Der Abend, kühler jetzt, ermahnt zur Milde. 



– Dirk Tilsner –



 


Untertags 

(Halbsonett) 



 – Um stets in der Tiefe 

des Lebens 

entspannen
zu können, 

verzieht sich die Maus 

in ihr Loch und 

das sei ihr zu gönnen. 



 – FrankReich –



 


Neue Bahnen 



 – «Es gibt ein Vorbild, das mein Werk befeuert», 

So hör ich manchen jungen Dichter sprechen. 

«Ich will ihm folgen, statt mit ihm zu brechen. 

Wenn das gelingt, hab ich genug erneuert.» 


Um solche Dichter mach ich einen Bogen. 

Denn steht beim Schreiben nur das Alte Pate, 

Entstehen haufenweise Plagiate –
Ums Schöpferische werden wir betrogen. 

So nett Gedichte alter Meister klingen,
Sie nachzuahmen kann’s doch wohl nicht bringen – 
Das sei an dieser Stelle klar beteuert. 


Sei mutig, Dichter, und zerschlag die Formen 

Und lache Hohn den hergebrachten Normen: 

Sonette schreiben ist total bescheuert. 



 – Martin Möllerkies – 



 


 Hinterherruf zum 85.



– Vielleicht zählt Unsereins zum alten Eisen,

Vielleicht soll morgen schon Verschrottung sein,

Vielleicht schlägt Unsereins die letzten Schneisen

Und drängt sich einmal noch ins Leben rein.


Ich war zum letzten Mal vor tausend Jahren

Verliebt in eine längst vergessne Frau,

Ich weiß nicht mehr, ob wir im Himmel waren,

Wir wollten hin, das weiß ich noch genau.


Ich bin kein Mann von Welt und von Erfahrung,

Ich geh tagaus tagein im gleichen Hemd,

Und alle Wunder einstiger Behaarung

Hat mir die Zeit für immer weggekämmt.


Ich denke gern an jene Glücksmomente,

Da ich noch sagen konnte: Fünfzig – und?

Es geht dein Geist noch lange nicht in Rente,

Du brauchst noch lange keinen Ausgehhund!


Jetzt, da die Siebzig angefangen haben,

Nehm ich den Hund als gottgegeben an

Und lass mich gerne mit dem Hund begraben,

Wenn ich mich einmal noch verlieben kann.



 – Peter Welk –



 


Lebensabend



 – Sie stand im Leben ihren Mann

Mitunter trotzig und auch stur

Nun schmiegen sich sechs Enkel an

So zog das Leben manche Spur

 

Sie schleppt sich mehr, als dass sie geht

Einst sprang sie über Zaungestänge  

Nun steht die Lebensuhr auf spät

Ein Phänomen, wenn’s noch gelänge

 

Ihr müder Blick spricht tausend Bände

Und wie zerklüftet ihr Gesicht

Wie faltenreich sind ihre Hände

Doch sie verlor die Anmut nicht

 

Nicht ihren Stolz, nicht ihren Mut

Ihr graues Haar, wie es sie krönt!

Kein Farbton stand ihr je so gut

Die Zeit hat es gekonnt getönt

 

Doch nun verlässt sie Wille, Mut

Sich weiter einzubringen

Im Lebenskampf, doch tut’s auch gut

Mal nicht mehr kämpfen, ringen

 

Sie ist gefasst und steht bereit

Am dunklen Einweggleis

Dann steigt sie ein, es ist soweit

«Macht’s gut» vernimmt man leis … .



 – Volker Teodorczyk –