Blümchengedicht



 – Es schoss, in Dichters kleinem Garten,

zu früh ein Blümchen aus der Erde –

das konnt den Frühling kaum erwarten.

Entgegen jährlicher Beschwerde

stand es nun da, der Dichter staunte

und raunte, mit entzückter Miene:

Ich nenn dich, Blumenkind, Hermine!


Des morgen kam er stets und schwärmte

vom feinsten Wuchs und zartem Blatt.

Der Winzling, der sich kaum erwärmte

für solche Worte, war bald satt

vom dichterschen «Zum Himmel heben»

und sprach zu diesem: «Lass, anstatt

des Sülzens, mich in Frieden leben!


Geh aus der Sonne mir, du Schwärmer,

dann wird mir wärmer, und ich kann

mich frei entwickeln, ohne Lärmer.

Häng mir nicht an der Ferse, Mann,

und nenn mich weiter nicht Hermine –

ich bin ein echter Tulipan!»



 – niemand –





Und alles angelt 



– Und wiederum hat alle Welt 
Sich durch der Wochentage Kreis gehangelt. 
Damit es sich gesund erhält,
Fährt alles raus aufs Land – und alles angelt. 


Du folgst im Schatten der Allee
Dem Kind, das fröhlich mit Gefährten rangelt. 
Du sitzt auf einer Bank am See,
Wo alles sich vergnügt – und alles angelt. 


Ein Schwan das Haupt ins Wasser tunkt, 

Er ruht in sich – das ist es, was dir mangelt: 

Es fehlt dir jener feste Punkt,
Um den sich alles dreht – und alles angelt. 



– Martin Möllerkies –



 


Roxane



(Song aus – Weit übers Meer und dann links 
Swing-Spiel für einen Schauspieler und einen Pianisten)

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Roxane, meine Schöne, du, ich konnte
Nicht länger warten,
Du, ich flieg schon mal voraus,
Gestern Abend warst du alles,
Warst die Sehnsucht, warst die Zeit …
 
Hinter allen Zeiten warst du,
Und beim Wolkenschieben warst du
Aller Unsinn, alle Schönheit,
Du, ich fliege eine Acht …
 
Unter mir schwimmt eine Insel,
Flieg ich weiter, flieg ich tiefer?
Alle Farben seh ich unten,
Farben, die ich noch nicht kenne …

 Ach, Roxane, meine Schöne,
Seh ich dich da unten wedeln
Mit den Händen, meine Schöne?
Du, ich fliege erst mal weiter,
Immer weiter, immer weiter ….

Irgendwo lass ich mich tief und tiefer fallen,
Und dann lieg ich zwischen Muschelkalk und Quallen …

Irgendwo malt mir die Sonne einen Fleck
In den Sand, dort bleib ich, oder ich lauf weg …
 
Irgendwo bin ich vielleicht nach links gebogen,
Oder hab mich an Lianen hochgezogen …

Irgendwo erwartet mich ein Inselstück,
Und dort sitz ich dann eventuell im Glück …



– Peter Welk –


 


Ruhestörung 



– Der Morgen graut. Die Wolken schweigen Bände. 

Noch dösen alle Häuser. Der Asphalt 

Schleppt sich als Fluss ins offene Gelände.
Im Hintergrund kriecht Nebel aus dem Wald. 

Kein Ton. Kein Hauch. Nur sakrosankte Stille, 

Die sich in jedem Punkt des Bildes staut, 

Als ... Wispern einer elfischen Fibrille? 

Vielleicht doch irdischer ... Das ist ein Laut! 


Nein, lauter Laute wie ein Kleckern, Klacken, 

Und zwischendurch ein zartes Tippel-Tapp. 

Es hallt heran, im Takt. Zwei Herrenhacken 

Und Pfötchen eines Hunds im Zuckeltrab. 


Schon schießt der Gassigänger um die Ecke. 

Der Wegerich am Gartenzaun vibriert, 

Und Spinnennetze zittern an der Hecke. 

Der Köter in der Pfütze ... randaliert! 


Der Mantel fliegt. Die Luft erfüllt Getose.
Es schallt und kracht und etwas bricht entzwei – 
Ein Ahornflügel? Knospe einer Rose?
Egal. Jetzt ziehen Kerl und Vieh vorbei, 

Durch diese Mitte und allmählich weiter, 

Drei Eigenheime und dann noch ein Stück. 

Der ganze Lärm verebbt, vermaledeiter.
Der Morgen graut und alles schweigt. Zum Glück! 



– Dirk Tilsner –



 


Liebeslied


( zum Valentinstag )


Dein Bild war auf die Fensterscheibe

In bunten Schatten hingetuscht,

Dann kams zu mir ans Bett gehuscht

Und hat geflüstert: Du, ich bleibe.


Und hat vorbeigeguckt deswegen,

Und hat sich rotgeschämt und schön,

So schöngeschämt und irgendwie

Wie immer schon bei mir gelegen.


Und alle Dunkelheiten kamen,

Und Kuss und Küsse waren neu

Erfunden, unerlaubt und gut,

Und alle Hände hatte Namen.



 – Peter Welk –



 


Gesetzt den Fall



 – Gesetzt den Fall, ich hieße Hubert

und fänd das Leben ziemlich öd,

und ferner hieß ich auch noch Schubert,

sprich: Hubert Schubert. Das wär blöd.


Gesetzt den Fall, ich hätte Schuppen

und Nagelpilz am großen Zeh,

dann wär das Riesenquatsch, denn Schuppen

und Nagelpilz hab ich ja eh.


Gesetzt den Fall, ich wär mein Bruder,

wer wäre dann, so frag ich mich,

jetzt wird’s allmählich immer kruder,

wer wäre währenddessen ich?


Gesetzt den Fall, ich wär ein Rettich

und übte täglich Kontrabass

in einer Gärtnerei, dann hätt ich …


Ich glaube, wir beenden das.



– Rudolf Anton Fichtl –





Heut


 
– Heut
hat er sich selbst verloren 
der Winter 
weggebrochen jede Härte 
das Eis im Blick 
vertaut 

Wie er behutsam
durch die Hasel geht
die grünen Kätzchen
liebevoll
in seinem Atem wiegend

ist er ein Mädchen 
ein Mädchen
ist der Winter heut


– niemand –