Wenn mal wieder 

ein atomarer Holocaust 

droht



 – Wenn mal wieder

ein atomarer Holocaust droht,

mache ich einfach

die Nachrichten aus


– hilft in neun von zehn Fällen.


Und falls es

doch mal stimmen sollte,

muss es deshalb

ja noch längst nicht wahr sein …


Habe gehört,

dass irgendwo auf der Erde

ein Huhn

möglicherweise ein Ei gelegt hat,


aus dem bald schon

der nächste Hitler schlüpfen könnte!


Wir sollten

Menschenopfer bringen,

nur so zur Sicherheit.


Während

wir und die Welt

zusammenrücken

wie Ratten

im Inneren

einer Müllpresse,


regnet es draußen

reglose tote Körper

und

versandkostenfreie

Pakete von Amazon.


Hörst du das, Schatz?

Die Sirenen

spielen unser Lied

und

die Schatten tanzen

Tango miteinander.


Sklaven skandieren

lautstark gegen

ihre eigene Freiheit

und

in den Kriegsgebieten

werfen sie mittlerweile

Menschen anstelle von Granaten,

weil es einfach billiger ist.


Morgen schon

könnte alles vorbei sein,


und doch werden wir

bis zum bitteren Ende

daneben stehen,

um abwechselnd

zu buhen und zu klatschen.


Weil wir ohnehin

nichts Besseres zu tun haben

als auf das Ende zu warten.



ps


Wenn Sie das hier lesen können,

scheint sich die Welt noch zu drehen.

Schauen Sie zur Sicherheit

morgen noch mal vorbei


- wenn Sie können.



– klaatu –





 

Kuhgedanke


– hören >>


Auf der Alm ein Mädchen lächelt,

Und ihr Mädchenlächeln fächelt

Einer jungfräulichen Kuh

Einen Kuhgedanken zu:

 

Wenn ich auch so lächeln täte,

– denkt die Kuh – und es beträte

Just ein Stier die Alm und säh es,

Lieber Kuhgott, dann geschäh es!



 – Peter Welk –




 


an deine Kindheit



mein barfüßiges zimmer

ich als luchskind

allein

unter glaszweigigen bäumen

taste behutsam zwischen den

traumresten der wärterinnen


wie können nur

wände aus lärm

mich halten

als luchskind

sollte ich wege finden


doch der schnee

der fällt in meinem zimmer

verweht meine frühlinge


die wärterinnen

fordern träume von mir

aber ich

ich habe keine träume

und keine tränen

als luchskind in einem gläsernen wald

umstellt von mauern als lärm

mit schnee auf meinen frühlingen



 – charlotte van der mele –


(für unica zürn)





 Zeichensetzung


 – hören >>


Geglaubt

gedacht zu haben

das eigene Denken

hätte längst die Grenzen

notorischen Starrsinns überwunden

freiwandelnd

Veränderungen artikulierend


Doch beständig

sind immer noch Punkte gesetzt

dorthin

wo Nebensätze Möglichkeiten ließen

im Weiterdenken der Sinn

seine Konturen erlangt

erlangen könnte


Stunden der zugelassenen Entmündigung

greifen in die Freiräume


Und wieder

bleibt nur das Ahnen



 – Silvia Kuhn –






Herbst ums Haus



 – Es war einmal ein Gartenhaus

Mit drumjebundnem Blumenstrauß,

Und als der Sommer wich,

Bekams den Blumen nich.


Denn fielense in sich zusamm,

Denn stand keen Rittersporn mehr stramm,

Denn war ums Häusereck

Die schöne Landschaft weg.


Denn saß im Gartenhaus allein

Die Gartenhäuslerin beim Wein

Und sandte eenen Fluch

Direkt zum Himmel huch:


«Herrjott, de Welt war so schön bunt,

Det Leben jing von selber rund,

Nu ziehts die Türen zu,

Und Schuld daran bist du!


Vielleicht, Herrjott, bequemste dir

Und kippst die Chose mal for mir,

Den Winter lässte aus

In diesem Jahr ums Haus!»


Der Fluch ging auch zum Himmel rein

Und weiter zu den Engelein,

Doch wars den' piepe nur,

Die schickten ihn retour


Er kam zurück zur Häuslerin,

Die nahm ihn als ein Zeichen hin

Und strich fortan ums Gartenhaus

Die Himmlischen als Lösung aus.



 – Unbekannt –



 


Luftgestricktes



Die Wiese kitzelt. Schier verzückt 

schau ich in meinen Himmel, 

dort segeln Wesen, luftgestrickt 

von rechts nach links: Ein Schimmel 


mit Lockenschwanz, ein Schaf im Bett, 

ein Gartenzwerg am Spaten,
das Matterhorn, ein Fischkotelett 
und plustrige Primaten. 


Mit einem Male ist mir so, 

als säße da ein Alter, 

der weise flüstert: «Ultimo 

bin ich Dein Leibverwalter! 


Und dann schwebst Du im Himmelsblau – 

als Sahneklecks, Libelle,
als Federboa, Meerjungfrau
und Wilhelms Karavelle!» 

Ich wache auf, der Mond ist nah. 

Er lacht, als würd er wissen:
Ein Wiesentraum strickt hie und da 
auch mal ein Wolkenkissen. 



 – Andrea M. Fruehauf –