Treuegelöbnis 



 – Recht zahlreich zieren Treuebänder 

so manches Brückenrandgeländer. 

Auch heute endet dort ein Strick, 

der Einen festhält – am Genick. 


Die Liebste hatte ihn verlassen,
es fiel ihm schwer, sich neu zu fassen 
und nichts trieb ihn zu neuen Lieben: 

Er ist sich immer treu geblieben. 


Hängt nun am Hals, nicht mehr am Leben 

und schwingt beharrlich zwischen Streben 

als eine Mahnung, sich zu ändern, 

bevor man endet – an Geländern. 



 – James Blond –





Später Vormittag 

in der Seitenstraße 



 – das Bettzeug
hängt im ersten Stock 
über die Fensterbrüstung 

wie ein uraltes 

Wesen auf der Flucht 

(das Kissen der spitzohrige 

Kopf ohne Hals
die Decke der schlaffe 
faltendurchfurchte Leib) 


von der Straße aus 

unmöglich zu entscheiden 

will es rein
oder wird es springen 



 – Christian Fechtner –





Kastanienherbst



ich spür das Sterben in den Dingen

die dort fallen. Und im Weitergeh'n

durch dunkle Zeit, durch die Alleen

blick ich in jene Schöpfungskronen

seh Sterne die aus Bäumen regnen

aus jenem Drehen dieser Welt

ist neben mir – gerade jetzt –

ein Stern auf dem Asphalt zerschellt



 – Morphea –



 


untierisch



 – Herrchen ist ja eigentlich ein Lieber.
Führt mich täglich dreimal ins Revier,
streift umher als wär er selbst ein Tier ...
Bloß das eine schockt mich immer wieder.

Wenn mein Dünger sich ins Freie drückt,
um dem Rasen Nährstoff zu verschaffen
und damit die Blümchen nicht erschlaffen.
Jedes Mal nach dieser Wohltat bückt

Herrchen sich mit einer Plastiktüte,
stülpt sich jene über seine Hand,
füllt sie mit dem Kompost bis zum Rand
und schreit manchmal: Oh, du meine Güte!

Denkt er NIE an das erschöpfte Gras?
Käferchen, die hungrig in ihm irren,
Falter, Fliegen, die darüber schwirren
und den Wurm, der heut noch gar nichts fraß?

Denkt er nicht an MICH und meine Spiele?
Wiesenhummeln, Schmetterlinge jagen
und an alten Maulwurfsknochen nagen ...
Ach, was kläff ich. Gründe gäb es viele.

Aber nein! Er will davon nichts wissen,
dass da jedes Tier ein Gräuel packt,
wenn die Kacke in der Tüte schlackt.
Schlimmer nur, wenn sich zwei Menschen küssen.



– Dirk Tilsner –





Im Grunde 

unspecktakulär



 – Der Mond neigt sich zum Weiher und erschrickt -

so eingedickt war ich schon lang nicht mehr,

denkt er, denn was ihm da entgegen blickt

ist eine speckig runde Silberkugel.


Er könnte in den Google sehn, doch das

wird nicht geschehn, da er kein Ei-Phon hat.

Jetzt heißt es einen guten Rat erhaschen,

weil man sich sonst in seine Taschen lügt.


Verdünn dich einfach, rät ihm eine Ente,

die grad das Wasser mit den Flügeln pflügt -

sich nicht so aufzublähen, das genügt!

Das hat gesessen, bringt den Mond auf Trab

und er beschließt:


Ab morgen nehm ich ab!


Nun folgen Tage, wo er drauf verzichtet

sich ohne Wolkenschleier uns zu zeigen –

selbst Monde sind zuweilen ziemlich eigen.


Noch ist es viel zu früh, um aufzutrumpfen –

das Schrumpfen jedoch macht sich schon bemerkt.

Obwohl ihn die Diät nicht grade stärkt,

wird er auf keinen Fall von solcher lassen.


Die halbe Kugel hat er längst geschafft -

nun macht sich die Bananen-Optik breit.

Wird Zeit erneut im Wasser sich zu spiegeln.

Die Hoffnung auf ein Lob mit sieben Siegeln

von jener Weiher-Ente gärt in ihm,


doch dieses Federvieh quakt nur: Wie schlimm!

Ich will dich um dein Aussehn nicht beneiden –

du wirst doch nicht im Kürze schon verscheiden?


Ihr Quaken lässt dem Mond jetzt keine Ruh –

und er beschließt:


Ab heute nehm ich zu!



– niemand –





Spätjahr



 – Nebel senkt sich Ahnung führt
Kranichformationen
Laub errötet ihm gebührt
Dies seit Jahrmillionen

Zwielicht trägt den Moderhauch
Frisch gepflügter Erde
Feuer loht nach altem Brauch
Heimwärts zieht die Herde



– Andrea M. Fruehauf –



 


Reisende


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 – Als unsere Reise begann 
auf jenem blutroten Blatt
weinten die Zweige
strecken sich die Bäume
und warfen ihre makellosen Stämme
gegen den Wind von Nord

Als jene Reise begann
auf genau diesem Blutrot
zerbarst unser jubelnder Blick
die Stille und echote
vor und hinter uns
wie ein Wellenspiel

Wir waren die Fraglichkeit
und die Antwort
wir waren der Zweifel
und das Verstehen

Beginnen ist so schön



 – Silvia Kuhn –