Versteckspiel 



– Das leere Notenblatt einer Amsel
an der Stelle wo früher ein Kirschbaum stand 

längst verstummt auch 

das Hüpflied der Heuschrecke 


zwei Handbreit tief im Garten vergraben 

der Name der Nachbarskatze 


aber ich stehe noch immer 

mit dem Gesicht zur Wand und 


hinter mir da gilt es nicht 



– sufnus –



 


seit einhundert jahren



– die eisenkrähen hatten mich zur vorsitzenden

ihrer nachtschatten bestimmt und nun sitze ich

im gemachten nest


befehle den zahlen

gerade zu stehen

zwinge die sonne

in den kreis

[sie gibt sich mir sowieso

viel zu männlich]


am ende der laufbahn lege ich

den vorsitz nieder doch nicht ohne zuvor

eine revolution der denkungsart

verfügt zu haben


für die folgen erkläre ich mich

für nicht schuldig

im sinne der anklage



– charlotte van der mele –




 


Dichter am Werk 

Goethe und Schiller 



– Welche Wörter, fragt sich Goethe, 

reimen sich auf meinen Namen? 

Hirtenflöte, Morgenröte …
das trifft den Geschmack der Damen. 

Das Geschwätz des alten Goethe 

lässt bei Schiller Missmut keimen: 

Hungersnöte, Knoblauchkröte 

zählen auch zu diesen Reimen! 


Was, ruft Goethe, Knoblauchkröte? 

Dann reim‘ du mal was auf Unken! 

Gern, spricht Schiller da zu Goethe: 

Freude, schöner Götterfunken! 



– Martin Möllerkies –



 


Nach oben 



– Geben uns unbeschwert 

die kalten Hände 

fliegen täglich aus 

und wechseln
ab, Schlag um Schlag 


Hängen unscheinbare 

Glieder mitten in die 

Mittagsglut 

wähnen 

sonnenverwandt uns 


Trauen dem Regen 

nicht, nicht den Wolken, 

nicht dem Wasser, das zum 

Himmel schwebt und 

fällt 


Reißen die wurzeln- 

den Worte aus 

fruchtbarem Boden 


Versiegeln die Nerven- 

enden im Schlaf 

wandeln mit
den Füßen zuerst 
nach oben 



– Arabella Walter –







6. Juli

Weltkusstag


– hören >>


– Der Menschheit größter Hochgenuss

Ist ohne Zweifel wohl der Kuss,

Ist beliebt, er macht vergnügt,

Ob man ihn gibt ob man ihn kriegt,

Kommt gezielt, kommt aus Versehn,

Kann unverhofft daneben gehn,

Kostet nichts, ist unverbindlich

Und vollzieht sich immer mündlich.


Der Mund gilt nicht allein

Als Endstation für Küsserein,

Nase küsst man, Kinn und Brust,

Auch sonst wohin enteilt die Lust,

Sucht sich Teile, welche leicht

Ein ungebremster Kuss erreicht,

Wenns dem Teil dann nicht gefällt,

Der Kuss, der hält.


Das Küssen treibt die Säfte,

Das Küssen schürt die Kräfte,

Man kann dabei im Innern reifen

Und kann sich außenrum vergreifen,

Man kann den Kuss zum Knall verdichten,

Kann Wolkenkussgebilde schichten,

Man kann zuviel küssen,

Muss nichts bereun müssen,

Der Mensch ist Mensch erst im Kuss.


Schon der erste Kuss drückt sich ins Gemüt,

Jeder weitre Kuss schmückt den, der ihn kriegt,

Küssen macht schön, obendrein auch noch klug,

Küssen kann jeder und keiner genug.

Sogar im Himmel, da schwörn

Die Blondengelgörn

Vom Kuss unterm Abendstern,

Und in der Hölle da tut’s den Schmorenden gut

Vom Küssen im Himmel zu hörn,

Die dicksten Küsse kriegt man von den dünnsten Dingern,

Man kann drauf lauern, dass Küsse dauern,

Beim Dauerkussgenuss gerät der Mensch ins Schlingern,

Und im Erschauern küsst er sich das Schlingern weg.


(Refrain)

 Der Menschheit größter Hochgenuss …



– Joe Fliederstein –





Wasserfreuden 


(Moritat) 


 – An dem Weiher bei den Linden 

Richtung Ausfallstraße Norden 

Nur bei Tageslicht zu finden 

Fing es an, mein erstes Morden 


Das Gemeine brach sich Bahnen 

Der Beginn der Gräueltaten 

Niemand konnte es erahnen 

Freudenfest für Beil und Spaten 


Ja, ich hatte mich verwandelt 

Denn ihr Liebreiz war verflogen 

Sie, mit der ich angebandelt 

Hatte mich gemein betrogen 


Bin mehr Rächer als Verzeiher 

Und so wurde ich zum Täter 

Tunkte sie in diesen Weiher 

Doch zerteilt hab ich sie später 


Mit den oben schon genannten 

Garten- und Zerteilbestecken 

Tauglich auch für die Verwandten 

Mehr fürs Drohen als fürs Necken 


Nach vollbrachtem Filetieren 

Sorgsam eingepackt das Weiche 

Leber, Herz und beide Nieren 

Schwimmen nun im tiefen Teiche 


Wie mir diese Tat behagte! 

Alle Tage Schlachtfestfeier 

Junge, Hübsche, auch Betagte 

Langsam füllte sich der Weiher 


Und so zog ich bald von Dannen 

Bis die großen Meere kamen 

Riesig, diese Wasserwannen! 

Platz genug für viele Damen 



– Volker Teodorczyk –


 

 


Posse 



– Ich saß auf meiner Gartenbank, 

Der Mond erschien mir gertenschlank, 

Beschrieb nur einen schmalen Bogen 

Und stieg der Nacht in das Genick. 

Ich folgte ihm mit meinem Blick 

Von seinem Strahlen angezogen. 


Von irgendwo und ungefähr 

Drang deine Stimme zu mir her, 

Kam leis‘ ums Blumenbeet geflogen. 

Sie streifte flüchtig mit Genuss 

Mir meine Lippen und ihr Kuss 

Hat süß dein Herz belogen! 



– LottaManguetti –