Mein vermutliches Vermächtnis



 – Mit spöttischer Verachtung will ich dereinst

da ich verbannt aus Epikurs Garten

die Stoa hinter mir lassend, den bunten Tand

die verschlungenen Pfade

den lärmenden Rausch fliehe

ausbrechen aus dem Zirkel von 

Gutsein und Genuss.


Eintreten ins Unbekannte

den Göttern nahe, doch nicht gleich

der Ewigkeit verbunden und ein jeder

der je hier wandelte oder wandeln wird

sein.


Erst in der vollkommenen Ordnung

der Ruhe frönen

und mit den Göttern das Nichts

erwarten, aus dem alles neu entsteht.

Auch die Götter.



– tueichler –



 

Am Ende der bewohnten Welt



 – vor einer weißen Hausfront
schiebt ein halbglatziger Mann mittleren Alters
einen leeren Rollstuhl
durch den Regen


quer über den Bürgersteig
parkt ein Elektroroller
herausfordernd
als suche er Streit



– Christian Fechtner –





Einverleibung


– Die Großstadt, wie ein Biest mit kalten Klauen,
knipst abends ihre tausend Augen an.
Dann schleicht sie mit der Einsamkeit heran,
um manche bange Seele zu verdauen.

Genüsslich fängt sie an mit dem Zerkauen,
weiß, wie mit Sorgen sie zersetzen kann,
zieht Sinn und Zeit formlose Fetzen an
und einverleibt sich letztes Urvertrauen.

Zurück lässt sie so manche leere Hülle.
Jetzt rätselt man im Haus, wer ihn wohl kennt.
Fast kann man etwas wie Gemeinschaft spüren.

Ein fremder Nachbar in der Großstadtfülle 
– die Türe erst nach Wochen aufgestemmt.
( «Man konnte den Geruch nicht ignorieren!» ).

– Claudia Neubacher –




Oma



– wenn Oma

vom «Land der Väter» sprach

blickte sie gen Westen

mit Hoffnung

und Glanz im Auge


im Westen

stand Oma oft

am Fenster mit Ostblick –

in sich gekehrt


«Früher

in der Heimat …»

sagte sie dann

und ein kleiner Schweißtropfen

an ihren Wimpern

glänzte



– niemand – 


 

niederschmetternder Gedanke


– Wenn dieselben Leute,

die Texte schön finden,

die ich grauenhaft finde,

wenn dieselben Leute also loben,

was ich unter keinen Umständen für lobenswert erachte,

wenn genau sie meine Texte aber auch loben

und schön finden,

wie grauenhaft schreibe ich dann eigentlich?



– tulpenrot –





 Feierabendfaktor 



– Ich verlasse den Käfig

auf der Höhe

baumbeschnürte Weite

Schwalben malen fedrige Ellipsen in

kamillegesättigte

Luft

meine Lunge pumpt

Schönheit in verbrauchtes Blut

und in mein Herz

stehlen sich seltsam verliebte Triller

zeitlos

wartet die Katze im Blütengrün

Ich steige

wieder in den Käfig



– Andrea M. Fruehauf –






Wenn der Schornstein raucht​


– Ick bin een orjinales Schwerjewicht,​

Naturbelassen, im Jeruch vaführend,​

Die Sehnsucht scheuer Seelen schürend​

Nach Mann. Und ick verleugne nicht​

Mein loderndes Verlangen, wenn een Weib​

Mir jradezu entgegenkommt und haucht:​

«Nimm mir und leg mir hin!» Denn raucht​

Der Schornstein überm Haus, und ihren Leib ​

Seh ick im Rauch zum Anjebot verwirbeln,​

Und wenn die Contenanz nicht weiter stört,​

Darf mir det Weib im Oberstübchen zwirbeln​

Und ick een Mann sein, wie et sich jehört.


– Joe Fliederstein –