Dichterische Freiheit
– Der Dichter ist nach Versen gierig,
Doch oftmals ist das Dichten schwierig.
Rechtschreiben nimmt man nicht so streng;
Erlaubt ist durchaus auch mal Släng.
Ein Beispiel: Hat ein Lastenkahn
Nun Kohle oder Kies gelan?
Da ist «gelan» nicht ganz korrekt,
Doch weiß man, was dahintersteckt.
Doch and‘rerseits soll man beim Reim
Sprachbeugung auch nicht übertreim:
Des Dichters Freiheit, meine Liem,
Zu übertreim, wär übertriem!
Nichtsdestotrotz, wie dem auch sei,
– Fritz Pfeiffer –
Liebeserklärung
– Du, ich fühl mich ungelogen
magisch zu dir hingezogen,
seit ich dich beim Bäcker traf.
Millionen Moleküle
überschäumender Gefühle
rauben mir den Schönheitsschlaf.
Du, ich stopf mir schon seit Wochen
Spritzgebäck und Liebesknochen
in den Aphroditenbauch,
doch es hört nicht auf zu brodeln,
und ich werd vor Freude jodeln,
wenn du sagst, du spürst es auch.
Du, ich möchte mit dir kuscheln,
dir vertraut ins Öhrchen nuscheln:
«Du bist nicht wie Kunz und Hinz!»
Will von deinem Apfel beißen
und für dich Schneewittchen heißen,
denn du bist mein Märchenprinz.
Du, ich würde dir erlauben,
die Regale abzustauben,
und ich bügle dir sogar
ohne merkliches Befremden
die türkisgestreiften Hemden
für ‘nen Kuss als Honorar.
Du, ich möchte mit dir streiten,
dich zum Fußballspiel begleiten
nach verlorner Kissenschlacht,
pflück dir bunte Tausendschönchen,
schenk dir Töchterchen und Söhnchen.
Willst du sieben oder acht?
– Claudia Bräutigam –
Det iss der Lebenssinn
– Die Ilse sagt, der Victor iss nich helle,
Die Ilse sagt, der Victor iss mein Held,
Ick bin halt uff Jesundheit einjestellt,
Und oben rum ham andre ooch ne Delle.
Mir iss der Kopp nur jut zum Haarewaschen,
Die Ilse mach ick glücklich mitm Rest,
Ick halt mir anner juten Laune fest,
Denn darf det Ilseken am Victor naschen
In unsra Laube, sonntags, bis et scheppert,
Da wird keen Firlefanz zusammjeleppert,
Da jehts, wies jehn soll, inne Rinne rin,
So wie det Leben ehm spielt im Sonntagstrotte,
Und sind die Manneskräfte denn beim liebn Jotte,
Sagt Ilseken, det iss der Lebenssinn.
– Joe Fliederstein –
Die Letzte
– Der Morgen dräut, mein Schädel brummt
und schmerzt im Übermaße,
mein Mund ist taub, ein Tierchen summt
um meine müde Nase.
Ich hole aus – das blöde Vieh
entfleuchte wohl ins Zimmer –
und schlage mir mit Energie
aufs Maul. Es kommt noch schlimmer!
Nun heb ich mich ins Waagerecht
und seh auf der Toilette:
Am Spiegel hängt mein Folterknecht
und putzt sich die Facette.
Mein Handtuch saust, das Glas zerschellt,
und ich bin Ach! zerschunden.
Die Fliege? Bleibt auf dieser Welt
und leider auch verschwunden.
Der Mokka röchelt, ich hab Zeit
und streck am Tisch die Glieder,
da schwirrt das Untier, kampfbereit,
auf meine schweren Lider.
Ich schrecke auf, der Kaffee mit,
und tünch mir Hemd und Hose,
die Fliege kreist als Satellit
um meine Zuckerdose.
Gleich setzt sie sich! Ich atme nicht,
vorm Auge weiße Blitze –
der Tisch, der nun zusammenbricht,
schlägt mir ans Kinn! Na, Spitze!
Der Morgen dräut, mein Schädel brummt
und schmerzt im Übermaße,
der Mund ist taub, ein Tierchen summt
um meine müde Nase …
– Andrea M. Fruehauf –
Wege
– Einst ging die Liebe durch den Magen
Und ward bald der Verzweiflung nah,
Sie konnte einfach nicht ertragen,
Was sie auf diesem Wege sah.
Durch den Verdauungsbrei hier staksen,
Soll ich (das sei ja wohl ein Scherz!)
Und nach dem Gang noch mächtig wachsen?
Ab morgen gehe ich durchs Herz!
Im Herzen war ihr auch nicht wohler,
Das sie mit hohem Blutdruck schlug.
Sie rief dem Menschen: Komm und hol er
Mich raus! Hab von dem BUMM genug!
Jetzt irrt sie durch des Hirnes Rinde
Und hofft, in dessen Labyrinth,
Dass sich ein guter Ausweg finde –
Kann sein, dass sich auch keiner find‘!
– niemand –
Sommer
– Vor seinem Schauspiel lässt er gerne warten,
Verzehrt, das Bühnenbild in einen Garten.
Bei seiner Pracht brauchst du nur zuzulangen.
Schlaraffenland! Aus jeder Blüte spritzt
Ambrosia und flutet dich in Schüben.
Der Liebreiz, der am Tag dein Blut erhitzt,
Hält dich im Arm der lauen Nacht gefangen.
Im Rausch bemerkst du kaum wie das Gefilde
Sich einfärbt und allmählich Glanz verliert.
Noch tanzt du unbeschwert, bis aus dem trüben
Gewölk ein Paukenschlag den Schluss taktiert.
Der Abend, kühler jetzt, ermahnt zur Milde.
– Dirk Tilsner –