Drei komische Heilige



 – Vor einiger Zeit in 'ner fürchterlich kalten

Dezembernacht eilen drei finstre Gestalten

durchs Land, denn sie müssen bei eisigen Winden

noch schnell einen schützenden Unterschlupf finden.

 

Der erste, ein Goldiger, zeigt in die Ferne,

dem Weingeist nicht abgeneigt sieht er schon Sterne.

Der zweite, mit ihm in die Wolle geraten,

beweihräuchert sich an den eigenen Taten.

 

Der Dritte im Bunde, ein mürrischer Alter,

zitiert ständig irgend 'nen Vers aus dem Psalter.

So stapfen sie schimpfend, das Blut schwer in Wallung,

und finden im Schneetreiben endlich 'ne Stallung.

 

Sie öffnen das Tor, doch da steht schon Gesindel

im Stroh um ein winziges Kindl mit Windel.

Laut fluchen die drei, von dem Anblick vergrätzt:

»O Jessas, Maria und Josef! – Besetzt!«



 – Stefan Pölt –



 


Alle Jahre wieder!



 – Adeventus spekulores,

Innehaltum für die Katz!

In Discounters und in Stores,

Run auf Fun und Schmakofatz.


Muti, Vati, Omi, Opi,

shopi bis zum Infarktat.

Personalum non Humores –

allesamtum maledat!


Jingle piept im Waren-Jungle:

Happy Christmas XXL!

Alle Tassen, oder Mangel,

schon im Schrank, eventuell?


Stupsen, schubsen im Gemenge,

Omi, Opi nicht mehr top –

Mutti: Tuti aus der Enge!

Allesamt zum Coffee-Shop!


Ploppt die Sippe auf die Matte,

kommt von Omi gleich der Schrei:

Frollein, einen Cafe-Late!

Schreit der Teenie: Mir ein Chai!


Mary Christmas tönts vom Jingle,

Mutti will Schwarzwälder Kirsch,

Vati reicht ein Schokokringel –

Mutti denkt nur: Welch ein Hirsch,


immer dieser Geiz beim Essen!

Da springt Vati plötzlich uff:

Hab den Parkplatz voll vergessen –

und dann sucht er seinen SUV!



– niemand –



 


Ich lese keine Gedichte



 – Ich lese keine Gedichte,


ich lese

Rechnungen,

Strafzettel

Mahnungen


- und Pfandflaschen

vom Boden auf.


Ich lese

Wahlversprechen,

Zeitungsannoncen,

Werbeanzeigen


- und die Zukunft

unserer Kinder

aus den Eingeweiden

überfahrener Katzen.


Ich lese keine Gedichte,


ich lese

Morddrohungen,

Gewaltaufrufe,

immer

länger

werdende

Todeslisten


– und die Angst

in euren Gesichtern.



 – klaatu –



 


Am Fenster



 – Hart war der Winter damals, 

Fegte der Sturm wochenlang
Über mein ungeschütztes Feld.
Ließ er mal kurz nach, ließ ich
Krähen steigen und hoffte
Auf irgendein Zeichen,
Bis auch sie erstarrt vom Himmel stürzten. 
Schließlich fiel meterhoher Schnee und 

Begrub das Feld und die defätistischen Kreaturen. 

Umsonst. Nichts brennt tiefer als
Das gleichgültige Lächeln
Einer Eiskönigin.

Heute studiere ich den Zug des Regens
Am geschlossenen Fenster. Die Tropfen 
Sind alle verschieden und alle gleich. 

Manchmal verharrt einer für einen Augenblick, 

Bis auch er entkräftet seiner Bestimmung folgt. 

Der kurze Traum von einem Kuss der Königin. Umsonst. 

Sie schneit schon seit Jahren 

Nicht mehr vorbei. 



 – Dirk Tilsner – 





Diät



 – Kekse, Kekse, Schokoriegel

Riesengrosse Waffelbrocken

Marzipan, so groß wie Ziegel

Und es schneien Nougatflocken

 

Ach, ich träume einen Stuss!

Ich spaziere unter Bäumen

Die aus reinem Zuckerguss

Straßen aus Melasse säumen

 

Doch ich kaue Kokoskerne

Trinke Wasser aus Karaffen

Ja, vier Zentner hätt‘ ich gerne

20 Gramm muss ich noch schaffen!



 – Volker Teodorczyk –





ohne dich



mein herz das ist ein puzzle

in hundert teilen und einige

liegen noch bei dir herum


ein paar hab ich verloren

als ich gegangen bin und

mit dem rest in meiner schachtel


lege ich mir hin und wieder

mein lückenbild zusammen

das mich so seltsam treffend trifft


und weiß ich werde

mich nicht suchen

ich bin mir so

mehr als genug



 – charlotte van der mele –



 


montagmorgen



es wird zeit mich anzuziehen

ich friere

die kälte kriecht mir unters hemd

es wird zeit

 

draußen scheint die sonne

die gegnerin der dunkelheit

 

im garten blühen noch die letzten rosen

gelbe und weiße

sie üben sich im widerstand

gegen den raureif auf den dächern der nachbarhäuser

 

auch ich werde mich

wappnen

starkmachen

für und gegen

für alle fälle

 

es wird zwar niemand an der tür klingeln

oder klopfen

aber ich will vorbereitet sein

 

vielleicht bringt ja jemand

eine tüte mit weichem quittenkonfekt vorbei

oder mit knusperharten springerle

ich würde die tür öffnen

bedenkenlos



 – tulpenrot –