Spätjahr



 – Nebel senkt sich Ahnung führt
Kranichformationen
Laub errötet ihm gebührt
Dies seit Jahrmillionen

Zwielicht trägt den Moderhauch
Frisch gepflügter Erde
Feuer loht nach altem Brauch
Heimwärts zieht die Herde



– Andrea M. Fruehauf –



 


Reisende


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 – Als unsere Reise begann 
auf jenem blutroten Blatt
weinten die Zweige
strecken sich die Bäume
und warfen ihre makellosen Stämme
gegen den Wind von Nord

Als jene Reise begann
auf genau diesem Blutrot
zerbarst unser jubelnder Blick
die Stille und echote
vor und hinter uns
wie ein Wellenspiel

Wir waren die Fraglichkeit
und die Antwort
wir waren der Zweifel
und das Verstehen

Beginnen ist so schön



 – Silvia Kuhn –



 


kurz nachdem 

der Sommer starb



 – kurz nachdem der Sommer starb
verschwanden auch seine intimsten Geschöpfe
die winzigen schwarzen Fliegen
die so gerne
die Ränder gespülter Joghurtbecher besuchten
(schön zu glauben
sie siedeln jetzt
mit der gleichen Beharrlichkeit
an den Ufern eines winzigen Totenreichs)



 – Christian Fechtner –



 


Wiegenlied



 – Schlaf ein, schlaf ein, 

mein Sonnenschein, 

was soll denn das Gebrülle? 

Schlaf ein, mein Schatz, 

schlaf ein ratzfatz, 

dann wäre hier Idylle. 


Schlaf ein, mein Kind, 

schlaf ein geschwind,
ich kann dich kaum mehr tragen. 
Jetzt schlaf schon ein,
hör auf zu schrein,
was solln die Nachbarn sagen!? 

Sie endlich still,
dein Vater will
nur schlafen – hab Erbarmen! 
Und plötzlich tust
du lieb und ruhst
ganz sanft in Morpheus Armen. 

Als wenn nichts wär,
kein Kreischen mehr,
du schläfst so tief und friedlich. 
Wenn sie nicht schrein, sind Kinderlein
im Grunde ja ganz niedlich. 

Ach, diese Ruh!
Ich deck dich zu
und lege mich daneben. 
Wach bloß nicht auf, 

den Tag darauf
würd ich sonst nicht erleben. 



 – Stefan Pölt –





 gesetzt


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 – Füße gesetzt

nicht laufen

nicht gehen oder gar rennen

auch nicht gleich beide Füße


einen Fuß zaghaft gesetzt

mit den Zehenspitzen den Grund ausloten

dann mit dem ganzen Fuß spüren

und dann

erst dann Gewicht darauf geben


nicht alles

damit das Gleichgewicht bleibt

vielleicht auch der Rückzug?


Was ist es nur

das uns am Lostanzen hindert?



 – Silvia Kuhn –





Sturm


(Kindergedicht)


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– Fegt ein Sturmwind übers Haus,

bläst den Rauch vom Schornstein weg,

lässt die Fensterläden klappern,

sammelt sich im Straßendreck,


scheucht die Käfer aus den Ritzen,

wirbelt Mücken durch die Luft , 

kippt die müllgefüllte Tonne

wie ein Spielzeug um und ruft


Regen aus den Wolken runter,

Blitz und Donner übers Haus,

faule Äpfel und Tomaten

kullern aus der Tonne raus,


Büchsen scheppern, Tüten klatschen,

Hühnerknochen fliegen rum,

Tonne spuckt Kartoffelschalen,

steht im Wind, fällt wieder um,


rumpelt übers Straßenpflaster,

heulend hält der Wind sie fest,

leer die Tonne? Alte Hose 

knüllt sich noch um Würstchendose

unten in der Tonne drin,


holt der Wind sie aus der Tonne,

treibt mit Dose und der Hose

hoch hinaus und hin zur Sonne,

die jetzt über allem schaukelt

gelb wie eine Riesenrose.



 – Peter Welk –



 


Aktentasche im Regen



– An der Bushaltestelle steht ein Mann.

Heute regnet es.

Der Mann trägt eine Aktentasche.

In der Aktentasche ist es trocken und warm.

Der Bus hat Verspätung.

Der Regen wird immer stärker.

Der Mann ist auf dem Heimweg von der Arbeit.

In der Aktentasche sind wichtige Dokumente

und ein Teddybär.

Der Teddybär heißt Willi.

Er ist schon 42 Jahre alt.



– sufnus –