Sommer 



 – Wo bleibt
mein Kindersommer bloß 
mit dem verträumten 

Tageslauf
heut bäumt sich etwas 
riesengroß
fast ungeheuer
vor mir auf 


und brennt
und streut in Ecken Licht – 
kaum ein Geheimnis 

bleibt in Sicht 



– niemand –



 


Bing!



– Entschuldigung mein liebster Herz-

gedanke kann es sein

dass Ihnen eben dieser Kuss

entfallen ist?


Er ist von Ah bis Oh

so seifenblasenschön

ein Leichtsinnsschaum er schwimmt

sogar in Milch ich schwörs


Auf seiner feuchten Wiese können

auch Schnurrbartträger barfuß laufen

sein Spiegelbild um Mitternacht

ist vogelgrün er stellt die Uhren auf

noch mal noch mal und


Machen wir die Augen zu

dann schließen sich die Aufzugstüren

mit einem leisen: Bing!

(das Erdgeschoss kann warten Babe

wir fahren nochmal in den zwölften Stock)



– sufnus –



 


SonnTag 



 – Der Tag ist still, ein offnes Buch 

für Schmetterling und Biene, 

die Sonne webt ihr heißes Tuch 

mit wolkenloser Miene. 


Ein Rabe krächzt, er wär bereit 

den Wetterhahn zu drehen, 

und Glocken läuten, nur die Zeit, 

sie weigert sich zu gehen. 



 – Andrea M. Fruehauf –






Gesang der Schafe



 – Denn wir Schafe sehen euch entgegen,

Sehn euch langsam auf uns zu bewegen,

Denken euch verjagt aus euern Herden,

Sehn euch, näher kommend, Schafe werden.


Unser Darwin sieht in seiner Denkerstube

Eure Art sogar im Umkehrschube,

Sieht euch Schafe werden und dann Hasen,

Sieht als Frösche euch beim Backenblasen,

Schließlich Würmer werden oder Quallen

Und am Ende euch zu Staub zerfallen.


Wir hingegen, wachend und im Schlafe,

Sehn euch, näher kommend, noch als Schafe,

Und als solche seid ihr uns willkommen

Und ins neue Dasein aufgenommen.


Hieß das alte Dasein Dauerkrise,

Liegt das Glück im neuen auf der Wiese,

Also lasst es uns beblöken und beträumen,

Und das alte lasst uns aus den Hirnen räumen. 



 – Peter Welk –


(Fotografie Marion Reckow-Memmert)



 


Gegenüber 



 – Die Frau im Penthouse vis-à-vis 

mit Fenstern ohne Jalousie, 

die immer so verpennt aussieht, 

wenn sie die Betten neu bezieht, 


schlief heute wieder mal bis zehn. 

Die sollte früher schlafen gehn, 

dann käm sie morgens eher raus 

und auch mal öfter aus dem Haus. 


Jetzt liest sie auf der Couch ein Buch, 

am Abend kriegt sie meist Besuch 

und immer von nem andren Mann – 

ich seh mir das schon länger an. 


Nach außen dringt dann rotes Licht, 

woher das kommt, erkenn ich nicht, 

die Innenwände sind zu dick 

und hindern mich am freien Blick. 


Ich nehme später noch gewahr, 

wie sie geduscht mit nassem Haar, 

nur in ein Handtuch eingehüllt, 

sich noch ein Gläschen Wein einfüllt. 


Dann nimmt sie, wie fast jeden Tag, 

das Liegesofa in Beschlag.
Wie kann man nur so häufig ruhn – 
hat die nichts Besseres zu tun!? 



– Stefan Pölt – 



 


Notfall



 – Ein Mann, er friert, ist depressiv

Die Hände nass, die Augen tief

Er bittet und verschränkt die Hände

Um Zyankali für sein Ende

 

Der Apotheker scheint verwirrt

Er hat grad Windeln einsortiert

«Das gibt’s so laut Verordnung nicht!»

Da hält der Mann ein Bild ins Licht

 

Es zeigt das Antlitz seiner Frau

Der Apotheker schaut genau,

Die Schrankwand auf, sie läuft auf Schienen:

«Ja mit Rezept, da geb‘ ich‘s Ihnen!»



– Volker Teodorczyk –



 


Straßenmusik 

(Salzburg)



– Die Geige im Arkadenbogen,

das Saxophon am Platz davor,

ein Puppenspiel, von Hand gezogen,

auf Treppen singt ein Frauenchor.


Da schwingen wunderbare Stimmen,

verebben,  heben wieder an,

und auf dem freien Platz erklimmen

sie gar den Hang zur Feste dann.


Die Stadt lässt Notenklänge fächeln,

Musik für kleinen Obolus.

Du schenkst den Groschen und ein Lächeln

auch Spielern ohne Musenkuss.



– Ingo Baumgartner –