Juni 10, 2025



Verästelt



 – Verästelt wie ein Baum steh ich im Leben,

ein jeder Tag darin scheint wie ein Blatt,

gespreitet in der Sonne, mir zu geben,

was Licht an Süße zu gewähren hat.


Doch Herbst malt meine Tage langsam farbig,

sie trocknen mit dem letzten Glühen aus

und fallen wie die Blätter. Es bleibt narbig

zurück ein schwarzes leeres Geisterhaus.



– gummibaum –


 

Juni 09, 2025



Spargelfreuden



Wie trüb in dieser Erdensphäre

das Leben ohne Spargel wäre!

Ich wollte für das Zeug mein Leben,

zumindest ein paar Jahre geben.


Schon quillt es mir aus beiden Ohren.

Ich fühle mich wie neu geboren.

Wie wundervoll es quietscht und flutscht …

(Fast wäre ich drauf ausgerutscht.)


Es füllt die Plexiglaskabine

und klebt auch an der Duschgardine,

verteilt sich reichlich und beliebig,

denn so ein Spar-Gel ist ergiebig …



– Cornelius   



 


Abschiedsschmerz



 – Wie eindringlich sie um Beachtung buhlte

Sah sie nach Anerkennung schmachten

Wer war es, der in dieser Kunst sie schulte

Menschen als Spielball zu betrachten?

 

Und dann verlischt die stolze Lebenskerze

Was jedoch fehlt, ist glaubhaft tiefer Schmerz

Nicht, dass es animiert zu bösem Scherze

Ihr letztes Lächeln? Das war Ende März  

 

Doch jetzt wird heimgezahlt und es gibt Saures

Wen juckt denn schon ihr letzter Wille

Und ihr Geschwafel hatte nichts Genau’res

Ihr Blick vereiste ihre Brille

 

Drei Söhne steh‘n gemäß der Etikette

Verkneifen sich den Hauch von Heiterkeit

Es muss Solides her als Ruhestätte

Verlässlich dicht, für alle Ewigkeit

 

So bringt sie, balsamiert, in einen Tempel

Den Trick beherrschten schon Ägypter

Und auf den Sarkophag den Eingangsstempel

Nicht an die Wand gestellt, sonst kippt er!



– Volker Teodorczyk –



Juni 08, 2025

 


Preislied 

auf einen Korkenzieher



 – Einen Korkenzieher will ich hier besingen,

der entkorkte täglich eine Flasche Wein.

Leichthin sah man ihn in Flaschenhälse dringen,

und - tadah! - sein Herrchen schenkte ein


und hat so sein Herz ums Traurigsein betrogen,

da es um die Menschheit steht, wies nunmal steht:

Seelenkummer? Schnell den Wein aufs Glas gezogen!

Zappzarapp, wie schnell der Schmerz vergeht.


Dieser Korkenzieher war nur Pfennigware

und hat doch die ganze, schlimme Welt besiegt.

Sorgenbrecher, Wundermittel bis zur Bahre,

weil fürs Glück ein Dauerrausch genügt.



  sufnus –





der ronin



 – das wasserschloss starrt versunken 

ins moosgrün wo rote karpfen schweben

am ufer vertäut wartet ein boot


kein blatt streift den spiegel den nassen

ich sehe ihn ein schwert schnitzen

aus einem der ruder und ich weiß


er wird übersetzen mit dem boot

und den daimyo bezwingen

im zweikampf


mit einem raschen hieb

einem einzigen

o das geräusch des holzes



 – Hans Herrmann –



Juni 07, 2025

 


Überfordert



Während andere am Morgen

für drei kleine Kinder sorgen

und dann sieben Runden joggen,

suche ich zwei gleiche Socken.



– Stefan Pölt –



 


§ 1 ZuneigungsG



 – (Gesetz zur Regelung affektiver Wechselwirkungen)

(in Kraft getreten am Tag deiner Ankunft)


Abs. 1 – Gegenstand des Begehrens:

Die Partei A (nachfolgend: Ich) erklärt einseitig und ohne Rücktrittsrecht,

dass sie Partei B (nachfolgend: Du)

nicht nur vorübergehend, sondern mit auf Dauer angelegter

Emotionalbindung zu begehren gedenkt.


Abs. 2 – Willenserklärung:

Ein Kuss gilt als stillschweigende Annahme.

Ein Blick über drei Sekunden Dauer

begründet Anfangsverdacht auf Gegenseitigkeit.

Die Berührung der linken Handfläche

hat konkludente Wirkung entfaltet.

Das Wegschieben der Haarsträhne von der Stirn

begründet stillschweigend das Recht, im Anschluss

die Schläfe zu küssen.


§ 2 Subjektive Unverhältnismäßigkeit:

Die Intensität der Gefühle steht

außer Verhältnis zum objektiven Sachverhalt;

Haftungsausschluss für Schmerz ist unzulässig

(Art. 14 GG – Herz hat Eigentumsschutz).


§ 3 Vertrag zur Affektionsgemeinschaft:

Die Parteien verpflichten sich zur gegenseitigen Verschwiegenheit;

die Affektionsgemeinschaft stellt ein höchstpersönliches Rechtsverhältnis dar,

das weder kündbar

noch übertragbar ist.

Die Rechte an sämtlichen Erinnerungen verbleiben bei beiden Parteien.

Nach möglicher Scheidung müssen beide Teilnehmer

der Anpflanzung einer Eiche nachkommen.


§ 4 Salvatorische Klausel:

Sollte einer von beiden Parteien fallen,

bleibt das Gesagte gültig.

Selbst Trennung hebt

den Ursprung nicht auf.

Und dieser war der Himmel.


§ 5 Schlussbestimmungen:

Dieses Dokument wurde nicht unterschrieben,

aber mit jeder Geste beurkundet.

Zustellungsversuche erfolgen

im Traum.

Zwangsvollstreckung ausgeschlossen.



 – seefeldmaren –