Juni 04, 2025

 


Mohn



 – Am Rand der Wiese hält der Boden Licht,

das jenen stand, die heimlich sich verrieben,

in Räumen, wo sich Formen kaum verschrieben,

bereit zum Wuchs, doch ohne Angesicht.


Und Träume gehen wortlos durch das Feld,

sie tauchen auf und legen sich in Kreise -

ihr Lauf verharrt in Blatt und Blüten, leise,

die etwas tragen, das sich nicht mehr stellt.


Sie dachten, welkend sei ihr letztes Streben,

doch jetzt, im Aufbruch, reißen sie sich weit:

gefranste Kelche voller Dunkelheit

und Schwärme, die im Kuss des Schlafes leben.


 seefeldmaren –



Juni 03, 2025

 


Die Wikingerin 

an ihre Tochter 


(Schüttelreime)



 – Mein Kind, hör deine Mutter weise lallen:

Du sollst zum Traualtare leise wallen.

An unsern Ufern sind zum Bersten Esten,

darum erwähle nicht den Ersten Besten.

 

Wenn übers weite Meer die Kelten segeln,

dann gehen sie vermutlich selten kegeln.

Drum pflanze niemals eines Kelten Samen,

weil die zur Reife hier sehr selten kamen.

 

Ein Jüngling muss mit alten Schweden ringen,

sonst darf er keine großen Reden schwingen.

Doch kann ein Held im heilgen Lande siegen,

darf niemals rastend er im Sande liegen?

 

Wohl ihm, spricht er dereinst im Hünengrabe:

"Wie schön, dass ich ein Grab im Grünen habe."

Getrost ins Totenreich dann reist er. Geigen

begleiten ihn zu holder Geister Reigen.

 

Dann liegts an dir, das Haupt dir kahl zu scheren,

die Stube mit dem schönsten Schal zu kehren.

Verzage nicht, fehlt dir der weiche Gleiter -

denn mit dem nächsten geht das Gleiche weiter.

 

Wenn deine Augen trüb in Tränen schwimmen,

so kannst du dich beim Bad mit Schwänen trimmen.

Nur solltest du dich keiner Norne zeigen,

sie könnte nämlich leicht zum Zorne neigen.

 

Die Zeit kann freilich alle Wunden heilen,

doch darfst du nicht zu oft bei Hunden weilen.

Man kann ja nicht von allen Rüden sagen,

dass ihre Schweife stets nach Süden ragen.



 – Cornelius –



Juni 02, 2025

 


Schicksalhafte Fügung



 – Vor ein paar Milliarden Jahren,

als wir alle jünger waren,

schlief in einer sternenklaren

Nacht ein Lurch.

 

Keiner ahnte – in der Szene

zogen in ihm ein paar Gene

ihre Umgestaltungspläne

knallhart durch.

 

Immer nur in Schlamm und Gräben,

das war nichts, es musste eben

noch ein bessres Leben geben

als ein solches.

 

So sind wir, in Teilaspekten,

nur die Folge von versteckten,

urzeitlichen Gendefekten

eines Molches.



 – Stefan Pölt –



Juni 01, 2025

 


abtauchen



   was ist es

dass wir die fische lieben

mit ihrem glitzern

unter den wellen

die wale mit ihren gesängen

die in uns fließen

mit einem flukenschlag

uns durchströmen


welch ein sehnen!

ein atemholen noch

ein letztes funkeln

schwerelos sinken

in schattiges blau



 – Claudia Neubacher – 



Mai 31, 2025



Strandspuren 

bei steigendem Pegel



Das Meer kommt heut in Wellen

und wellt an meinen Strand,

weshalb an manchen Stellen

bereits der Landbestand


durch diese Meervermehrung

sich sehr vermindert zeigt

und mir die Nassbescherung

bald übern Nabel steigt.


Als bleigleich schwerer Sinker

steh ich so im Begriff:

Ich geb hier den Ertrinker.

Das Ich als Narrenschiff,


durchfeuchtet, leckgeschlagen

und demnächst sowieso

von Zeh bis Kopf-&-Kragen

weit unter Nullniveau.


Es ist zum Deicherweichen!

Im Sintflutwundergrund

submerse Fragezeichen

bei Tiefsinnschwundbefund:


Ein Spiel mit dem Gewissen –

die Menetekelei

nach schäbigen Prämissen?

Nur Jux und Dollerei?


Zielt nicht das Nichtsgebuhle

hin zum Finalfanal?

Die Endzeitzeichenschule

im großen War-einmal?


Das Meer kommt heut in Wellen,

wellt an den schmalen Strand

zum jambischen Gesellen,

der dort ein Lied erfand.



– sufnus –



Mai 30, 2025

 


einfaches Mosaik



– Da sind die einfachen Pflaster

Sie hüpfen darüber


Dort sind die Steinchen

Sie werfen damit


Da sind die einfachen Fragen

Dort sind die Kinder


Vom Gestern ins Heute

Hüpfen sie

Werfen damit

Stellen sie



– Ubertas –



Mai 29, 2025



Ins ungefähre Blaue fort



 – Fliederstein entschließt sich, aus Gedankenstücken

Eine blaugemalte Welt zu schaffen,

Blau die Häuser, blaugemalt die Brücken,

Blau, sofern entstehend, die Giraffen.


Ohne Schöpferplan will Fliederstein beginnen,

Doch ins Blaue zielt er absichtsvoll,

Um dem Graugemalten zu entrinnen,

Das in seiner Welt nicht gelten soll.


Reines Blau ergießt sich wie aus Himmelskannen

Über Fliedersteins gedachte Welt,

Bläue schäumt in allen Badewannen,

Die er sich in seine Häuser stellt,


Veilchenblaugemalt beginnt der Montagmorgen,

Pflaumenblau lässt Fliederstein ihn gehn,

Blaue Mädchen haben blaue Sorgen,

Blaue Witwen können sich im Spiegel drehn.


Fliederstein – als leite ihn ein Zauberwort –

Nickt zu allem, lächelt, und dann hebt

Er die blaugemalte Welt mit Händen hoch und schwebt

Samt der Welt ins ungefähre Blaue fort …



– Peter Welk –