Mai 28, 2025


 

betrachtungen 
über die natur der dinge



 – das loch an der oberen kante

der zeit ist kein ausgang

im gegenteil ist sein grund

noch immer nicht ausreichend

erforscht


die alten jedoch meinten

das loch sei der ort

da die gottheit der zeit

dauer zuführe


die form der zeit aber ähnle

dem fliegenglas

und wir menschen sind

krabbelnde wesen


krabbelnde wesen aber die

den dingen sinn zusprechen

dem loch etwa

an der oberen kante der zeit



 – charlotte van der mele –


Publikationen bei: anderort – Verlag für Lyrik, Leipzig  



Mai 27, 2025

 


Ein Abschied



 – Euer Kram kann mir gestohlen bleiben,

lang schon frage ich mich, was das soll.

Niese ich, verlangts mich zu beschreiben,

was da läuft! Ich hab die Schnauze voll!

 

Tränenreiche Tage, ewig Flüche,

Berge von Papier im Wertstoffhof,

Verse auf dem Wachstuch in der Küche 

sagen mir: Hör auf, du bist zu doof.

 

Himmelreiche sind des Menschen Wille –

mir reicht dafür schon des Nachbars Feld.

Mittenmang von Klatschmohn und Kamille

kann ich Ich sein, frei und doch ein Held.



– Andrea M. Fruehauf –





Mai 26, 2025

 


anleitung 

zum wolkenabbruch



schritt eins:

sammle alle atemzüge,

die jemals in fenstern festhingen.


schritt zwei:

lege sie vorsichtig ab,

bis sie wolken werden.


schritt drei:

warte, bis

die landschaft

in ihre teile zerfällt.


danach:

öffne das fenster,

trete hinaus

und sammle dich ein.



 – seefeldmaren –



Mai 25, 2025



Idylle


(auf einen Viervierteltakt zu rappen)



 – Es war einmal ein Mensch, der war zufrieden,

Der hatte einen Zaun und einen Hund,

Ihm war der hominide Gang beschieden,

Und zur Beschwerde sah er keinen Grund.


Er hatte außerdem ein Gegenüber,

Das ihm den Zweifel von der Seele nahm,

Er litt an gar nichts – nur am Lampenfieber,

Wenn ihm die Zukunft in die Quere kam.


Zum Beispiel fing sein Nachbar an zu fliegen,

Der Mensch sahs durch den Fensterladenspalt,

Und tags darauf ist er aufs Dach gestiegen,

Und in Gedanken flog er Richtung Wald,


Es hat der Mensch die Arme ausgebreitet,

Und nur der Absprung hätte noch gefehlt,

Der Brustkorb war ihm heldenhaft geweitet,

Der Mensch hat froh bis hundertelf gezählt


Und stieg bei hundertzwölf vom Dach herunter,

Er ging zu Bett und träumte von dem Flug,

Der ihn als Schwalbe aus Papier dann unter

Den Sternen hin zum Kinderspielplatz trug.


Dort ist er lautlos übern Sand geglitten,

Verfing sich jäh in einem Purzelbaum,

Und eine Besenhexe kam geritten –

Dann war er aber aus, der schöne Traum.


Der Mensch ist wieder hoch aufs Dach geklettert,

Und nunmehr hob er wirklich ab und flog,

Ist rein in einen Schweinestall gebrettert,

Als ihn der Wind auf Nachbars Grundstück zog.


Die Zukunft, sprach der Mensch, liegt nicht im Fliegen,

Des Bürgers Zukunft liegt Flugverbot.

Dann ist er einmal noch aufs Dach gestiegen,

Man sah ihn fliegend um den Kirchturm biegen,

Er wollte einen Überflieger kriegen,

(und falls er abgestürzt ist – ist er tot). 



– Peter Welk –


Mai 24, 2025



Reflexion



Hattest du damals

solche Angst vor mir,

dass du mich vernichten musstest?


Ich benutzte dich,

wie man sich benutzt –

achtlos,

selbst betrachtend.


Es war mir egal, wer du bist –

Niemand fragt nach dem Spiegel.


Du musstest mich zerschlagen.

Ich fürchtete noch immer,

was du sahst.


War es ich?

Dein eigener Blick –


Niemand fragt nach dem Spiegel.



– Rufus –



Mai 23, 2025

 


con puta falta 

[COMPUTERFALTER]



 – Im Licht / lightbeam

Der Falter spricht / action

Knick mir mein Licht / downlights

Der Schalter bricht / button

Ein Falter klickt / subscribe to

Tür auf / the doors of perception

Falter fliegt / I will pass



 – ubertas –



Mai 22, 2025



An eine Spinne



 – Ich beneide dich, du Kleine,

um das Haarkleid deiner Beine.

Kaum kommt ein Insekt geflogen,

hat sein Wind dein Haar verbogen.


Grad und Richtung des Verbiegens

weisen dir den Ort des Fliegens,

und du kannst, wie dir verheißen,

zielgenau ins Opfer beißen.


Meine stark behaarten Glieder

sind dagegen äußerst bieder,

und ich kann auf meine Fragen

selten Sättigung erjagen.


Kaum kommt Antwort angeflogen,

ist sie schon vorbeigezogen,

während ich - verdammte Scheiße! -

immer noch ins Leere beiße …



 – gummibaum –