April 19, 2025



Von einem Hasen



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Morgens, lange vor halb sieben,

rennt er wie vom Fuchs getrieben
in den warmen Hühnerstall,
wo die fleißigen und braven
Lakenfelder Mädels schlafen,

kriecht mit langen hängebangen
Ohren unter Kleckerstangen
hin zu jenem Separé,
um sich dorten bei den Glucken,
die da schon seit Tagen hucken,

vorsichtiglich anzuschleichen,
schnellstens Beute einzustreichen
und behänd vom Hof zu fliehn.
Doch die Berta, halb benommen,
sieht das braune Etwas kommen,

und schon schreit sie: «Stillgestanden!
Nie kam mir ein Ei abhanden!
Auch zu Ostern nicht, du Aas!»
Puterrot und sehr erschrocken
dreht der Dieb sich auf den Socken

um, rennt los; er beugt den Nacken
vor den Schnabelspitzattacken
der erbosten Weiberschar,
schafft die Spieß- und Rutengasse
endlich, flieht dann in die Sasse,

wo er sich von ganzem Herzen,
ohne Eier, doch mit Schmerzen,
fluchend in den Schlummer weint.
So geläutert kniet er bieder
später vor dem Weibe nieder:

«Niemals wieder werd ich Hennen
Eier klauen, wenn sie pennen!
Ich seh ein: Das macht man nicht.
Ostern und das ganze Treiben
können mir gestohlen bleiben!
Ja! Ich hab gekündiglicht!»


 – Andrea M. Fruehauf –