Oktober 31, 2025



Als wir jung waren



 – Ich hab mich Dir ans Herz gelegt –

erregt und leicht verlegen,

dann hat die Welt sich fortbewegt,

sie ging mit unsrem Segen.


Die Nacht hielt uns die Türe auf,

wir blieben zögernd stehen.

Man konnte lang im Glücksverlauf

den Zeitpfeil stecken sehen.


Ich hab mich Dir ans Herz gelegt –

beschädigt hinbeschieden

und eigenmächtig eingehegt,

so gings mit uns hienieden.


Ans Herz gelegt – so steht es hier,

doch das ist nie passiert:

Hab nur zum Spiel (avec plaisir)

ein Du und Ich fingiert.



 – sufnus –

Oktober 30, 2025



Schattenspielend



 – Manchmal denk ich mich am Abend

Aus mir selber weg und gleite,

Schattenspielend zwischen Welten,

Hin ins aufgeklappte Weite,


Manchmal häng ich dann an Bildern

Oder Wörtern fest und menge

Mich mit allem durcheinander

Und verlier mich im Gedränge,


Manchmal fall ich dann in Tiefen,

Über mir enteilen Räume …

Und ein fremdes Ich am Morgen

löffelt Ei und deutet Träume.



– Peter Welk –



Oktober 29, 2025



Ehre, wem Ehre gebührt



 – Wenn sich auf den großen Plätzen
Menschen um ein Denkmal setzen,
schuf man das für große Taten
weltberühmter Literaten

 

oder Feldherrn, Admirälen
(einige sogar auf Stelen),
für Verkehrsminister selten.
Ob die nicht als Helden gelten?

 

Auf dem Namensschild aus Messing
prangt ein ›Goethe‹, ›Schiller‹, ›Lessing‹
und man sucht noch nach dem Missing
Link zu Dobrinth, Scheuer, Wissing.


– Stefan Pölt –



Oktober 28, 2025



Vollzug



 – Entfalte

die Singularität

zum Chaos,

zur Zeit.


Körper wird Substanz.

Vater ist Sohn, ist Geist.

Schwarz zeigt Weiß –

über alles.


Keine Erhebung versperrt den Blick,

kein Graben mehr verbirgt.


So nehme Abschied,

vergesse den Untergang, der im Anfang lag.

Nun ins Offene, in Ewigkeit –

wie einst die Brunnen gingen.



– Rufus –



Oktober 27, 2025



Currywurstfinale



 – Zwei, die noch im Rennen sind

Von der Schar der Masochisten

Zwei, von Tränenströmen blind

Gut betreut von Spezialisten

 

Das Finale zeigt brutal

Wer wird von den Feuerspeiern

Trotz des Brennens und der Qual

Letztlich seinen Sieg befeiern?

 

Für die letzte Hürde wird

Nochmals Würze nachgeladen

Und der erste Kämpfer spürt

Hinten einen Dichtungsschaden

 

Auch der zweite Held bemerkt

Nach den ersten kleinen Happen

Atemnot, die sich verstärkt

Fehlfunktion der Vorhofklappen

 

Hitzestau im Endkanal

Rote Flämmchen schlagen helle

Und in großer lauter Zahl

Über die Entsorgungsschwelle

 

Und das Ende nimmt Gestalt

Leiber, die sich schmerzvoll winden

Trotzdem wird der Sieger bald

Den Verdauungsrhythmus finden



– Volker Teodorczyk –


 

Oktober 26, 2025



Carpe noctem



 – Wer kennt sie nicht: gewisse Stunden,

die niemand leichten Sinns vergisst,

wie jene, die im März verschwunden

und nicht mehr aufzufinden ist.


Der Frühling regte seine Schwingen

und hat sie uns geschwind entführt.

Der Herbst eilt, sie zurückzubringen.

Ich habe seinen Hauch verspürt.


Nun liegt sie in der Mondlichtpfütze,

just da, wo die Gardine wich,

und scheint mir zuzuflüstern: "Nütze

die Nacht der Nächte - pflücke mich!"


Mir schwant am Rande der Ermattung:

Dies Stündlein, zum Genuss bereit,

ist kein Geschenk, nur Rückerstattung

aufs Konto meiner Lebenszeit.


Schon will mich Morpheus embrassieren,

entlädt mich der Gedankenfracht

und trägt mich väterlich spazieren

durch diese extralange Nacht …



– Cornelius –




Oktober 25, 2025



Atlas



– Hier lag ein Pferd, eine Karkasse

ein Restgewicht im Gras


im toten Winkel der Sonne

dort, unter den Kronen

bei den gebrochenen Kameen


wo in mir erstmals eine Glut aufkam,

Stiefel voll Seerand und Spiegellicht,

als ich über verdorrte Ernte marschierte


ein Tier auf Scherben kauen sah


ahnte ich, dass über Bruchlinien

und Hangwälder ziehen zu müssen

mehr als nur ein Entwurf mit Gelände war


sondern womöglich ein letzter Weg

dich aus dem Geröll der Jahre zu heben



 – Kol Deda –



Oktober 24, 2025



Geplättet


 

 – Vor Jahrzehnten war die Flunder
noch viel fülliger und runder,
wie es sich für einen Fisch nun mal gehört.
Und sie fraß sich immer dicker,
erstens fand sie sich so schicker,
zweitens, weil man so den Kugelfisch betört.

 

Bis dann später ein profunder
Doktorfisch ihr zu gesunder
Fastenkur mit lauter Flüssigkeiten riet.
Gleich nach dieser Diagnose
griff sie zur Getränkedose
und was sonst noch so im Meer vorüberzieht.

 

Eines Tages stieß die Flunder
auf 'ne Flasche Bommerlunder,
von der Scholle aus der Arktis eisgekühlt.
Später wurd noch Spätburgunder
angespült, die arme Flunder
ist seitdem genauso platt, wie sie sich fühlt.



 – Stefan Pölt

Oktober 23, 2025



 Pille Palle


(Kindergedicht)


– hören >>


Der Igel Pille trifft den Igel Palle:

«Tach, Palle, schon gehört, die Welt ist rund!»

«Nee, Pillemännchen, nee, die Welt hat Ecken,

Die Welt ist wie ‘ne Kiste zum Verstecken!»

«Ach, Pallekopp, wat redste da fürn Quatsch,

Hast aufn Augen heute Pallematsch,

De Welt ist rund!» – «Hat Ecken!» – «Rund!» – «Ist eine Kiste!»

«Ach, Pallemann, ‘n Kistenknallkopp biste!»

«Und du?» – «Wieso, wat ich?» – «Ja, wat bist du?»

«Wat weiß denn ich?» – «‘n Kistenkänguruh!»

«Und du?» – «Und ich?» – «Ja, du!» – «Ich nicht, nur du!»

«Nein, du!» – «Du!» – «Was denn?» – «Ach, las mich in Ruh!»



– Peter Welk –