sommernachtsgeschehen



 – von ferne klingt im nachhall bienensummen

es streckt ein weitrer heißer tag die müden glieder

und schickt im ersten kühlen hauch uns ein verstummen

er überlässt der nacht die große bühne wieder


im flug zerteilen fledermäuse abendlüfte

hinaus zieht's jene die in nächten gerne schwärmen

und hin an schwere geißblatt- und lavendeldüfte

an sinnestaumel sich das herz zu wärmen


nun heißt's die milden stunden gut zu nützen

die pflanzen sammeln tau die menschen träume

und unken sich an letzten waldrandpfützen

zikaden kleiden weiden mit geschäume


es fallen perseiden ungesehen

ein glühwürmchen allein funkt noch signale

schon bald endet das sommernachtsgeschehen

in sanftem morgenrot und erstem sonnenstrahle


es kriechen nachtschatten zurück in ihre ecken

die fledermaus hängt längst im dachgestühle

und vogelsang tönt laut aus dichten hecken

in ein paar stunden schon herrscht wieder sommerschwüle



 – Claudia Neubacher –



 

Leibrente 



 – Wir haben die Oma jetzt einschläfern lassen, 

Das ging äußerst preiswert und unkompliziert, 

Da helfen zum Teil die gesetzlichen Kassen, 

Der Rest wird auf Antrag vom Staat finanziert. 


Wir denken, es war auch im Sinne von Oma,

Sie tat sich inzwischen beim Gehen recht schwer, 

Wie schnell wird man Pflegefall, fällt mal ins Koma, 

Wird taub und gefährdet den Straßenverkehr. 


Mit knapp achtzig Jahren, so darf man wohl sagen, 

Da hat man im Grunde sein Leben gelebt,
Wie gut tut‘s zu wissen, dass Oma getragen
Von Engeln wahrscheinlich gen Himmel nun schwebt. 


Für Omilein war es ganz sicher das Beste,
Jetzt bleibt ihr zum Ende hin manches erspart, 
Denn morgen ist Opa aufgrund der Atteste 

Beim Einschläfern dann schon als Nächster am Start. 



– Rudolf Anton Fichtl –





praça das flores IV



 – du kannst nicht zweimal

den gleichen platz besuchen

es gibt keine wiederholung

eine andere bist du

und auch

die bäume sind gewachsen


doch du kannst wiederkommen


nun sitze ich am brunnen wie

vor jahren schon im schatten

der gummibäume erzähle ich


vom leben von den jahren

von der verlorenen liebe

leise plätschert der brunnen

und ich weine


der kleine schwarze kaffee

im pão de canela

wärmt erinnerungen und

im augenblick

erkenn ich mich


ja wiederholung

gibt es nicht

aber wiederfinden



– charlotte van der mele –


 


Herr Lila

Kindergedicht

– Herr Lila wohnt in einem kleinen Haus,
und manchmal abends geht er aus
und guckt die Bäume an,
die da im Dämmerdunkel stehn
am Weg, den Straßen und Alleen, 
dann stellt Herr Lila Fragen:

«He, Baum, kannst du mir sagen,
wann geht ein Baum, wie du, ins Bett?
Sind deine Träume violett,
die Farben deiner Träume
und die der andern Bäume?
Seht ihr am Tag die Straße grau?
Macht dann die Nacht die Straße blau?
Ist dann der Kirchturm in der Ferne lilagrün,
ein Haus ist gelb und Wolken ziehn
wie schwarze Schafe drüber weg,
die Welt ist jetzt ein großer Farbenfleck, 
der dunkel noch am Boden klebt,
sich bald aus allem Dunkel hebt,
dann schwebt die Welt 
und zieht die Bäume mit sich fort,
dorthin, wo all die Farbentöpfe stehn, 
zu einem Ort,
wo Pinsel liegen,
Farben fliegen,
wo goldne Kutschen über rote Dächer gleiten
wo Kinder mit den Omas 
auf den Silbervögeln reiten …?»

«Halt!», ruft der Baum, «zu Ihren Fragen,
Herr Lila, kann ich heute gar nichts sagen,
wir Bäume gucken in die Welt hinein
bei Regen, Hagel, Schnee und Sonnenschein,
wir stehen drin herum in dieser Welt
und wachsen, weils uns so gefällt.»

«Und Farben seht ihr nicht? 
Und habt auch keine Träume?»

«Wir stehn und wachsen. 
So gehört es sich für Bäume.»

«Ach ja?» – war alles, was Herr Lila darauf sagte.
Und der am nächsten Abend dann 
die Blumen fragte.


– Peter Welk –





Bilddynamik



– in diesem Bild

aus Untergangssonne

am Meer

radelt ein Mensch 

nur solange durch die Idylle

bis

er aus dem Rahmen fällt



– Morphea –





So jedenfalls nicht!



– Ich möchte nicht erschlagen werden,

auch nicht erdrosselt, -dolcht und -stickt,

nicht überrollt von Büffelherden

und nicht zerbombt im Grenzkonflikt.


Kein Unfall soll mein Leben kürzen,

kein Attentat und auch kein Mord,

Ich möchte nicht vom Felsen stürzen,

von Brücken oder über Bord.


Auf keinen Fall will ich verbrennen,

an Krankheit sterben oder Gift,

im Kugelhagel wie John Lennon,

durch Sturz aus einem Sessellift.


Auch lehn ich Tod durch Altersschwäche

genauso ab wie Suizid,

und dass ich mir das Rückgrat breche,

weil sich ein Flusspferd auf mich kniet.


Der Sensenmann hört meine Klage

und sinnt: An Todesarten käm

dann aber gar nichts mehr in Frage …

Na und, Gevatter? Dein Problem!



– Stefan Pölt –



 


Versteckspiel 



– Das leere Notenblatt einer Amsel
an der Stelle wo früher ein Kirschbaum stand 

längst verstummt auch 

das Hüpflied der Heuschrecke 


zwei Handbreit tief im Garten vergraben 

der Name der Nachbarskatze 


aber ich stehe noch immer 

mit dem Gesicht zur Wand und 


hinter mir da gilt es nicht 



– sufnus –