6. Juli

Weltkusstag


– hören >>


– Der Menschheit größter Hochgenuss

Ist ohne Zweifel wohl der Kuss,

Ist beliebt, er macht vergnügt,

Ob man ihn gibt ob man ihn kriegt,

Kommt gezielt, kommt aus Versehn,

Kann unverhofft daneben gehn,

Kostet nichts, ist unverbindlich

Und vollzieht sich immer mündlich.


Der Mund gilt nicht allein

Als Endstation für Küsserein,

Nase küsst man, Kinn und Brust,

Auch sonst wohin enteilt die Lust,

Sucht sich Teile, welche leicht

Ein ungebremster Kuss erreicht,

Wenns dem Teil dann nicht gefällt,

Der Kuss, der hält.


Das Küssen treibt die Säfte,

Das Küssen schürt die Kräfte,

Man kann dabei im Innern reifen

Und kann sich außenrum vergreifen,

Man kann den Kuss zum Knall verdichten,

Kann Wolkenkussgebilde schichten,

Man kann zuviel küssen,

Muss nichts bereun müssen,

Der Mensch ist Mensch erst im Kuss.


Schon der erste Kuss drückt sich ins Gemüt,

Jeder weitre Kuss schmückt den, der ihn kriegt,

Küssen macht schön, obendrein auch noch klug,

Küssen kann jeder und keiner genug.

Sogar im Himmel, da schwörn

Die Blondengelgörn

Vom Kuss unterm Abendstern,

Und in der Hölle da tut’s den Schmorenden gut

Vom Küssen im Himmel zu hörn,

Die dicksten Küsse kriegt man von den dünnsten Dingern,

Man kann drauf lauern, dass Küsse dauern,

Beim Dauerkussgenuss gerät der Mensch ins Schlingern,

Und im Erschauern küsst er sich das Schlingern weg.


(Refrain)

 Der Menschheit größter Hochgenuss …



– Joe Fliederstein –





Wasserfreuden 


(Moritat) 



An dem Weiher bei den Linden 

Richtung Ausfallstraße Norden 

Nur bei Tageslicht zu finden 

Fing es an, mein erstes Morden 


Das Gemeine brach sich Bahnen 

Der Beginn der Gräueltaten 

Niemand konnte es erahnen 

Freudenfest für Beil und Spaten 


Ja, ich hatte mich verwandelt 

Denn ihr Liebreiz war verflogen 

Sie, mit der ich angebandelt 

Hatte mich gemein betrogen 


Bin mehr Rächer als Verzeiher 

Und so wurde ich zum Täter 

Tunkte sie in diesen Weiher 

Doch zerteilt hab ich sie später 


Mit den oben schon genannten 

Garten- und Zerteilbestecken 

Tauglich auch für die Verwandten 

Mehr fürs Drohen als fürs Necken 


Nach vollbrachtem Filetieren 

Sorgsam eingepackt das Weiche 

Leber, Herz und beide Nieren 

Schwimmen nun im tiefen Teiche 


Wie mir diese Tat behagte! 

Alle Tage Schlachtfestfeier 

Junge, Hübsche, auch Betagte 

Langsam füllte sich der Weiher 


Und so zog ich bald von Dannen 

Bis die großen Meere kamen 

Riesig, diese Wasserwannen! 

Platz genug für viele Damen 



– Volker Teodorczyk –


 

 


Posse 



– Ich saß auf meiner Gartenbank, 

Der Mond erschien mir gertenschlank, 

Beschrieb nur einen schmalen Bogen 

Und stieg der Nacht in das Genick. 

Ich folgte ihm mit meinem Blick 

Von seinem Strahlen angezogen. 


Von irgendwo und ungefähr 

Drang deine Stimme zu mir her, 

Kam leis‘ ums Blumenbeet geflogen. 

Sie streifte flüchtig mit Genuss 

Mir meine Lippen und ihr Kuss 

Hat süß dein Herz belogen! 



– LottaManguetti –



 


Die Pantherin 


(im shopping centre) 



– Ihr Blick scheint beim Vorübergehn der Läden 

Ein dunkler Schlund, in den sich alles saugt. 

Medusafinger schlingen sich wie Fäden 

Durch alles was für seine Leere taugt. 


Die Picke hackt mit jedem ihrer Schritte; 

Die Sehnsucht, die von ihren Hüften weht, 

Ist wie ein Sog von Saft um eine Mitte, 

In der umsonst ein großer Trottel fleht. 


Da plötzlich stürmt ein Feuer durch die Brille 

Und flammt mich ein. Jetzt geht mein(!) Bild hinein ... 

Ein Flackern, dann versinkt es wie Vanille
Im Eis und hört im Magen auf zu sein. 



– Dirk Tilsner –




 kinderspiel



 – unter dem strahlen der sonne

der blick von den zinnen


als hätte das riesenkind

lustvoll täler in den

sand gegraben ihn mit

hohler hand zu sanften

hügelketten geschoben

gehölze und raine an die

richtigen stellen gesetzt

mit den fingern weinberge

ins so erschaffne land

gekämmt und immer wieder

miniaturgehöfte kleine weiler

auch ein zwei kirchtürmchen

verteilt alles begrünt


darüber der ruf des falken

das jauchzen ob der

vollendeten schönheit



– Claudia Neubacher –



 

Herr Nachtigall 


(Kindergedicht)


 – Du, Hanna, gestern bin ich übers Haus geflogen,
ja, gestern Nacht. Ich lag im Bett und war noch wach,
die Decke hatt‘ ich bis zur Nase hochgezogen,
als plötzlich eine Stimme leise zu mir sprach:

«He, du, ich bin Herr Nachtigall, schlaf ein, schlaf ein,
ich komm auf Traumbesuch, ich hol dich ab zum Fliegen!»
Ich sagte: «Fliegen? Kann ich nicht.» – «Nein», sagt die Stimme, «nein,
schlaf ein, dann kannst du‘s, wirst auf dunklen Wolken liegen 
und mit mir fliegen! 
Pfeif ich dir ein Lied, und jeder Ton
hebt dich ein Stück nach oben! 

Hörst du‘s? 
Fliegst du schon?»


– Peter Welk –


 


Dichterische Freiheit 



 – Der Dichter ist nach Versen gierig, 

Doch oftmals ist das Dichten schwierig.

 Jedoch steht fest: Ein guter Reim
Ist wichtig beim Gedichteschreim. 

Rechtschreiben nimmt man nicht so streng; 

Erlaubt ist durchaus auch mal Slang. 

Beachtet man zu sehr die Form,
Ist oft der ganze Vers verdorm. 

Ein Beispiel: Hat ein Lastenkahn 

Nun Kohle oder Kies gelan? 

Da ist «gelan» nicht ganz korrekt, 

Doch weiß man, was dahintersteckt. 


Doch and‘rerseits soll man beim Reim 

Sprachbeugung auch nicht übertreim: 

Des Dichters Freiheit, meine Liem, 

Zu übertreim, wär übertriem! 


Nichtsdestotrotz, wie dem auch sei, 

Es lebe hoch die Dichterei!
Wie? Was? Du liebst nicht meinen Reim? 
Dann kannst du mir gestohlen bleim! 



– Fritz Pfeiffer –