kinderspiel



 – unter dem strahlen der sonne

der blick von den zinnen


als hätte das riesenkind

lustvoll täler in den

sand gegraben ihn mit

hohler hand zu sanften

hügelketten geschoben

gehölze und raine an die

richtigen stellen gesetzt

mit den fingern weinberge

ins so erschaffne land

gekämmt und immer wieder

miniaturgehöfte kleine weiler

auch ein zwei kirchtürmchen

verteilt alles begrünt


darüber der ruf des falken

das jauchzen ob der

vollendeten schönheit



– Claudia Neubacher –



 

Herr Nachtigall 


(Kindergedicht)


 – Du, Hanna, gestern bin ich übers Haus geflogen,
ja, gestern Nacht. Ich lag im Bett und war noch wach,
die Decke hatt‘ ich bis zur Nase hochgezogen,
als plötzlich eine Stimme leise zu mir sprach:

«He, du, ich bin Herr Nachtigall, schlaf ein, schlaf ein,
ich komm auf Traumbesuch, ich hol dich ab zum Fliegen!»
Ich sagte: «Fliegen? Kann ich nicht.» – «Nein», sagt die Stimme, «nein,
schlaf ein, dann kannst du‘s, wirst auf dunklen Wolken liegen 
und mit mir fliegen! 
Pfeif ich dir ein Lied, und jeder Ton
hebt dich ein Stück nach oben! 

Hörst du‘s? 
Fliegst du schon?»


– Peter Welk –


 


Dichterische Freiheit 



 – Der Dichter ist nach Versen gierig, 

Doch oftmals ist das Dichten schwierig.

 Jedoch steht fest: Ein guter Reim
Ist wichtig beim Gedichteschreim. 

Rechtschreiben nimmt man nicht so streng; 

Erlaubt ist durchaus auch mal Slang. 

Beachtet man zu sehr die Form,
Ist oft der ganze Vers verdorm. 

Ein Beispiel: Hat ein Lastenkahn 

Nun Kohle oder Kies gelan? 

Da ist «gelan» nicht ganz korrekt, 

Doch weiß man, was dahintersteckt. 


Doch and‘rerseits soll man beim Reim 

Sprachbeugung auch nicht übertreim: 

Des Dichters Freiheit, meine Liem, 

Zu übertreim, wär übertriem! 


Nichtsdestotrotz, wie dem auch sei, 

Es lebe hoch die Dichterei!
Wie? Was? Du liebst nicht meinen Reim? 
Dann kannst du mir gestohlen bleim! 



– Fritz Pfeiffer –





Liebeserklärung 



 – Du, ich fühl mich ungelogen 

magisch zu dir hingezogen, 

seit ich dich beim Bäcker traf. 

Millionen Moleküle 

überschäumender Gefühle 

rauben mir den Schönheitsschlaf. 


Du, ich stopf mir schon seit Wochen 

Spritzgebäck und Liebesknochen 

in den Aphroditenbauch, 

doch es hört nicht auf zu brodeln, 

und ich werd vor Freude jodeln, 

wenn du sagst, du spürst es auch. 


Du, ich möchte mit dir kuscheln, 

dir vertraut ins Öhrchen nuscheln: 

«Du bist nicht wie Kunz und Hinz!» 

Will von deinem Apfel beißen 

und für dich Schneewittchen heißen, 

denn du bist mein Märchenprinz. 


Du, ich würde dir erlauben, 

die Regale abzustauben, 

und ich bügle dir sogar 

ohne merkliches Befremden 

die türkisgestreiften Hemden 

für ‘nen Kuss als Honorar. 


Du, ich möchte mit dir streiten, 

dich zum Fußballspiel begleiten 

nach verlorner Kissenschlacht, 

pflück dir bunte Tausendschönchen, 

schenk dir Töchterchen und Söhnchen. 

Willst du sieben oder acht? 



 – Claudia Bräutigam –





Det iss der Lebenssinn 



– Die Ilse sagt, der Victor iss nich helle, 

Die Ilse sagt, der Victor iss mein Held, 

Ick bin halt uff Jesundheit einjestellt, 

Und oben rum ham andre ooch ne Delle. 


Mir iss der Kopp nur jut zum Haarewaschen, 

Die Ilse mach ick glücklich mitm Rest, 

Ick halt mir anner juten Laune fest, 

Denn darf det Ilseken am Victor naschen 


In unsra Laube, sonntags, bis et scheppert, 

Da wird keen Firlefanz zusammjeleppert, 

Da jehts, wies jehn soll, inne Rinne rin, 


So wie det Leben ehm spielt im Sonntagstrotte, 

Und sind die Manneskräfte denn beim liebn Jotte, 

Sagt Ilseken, det iss der Lebenssinn. 



– Joe Fliederstein –





Nachtaktiv



 – durchs Fenster
flutet die Sonne
über den Wandschlaf eines Falters
dessen dunkelgraue Flügel
wie ein langer
eng geknöpfter Mantel
das Geheimnis eines Leibs verbergen



– Christian Fechtner –



 


Die Letzte



 – Der Morgen dräut, mein Schädel brummt

und schmerzt im Übermaße,

mein Mund ist taub, ein Tierchen summt

um meine müde Nase.

 

Ich hole aus – das blöde Vieh

entfleuchte wohl ins Zimmer – 

und schlage mir mit Energie

aufs Maul. Es kommt noch schlimmer!

 

Nun heb ich mich ins Waagerecht

und seh auf der Toilette:

Am Spiegel hängt mein Folterknecht

und putzt sich die Facette.

 

Mein Handtuch saust, das Glas zerschellt,

und ich bin Ach! zerschunden.

Die Fliege? Bleibt auf dieser Welt

und leider auch verschwunden.

 

Der Mokka röchelt, ich hab Zeit

und streck am Tisch die Glieder,

da schwirrt das Untier, kampfbereit,

auf meine schweren Lider.

 

Ich schrecke auf, der Kaffee mit,

und tünch mir Hemd und Hose,

die Fliege kreist als Satellit

um meine Zuckerdose.

 

Gleich setzt sie sich! Ich atme nicht,

vorm Auge weiße Blitze –

der Tisch, der nun zusammenbricht,

schlägt mir ans Kinn! Na, Spitze!

 

Der Morgen dräut, mein Schädel brummt

und schmerzt im Übermaße,

der Mund ist taub, ein Tierchen summt

um meine müde Nase …



– Andrea M. Fruehauf –