Die deutschsprachige Lyrik übt sich seit 1945 in strenger Askese. Sie verzichtet nicht nur auf den Endreim, darüber hinaus entsagt sie dem Rhythmus, jeglichem Versmaß und hat schließlich auch Großbuchstaben und Satzzeichen im Wesentlichen eliminiert. 

Wie unschwer zu erkennen, ist mein untenstehendes lyrisches Machwerk den formalen Anforderungen an ein hochkarätiges zeitgenössisches Gedicht spielend gewachsen. 

Dennoch habe ich mich aus wirtschaftlichen Erwägungen entschlossen, wenngleich mir dies den Vorwurf künstlerischer Rückwärtsgewandtheit einbringen dürfte, meine Mitmenschen ausschließlich mit poetischer Kost in Reimform und Versmaß zu beglücken. 

Da zudem auch nur der geringste Hauch von Betroffenheitslyrik halbwegs erquicklichen Verkaufszahlen massiv im Wege stehen dürfte, habe ich mich inhaltlich der Satire, der Groteske, dem Nonsens – kurzum dem komischen Gedicht  verschrieben. 


– Rudolf Anton Fichtl –




seerosenblätterdeklinationen 



trübe rahmige spinatbrühe / bodensicht 

ung ist / grün ist grün / ist 

bodenseh sicht wie / blattspinat 

grün
ist trübe brühe / in
seenot ist / brühe in sehnot
see not
rose blühe
rosenbrühe
wie spinat
isst p o
p e
y e
seerosenblatt? 


 


 Dreivierteltaktgeträller 

an Wieverfastelovend



 – Du hast im Nabelnest gepuhlt,

Du süßes kleines Schwein,

Und hast gesagt: Wir wollen ganz

Besonders zärtlich sein. 


Und deine Nase war gespitzt,

Du süßes kleines Schwein,

Den Mond hat jemand fortgehängt,

Wir waren ganz allein.


Du hast dich mir bekannt gemacht,

Du süßes kleines Schwein,

Für ewiger als Ewigkeit

Und höllenhundsgemein.


Und andern Kerlen hast du‘s auch,

Du süßes kleines Schwein,

So lass mich denn für Donnerstag

Vorangemeldet sein.



 – tordillo –





   Wasserwerkers Traum



Ich träume einen Wünscheltraum

der ist zehn Mondraketen tief

den fülle ich mit Weißem Hai

und Schokosladenspeisecrème


Dann kunterbunterpurzel ich

huschhusch ins Weidenkörbchen fein

von meinem schönsten Tauchballon

spiel fangen mit dem Bluppbluppwind


Und geh den Dingen auf den Grund

und mit dem Mördermuschelkoch

da würze ich das Wasser süß

das heut aus deiner Leitung kommt



    – sufnus –



 


Mittagsschatten



– Mittagsschatten
auf dem äußeren Fenstersims:
Inseln aus Vogelscheiße
in einem dunkelroten Meer
und die silberne Reise eines schmalen Insekts
bis ans plötzliche Ende der Welt



– Christian Fechtner –





 feuersalamander; 

du und ich



 – in deinem blick der duft

der letzten nacht noch immer

satt von dir das prickeln fühlen

wundgeküsst bis unter die haut

brennt das feuer folgen meine

fingerspitzen deinen spuren

gezogen über berg und tal durch

unsre wälder ein keuchen

im dickicht ein seufzen

wie eine lichtung

ein rascheln im feuchten laub

salamandern gleich gleiten

auf zu neuen gewässern



 – Claudia Neubacher –





 Naturell



Bin ein Alpharüde

mit nem dicken Fell

arbeite rigide

sauber und reell

habe Attitüde

bin gewieft und hell

immer grundsolide

und besonders schnell

müde



 – Didi.Costaire – 





 Der Blinddarm



– Ich steh am Rand von meinem Grabe,
Weil ich noch einen Blinddarm habe.
Der hat sich jetzt entzündet!

«Es bleibt nur eines: Die OP!
Sonst tut dir bald kein Zahn mehr weh!»
Hat mir der Arzt verkündet.

Doch ich, ich denke mir im Stillen:
Der will sich nur die Taschen füllen!
Ich geh' nicht unters Messer.

Ich hab mich mit dem Arzt verkracht
Und flugs mich aus dem Staub gemacht.
Jetzt geht's mir wieder besser!


– Fritz Pfeiffer –


 


Frozean




 – tief unter dem Eis der Gezeiten

mischt sich ein träges, schweres Meer

mit leisen winterblauen Klängen


vibriert ein unbestimmtes Sirren

aus kristallinem Schwingen

in feinstgefrorenen Gesängen


die Nacht vermischt ihr Dunkelblau

mit Tausendsterngebilden

die südwärts sich zum Sterben neigen


der Mond flaniert am Horizont

umhüllt vom Halofrostgewande

Und ich: Ich atme Schweigen



 – Morphea –





 Wandlungsfähig



 – Wer als Politiker begann,
entwickelt sich oft im Verlauf:
Erst fängt er vielversprechend an
und hört dann viel versprechend auf.



 – Stefan Pölt –





 Bankgeheimnis



 – Wie sie dort saß mittags im Park

als sei ihr Körper nur Hülle

umgeben von einem Duft

der stark

roch nach Lavendel-Vanille


die Augen geschlossen

der Mund nur Strich

zuweilen ein Zucken der Lider

als suchte sie etwas

tief in sich

und fände es dennoch

nicht wieder


Am Abend begann ein

Frühlingswind

der Welt etwas Luft

zuzufächeln


da sah sie auf

wie ein träumendes Kind

und schenkte dem Wind

ihr Lächeln



 – niemand –




 


von der zärtlichkeit 

des schweigens



 – manchmal lege ich
mein schweigen
auf deine nackte haut
dann berühre ich
das unsichtbare
zwischen uns
dirigiere die stille
und staune



 – sandfarben –






Friesisch herb 



 – Der Ostwind scheitelt streng von links
Legt Dauerwellen übers Meer
Die Jollen wippen aufgeregt
Und Wolken jagen regenschwer

Die Brandung schäumt derweil vor Wut
Der Leuchtturm lächelt Licht ins Weit
Das sich an Horizonten bricht
Im Möwenland und durch die Zeit

Der mondgezognen Wasserwelt.
Ich bin der gelbe Fleck im Bild
Im Grau aus Wolkenmeer und Gischt.
Bis  Dunkelheit darüberwischt.


– Morphea –




Bares für Rares



 – Nun kommen Sie, nur keine Scheu!

Wir prüfen ihre Kostbarkeiten

Schrott darf es sein, nur bloß nicht neu

Gerümpel aus den alten Zeiten

 

Ne, ist der schön, der Wormspanit

Welch ein Form, ach welch Gestalt!

Das Unterteil aus Grönlandsplit

Und wenn man reinspricht, wie das hallt!

 

Am Schnorf, jedoch am zweiten nur

Verwindet sich die Applisante

Von Abnutzung noch keine Spur

Das hebt den Preis ins Unbekannte

 

So, so, es ist aus Kurdistan

Vermutlich schon mal sandgestrahlt

Dem Drömmel fehlt ein Zahnradzahn

Die Wumpfe ist antik bemalt

 

Der Knörpel links ist angeklebt

Die Sickennut scheint perforiert

Ja, da hat Goethe noch gelebt

Seit damals nicht mehr glanzpoliert

 

Und die Kartusche scheint aus Lehm

Der Umpf aus Holz ist falsch montiert

Jedoch, es trägt sich sehr bequem

An Griffen, hölzern emailliert

 

Zum Preis, nun ja, da muss ich raten

Doch möchte ich nun ehrlich sein

Am besten nehmen Sie `nen Spaten

Und graben diesen Schrott tief ein!



 – Volker Teodorczyk –