Untertags
(Halbsonett)
– Um stets in der Tiefe
des Lebens
verzieht sich die Maus
in ihr Loch und
das sei ihr zu gönnen.
– FrankReich –
– «Es gibt ein Vorbild, das mein Werk befeuert»,
So hör ich manchen jungen Dichter sprechen.
«Ich will ihm folgen, statt mit ihm zu brechen.
Wenn das gelingt, hab ich genug erneuert.»
Um solche Dichter mach ich einen Bogen.
Denn steht beim Schreiben nur das Alte Pate,
Sei mutig, Dichter, und zerschlag die Formen
Und lache Hohn den hergebrachten Normen:
Sonette schreiben ist total bescheuert.
– Martin Möllerkies –
– Vielleicht zählt Unsereins zum alten Eisen,
Vielleicht soll morgen schon Verschrottung sein,
Vielleicht schlägt Unsereins die letzten Schneisen
Und drängt sich einmal noch ins Leben rein.
Ich war zum letzten Mal vor tausend Jahren
Verliebt in eine längst vergessne Frau,
Ich weiß nicht mehr, ob wir im Himmel waren,
Wir wollten hin, das weiß ich noch genau.
Ich bin kein Mann von Welt und von Erfahrung,
Ich geh tagaus tagein im gleichen Hemd,
Und alle Wunder einstiger Behaarung
Hat mir die Zeit für immer weggekämmt.
Ich denke gern an jene Glücksmomente,
Da ich noch sagen konnte: Fünfzig – und?
Es geht dein Geist noch lange nicht in Rente,
Du brauchst noch lange keinen Ausgehhund!
Jetzt, da die Siebzig angefangen haben,
Nehm ich den Hund als gottgegeben an
Und lass mich gerne mit dem Hund begraben,
Wenn ich mich einmal noch verlieben kann.
– Peter Welk –
– Sie stand im Leben ihren Mann
Mitunter trotzig und auch stur
Nun schmiegen sich sechs Enkel an
So zog das Leben manche Spur
Sie schleppt sich mehr, als dass sie geht
Einst sprang sie über Zaungestänge
Nun steht die Lebensuhr auf spät
Ein Phänomen, wenn’s noch gelänge
Ihr müder Blick spricht tausend Bände
Und wie zerklüftet ihr Gesicht
Wie faltenreich sind ihre Hände
Doch sie verlor die Anmut nicht
Nicht ihren Stolz, nicht ihren Mut
Ihr graues Haar, wie es sie krönt!
Kein Farbton stand ihr je so gut
Die Zeit hat es gekonnt getönt
Doch nun verlässt sie Wille, Mut
Sich weiter einzubringen
Im Lebenskampf, doch tut’s auch gut
Mal nicht mehr kämpfen, ringen
Sie ist gefasst und steht bereit
Am dunklen Einweggleis
Dann steigt sie ein, es ist soweit
«Macht’s gut» vernimmt man leis … .
– Volker Teodorczyk –
– am Morgen zogen rotmelierte Streifen
und ostwärts hob sich Sonne aus der Flut
das Licht des Tages folgte einer kurzen Glut
ein letztes Mal nach diesem Meer zu greifen
den Augen bietet sich ein Möwentreiben
als würden sie im heißen Wind der Sonne
mit ihren Schnäbeln ungestümer Wonne
den Tag verschiebend sich an Wolken reiben
die Nacht changiert im Lichtermeer aus Strahlen
und Venus folgt der Scheinbarkeit der Welt
die langsam in der Dunkelheit zerfällt
sie würde mit der Nacht den Mond bezahlen
als Morgenstern sich in den Himmel malen
die Möwen haben einen neuen Tag bestellt
– Morphea –
– Er liegt auf einem Fenstersims
Wie Cäsar einst auf weichen Kissen
Und auch sein Blick erinnert vage
Sorgt für die nötige Distanz
Doch plötzlich wird sie überbrückt
Und mit geschmeidig glatten Gesten
Gut einstudiert und Nähe suchend
Schon fest ein Streichelmaß verbuchend
Es ist der Hausfrau Domizil
Befüllt sein Schälchen, kurz liebkosen
Das Fragen wird nun eingestellt
Warum er sich ein Frauchen hält
– Volker Teodorczyk –