Mai 07, 2025



 Bushaltestelle



 – Die Tropfen treffen das Plexiglas,

klingeln wie Münzen auf leerem Boden,

schlagen Takte,

die niemand zählt,

außer vielleicht der Wind,

der zwischen den Häusern die Zeit verliert.


Die Straße glänzt,

nicht schön,

nicht sauber,

nur: nass und ehrlich,

mit Pfützen, die wie zu große Augen blicken,

stumm,

offen,

müde.


Ich sitze auf der Bank,

das Holz unter mir gibt nach,

aufgesogen vom Regen,

nicht mehr hart,

nur noch schwer.


Meine Jacke klebt an den Ellenbogen,

meine Beine angewinkelt,

Schuhe aufgesogen vom Wasser,

die Socken ein nasser Film an der Haut,

und ich atme durch den Kragen,

weil die Luft da wärmer ist.


Die Welt riecht nach nassem Teer,

nach Rost in den Dachrinnen,

nach zerquetschtem Laub,

nach feuchter Haut und

den fernen Essensgerüchen

einer Küche,

die ich nie betreten werde.


Lichter von Autos in der Ferne —

nicht hell, nicht schnell,

nur verschwommene Blasen aus Gelb und Rot,

zerlaufend wie alte Träume.


Keine Autos kommen hier vorbei.

Kein Mensch.

Nur das Summen der Laterne,

dieses matte, sirrende Klingen,

als hätte auch das Licht vergessen, wofür es brennt.


Der Regen kitzelt die Haut durch die Stoffschichten,

sickert zwischen die Fasern,

zieht Linien über den Rücken

und malt Muster,

die niemand sieht.


Meine Hände in Taschen,

zu klein für Kälte,

zu leer für Träume.


Und irgendwo dazwischen –

zwischen Tropfen und Dunkel,

zwischen dem feuchten Herzschlag des Bodens

und dem müden Puls in meinem Hals –

ist ein Frieden,

so still,

dass selbst die Traurigkeit

leiser atmet.


Kein Moment für Helden.

Kein Film wird ihn je drehen.

Kein Lied wird ihn je summen.


Aber ich sitze hier,

inmitten von nichts,

inmitten von allem,

im Herzschlag der Nacht.


Und glaube:

Vielleicht reicht das.

Vielleicht reicht genau das.



 – Max von der Heydt –



Mai 06, 2025



Shakespeare

Sonett 18



 – Soll ich dich einem Sommertag vergleichen, 

Die du viel lieblicher und sanfter bist? 

Durch Maienblüten rauhe Winde streichen, 

Auch Sommers Süße hat nur kurze Frist. 

Oft spürst du heiß die Sonne niederbrennen,

Oft tobt ein Sturm, verdunkelt den Azur,

Und stets muss Schönes sich von Schönem trennen 

Durch Zufall oder Wandel der Natur.

Doch was du warst und bist, wird immer sein,

Nie fliehn die Schönheit, die dir eigen ist,

Wird sich der Vogel Tod dir nähern? Nein!

Weil du in meinem Lied unsterblich bist.


So lange Menschen hören, Menschen sehn,

Lebt mein Gesang und schützt dich vor Vergehn! 




Shall I compare thee to a summer's day?

Thou art lovelier and more temperate.

Rough winds do shake the darling buds of May

And summer's lease hath an all too short a date.

Sometimes too hot the eye of Heaven shines

And often is his gold complexion dimm'd

And every fair from fair some time declines,

By chance, or nature's changing course, untrimm'd;

But thy eternal summer shall not fade

Nor lose possession of that fair though ow'st;

Nor shall Death brag thou wand'rest in his shade,

When in eternal lines to time thou grow'st.

      

So long as men can breathe or eyes can see,

So long lives this, and gives life to thee.



– William Shakespeare –


(Übertragung Peter Welk)



 


Haiku 


 – die Fliege spurtet
den Wettlauf an der Scheibe 
gewinnt der Tropfen 



 – Dirk Tilsner –





Vögel in der Vorstadt 



 – vorm Fenster
probt eine Staffel Tauben 

wieder und wieder
den jähen Aufflug Richtung Balkons 


auf dem Bürgersteig gegenüber 

hüpfen in wachsender Ungeduld 

die misstrauisch äugenden 

Vertreter der Rabenpolizei 



 – Christian Fechtner –





Mein Lachen 

(ist ein mühsames Amüsement geworden)



 – Ha ha ha habe

schon ewig nicht mehr

außerhalb des Konjunktivs gelacht,


denn immer häufiger

bleibt es mir

einfach im

Ha Ha Ha Halse stecken,


wie ein viel zu dicker Hund

in einer viel zu kleinen Katzenklappe.


Hi hi hi hilflos schaue ich

aus dem Fenster meiner Seele


und sehe all die Dinge,

über die ich früher mal lachen konnte,

in einer immer länger werdenden Conga-Schlange

auf- und abtanzen,


während meine Spaßkanone

nur noch nutzlose Platzpatronen

auf menschenfressende Spatzen verschießt.


Ho ho ho hoffnungsvoll

höre ich mich hin und wieder

selbst im Keller kichern,


doch wenn ich nach unten gehe,

um nachzuschauen worüber eigentlich,

ist mir der Fro ho ho ho sinn

auch schon wieder vergangen.


Wer zuletzt lacht,

lacht am besten


… so, da ha ha ha ss

ich es gar nicht erst

hören muss …



 – klaatu –



Mai 05, 2025

 


Wandler



 – mondprinzessin

hauche die eisblumen


in das fenster der nacht


die mit dir beginnt prinz

die schwarzen wolken


zerreiße

alle heldenkleider


im weggang der planeten



 – Ubertas –