Mai 06, 2025



Shakespeare

Sonett 18



 – Soll ich dich einem Sommertag vergleichen, 

Die du viel lieblicher und sanfter bist? 

Durch Maienblüten rauhe Winde streichen, 

Auch Sommers Süße hat nur kurze Frist. 

Oft spürst du heiß die Sonne niederbrennen,

Oft tobt ein Sturm, verdunkelt den Azur,

Und stets muss Schönes sich von Schönem trennen 

Durch Zufall oder Wandel der Natur.

Doch was du warst und bist, wird immer sein,

Nie fliehn die Schönheit, die dir eigen ist,

Wird sich der Vogel Tod dir nähern? Nein!

Weil du in meinem Lied unsterblich bist.


So lange Menschen hören, Menschen sehn,

Lebt mein Gesang und schützt dich vor Vergehn! 




Shall I compare thee to a summer's day?

Thou art lovelier and more temperate.

Rough winds do shake the darling buds of May

And summer's lease hath an all too short a date.

Sometimes too hot the eye of Heaven shines

And often is his gold complexion dimm'd

And every fair from fair some time declines,

By chance, or nature's changing course, untrimm'd;

But thy eternal summer shall not fade

Nor lose possession of that fair though ow'st;

Nor shall Death brag thou wand'rest in his shade,

When in eternal lines to time thou grow'st.

      

So long as men can breathe or eyes can see,

So long lives this, and gives life to thee.



– William Shakespeare –


(Übertragung Peter Welk)



 


Haiku 


 – die Fliege spurtet
den Wettlauf an der Scheibe 
gewinnt der Tropfen 



 – Dirk Tilsner –





Vögel in der Vorstadt 



 – vorm Fenster
probt eine Staffel Tauben 

wieder und wieder
den jähen Aufflug Richtung Balkons 


auf dem Bürgersteig gegenüber 

hüpfen in wachsender Ungeduld 

die misstrauisch äugenden 

Vertreter der Rabenpolizei 



 – Christian Fechtner –





Mein Lachen 

(ist ein mühsames Amüsement geworden)



 – Ha ha ha habe

schon ewig nicht mehr

außerhalb des Konjunktivs gelacht,


denn immer häufiger

bleibt es mir

einfach im

Ha Ha Ha Halse stecken,


wie ein viel zu dicker Hund

in einer viel zu kleinen Katzenklappe.


Hi hi hi hilflos schaue ich

aus dem Fenster meiner Seele


und sehe all die Dinge,

über die ich früher mal lachen konnte,

in einer immer länger werdenden Conga-Schlange

auf- und abtanzen,


während meine Spaßkanone

nur noch nutzlose Platzpatronen

auf menschenfressende Spatzen verschießt.


Ho ho ho hoffnungsvoll

höre ich mich hin und wieder

selbst im Keller kichern,


doch wenn ich nach unten gehe,

um nachzuschauen worüber eigentlich,

ist mir der Fro ho ho ho sinn

auch schon wieder vergangen.


Wer zuletzt lacht,

lacht am besten


… so, da ha ha ha ss

ich es gar nicht erst

hören muss …



 – klaatu –



Mai 05, 2025

 


Wandler



 – mondprinzessin

hauche die eisblumen


in das fenster der nacht


die mit dir beginnt prinz

die schwarzen wolken


zerreiße

alle heldenkleider


im weggang der planeten



 – ubertas – 



Mai 04, 2025

 


Sonntagmorgen



Er ist die Ruhe selbst, der frühe Sonntagmorgen!

Die Straßen friedlich, kein Verkehrsradau.

Kein Staub. Der Himmel, sonst stets grau,

Ist heute klar und schimmert dunkelblau.

Kein Mensch ist unterwegs. Nur ich, um Brötchen zu besorgen.


Wie weggeblasen sind sie, all die Alltagssorgen,

Und gut gelaunt ist auch die Bäckersfrau.

«Sechs Schrippen?», fragt sie. Ich sag': «Ganz genau!»

Ich spreche Italienisch heute. Ruf' zum Abschied: «Ciao!»

Ich könnt' die ganze Welt umarmen heute Morgen!



– Fritz Pfeiffer –



Mai 03, 2025



kleine Korrektur  


 – Wahrheit lässt sich schwer ertragen,

Lügen braucht's zum kleinen Glück,

dass am Ende alle fragen:

War es nicht ein schönes Stück?


Schnell noch die Bilanz verbessert,

fort mit jenen roten Zahlen –

Alles, was den Gram entwässert,

trocknet uns zum Schluss die Qualen!


Sonnentau statt Regenplage

zieht so ins Gedächtnis ein,

wird dein Los zur letzten Frage,

soll es keine Niete sein.


Steck zum Abschied ein paar Zeilen

stimmungsvoll dir ans Revers!

Allen, die vorübereilen,

fällt dein Abgang dann nicht schwer.


 – James Blond –