Februar 01, 2025

 


Standort



 – dort der Zaun

da der Kirschbaum

dazwischen du

 

hier die Sträucher

talwärts die Weiden

dazwischen ich

 

jenseits des Mondes

über den Wolken

inzwischen wir



 – tulpenrot –



Januar 31, 2025



Schneck und Schnecke 


( Kindergedicht )


 – Unter einer Brombeerhecke

wohnt der Schneck mit seiner Schnecke,

wohnen nicht im gleichen Haus,

gucken aus zwei Häusern raus,


kriechen in die Morgenluft,

angelockt vom Brombeerduft,

da der Schneck, so schnell er kann,

Schnecke dort, bleibt an ihm dran,


kriechen beide schneckenschnell,

Sonne macht die Hecke hell.

Tag vergeht. Dann kommt die Nacht,

ganz aus Brombeerduft gemacht,


Duft kommt näher in der Hecke,

Schnecke schafft die Kletterstrecke

vor dem Schneck, klebt zwischen Blättern,

Schneck hat noch‘n Stück zu klettern.



– Peter Welk –





 Bewegungsmelder



 – Es hat der Mensch den Drang sich zu bewegen,

er sucht im freien Raum das ganze Sein,

der eine will sich zu der andern legen,

ein andrer steigt in Kunstmuseen ein,

die eine joggt um stille Ententümpel,

die andre träumt sich weg im Dachgerümpel,

dann kommt der Tag, sich in ein Grab zu legen,

um Würmer zur Bewegung anzuregen.



– tordilo –



Januar 30, 2025



abreise



– einfach weg
sagt er sich

den koffer gepackt
alles, alles rein, nichts bleibt hier
außer diesem scheißleben

auf seinem weg
begegnen ihm
gesichter

deren mimik fragt ihn
meinst du
uns geht es anders?

sein schritt wird schneller
mit dem blick zur uhr

am bahnsteig
steht schon der zug
weg hier, jetzt oder nie

sagt die anzeigetafel
und ein pfiff gellt
höchste zeit

dann fährt er
der zug
ohne ihn ab


– Jörg Schaffelhofer –


Januar 29, 2025



letzter november



 – als ein novemberwind des abends

in einer pappel sich verfangen hatte

befreite ich ihn vorsichtig

aus dem geäst und er

er lud mich ein

ihn zu begleiten

denn was willst du

im grauen land


da erinnerte die pappel mich

an meine kindheit

du bist wie ich

ich wachse schnell

breche leicht

doch hab ich stand wenn auch

im grauen land

der wind

er wird dich nur verwehen


ich will so sagte ich dem wind

noch einmal den lavendel seh‘n

wenn er in blüte steht

im grauen land

ganz so als gäbe es

doch hoffnungen

für hummeln und für kinder

für meine kleine trauer

und für eine liebe

wenn der lavendel auch vergraut

am späten jahr

dann wind dann bitt ich dich

verwehe mich



 – charlotte van der mele –



Januar 28, 2025



Bon appétit



Hinten links in meiner Birne

lebt ein Wurm von meinem Hirne

und frisst täglich zehn Ideen,

doch dies Zerebralgeschehen

will mir nicht die Laune rauben!

Der IQ musst wohl dran glauben –

juckt mich aber nicht die Bohne:

Besser lebt sich «oben ohne».



 – sufnus –



Januar 27, 2025



Weitsicht 



 – Als ich gestern in die Ferne sah,
schien mir diese plötzlich seltsam nah.
Näher noch – ich weiß, das klingt jetzt dumm –
als der leere Raum um mich herum.

Dieser Raum, gefüllt mit lauer Luft,
die mir dauernd in die Seele pufft;
diese schnöde Enge ganz aus Nichts,
die Garotte meines Gleichgewichts.

Dieses ungreifbare Nichts-Substrat,
licht- und schattenarme Wechselbad;
dieses körperlose Hindernis,
steter Zwang, im Ausgang – ungewiss.

Als mir, wie schon oben angeführt,
diese Ferne jäh im Innern rührt,
fand ich darin einen tiefen Sinn:
Manchmal will der Mensch woanders hin. 


– Dirk Tilsner –