Januar 25, 2025

 


Gebrauchsanleitung



du erst lesen alle worten

fangen an bei eins und dorten

folgen zeilen zwei gewesen

lachen dann du weiterlesen

 

hinter versen drei und vieren

stutzen erst mal dann kapieren

kichern zeilen fünft und sexten

speichern unter lieblingstexten



 – Stefan Pölt –



Januar 24, 2025

 


Tom und ich



 – Drei Jahre nach meinem Tod
besuchte ich noch einmal Tom
in seiner Werkstatt an der Brücke.

Wir saßen auf der alten rostigen Eisenbank
und das Licht des Abends vergeudete sich
in Fächer verschiedenster Schattierungen.

Unten am Bahndamm spielten kleine Kinder,
so wie ich in den frühen Siebzigern,
suchten nach Schneckenhäusern
und huschten zwischen Kamille und Brennnessel
wie kleine flinke Rehe dahin.

«Du siehst gut aus», sagte Tom.
«Findest du?», fragte ich skeptisch.
«Doch, durchaus …»

Die Strahlen der untergehenden Sonne
hüllten den späten Augustabend
in eine Glocke aus bersteinfarbenem Gold.

Zwischen meinen skelettierten Rippen
brach sich das Licht
und floss funkelnd hinüber
zur lärmenden Kinderschar.

«Ich habe abgenommen», sagte ich.
«Aber du siehst klasse aus», antwortete Tom.

Ich blickte hinüber zu den Bergen am Horizont,
die ich als Kind «mein wildes Räuberland» nannte.

Ich hatte alles gehabt,
ich hatte alles aufgenommen,
und alles gab ich wieder zurück.

«Tom, siehst du, die Sonne fließt durch mich hindurch …»

Wir saßen noch lange dort.
Fast ein Jahrzehnt.
Tom und ich.

Oder länger.



 – Herbert Fehmer –



Januar 23, 2025



 In der Landschaft 

des Aschenbechers



– die abgestreifte Glut der Zigarette
leuchtet auf wie die winzige
Sonne einer sterbenden Welt

ein Körper aus atmendem Licht
der schnell
auf Funkengröße schrumpft
beim Rückzug ins Innere
eines Klumpens aus bröckelndem Weiß und Grau


– Christian Fechtner –


Januar 21, 2025

 


Credo



 – Ich lege meine Hand ins Herz der tollsten Frauen.
Kein Wunder, wenn sie mir als Casanova trauen,
denn meine Verse sind: Orkan für die Frisur,
ein Sieder für das Hirn, die Presse ihrer Säfte,
sind Sinnflut, Rizinus der vaginalen Kräfte,
poetisch Kamasutra pur.

Mitunter schreib ich auch mal was für weise Männer,
als Bibel-, Nietzsche- und als Suppenerbsen-Kenner.
Denn meine Verse sind: Prometheus in der Bar,
der Scheit des Heilands, Herd platonisch-reifer Wärme,
sind Tee und Valium für aufgeblähte Därme.
Sind so wie ich, bloß voller Haar.



– Dirk Tilsner –



Januar 20, 2025



Schlafhygiene



 – Ich stelle nackt mich in den Schlaf,

ein Regenduschenglück!

Was tags mich auch im Herzen traf,

schäumt in die Zeit zurück.


Erlösung durch das Ablaufsieb

zur Duschdasträumerei,

die Nacht als kluger Tagedieb

seift uns vom Dasein frei.


Ich brause Pflicht und Muße fort,

kanalwärts gluckst die Welt:

Am wohlverfliesten Fugenort

auf mich allein gestellt.



 – sufnus –


 

Januar 19, 2025

 


Fabelhaft geschlafen



 – Beim Genuss des Biergebräus

konnte er sich nicht enthalten

und so träumte Vater Zeus

bald von seltsamsten Gestalten.

 

Vom Zyklopen, der sich preist:

»Räumlich sehe ich recht wenig,

aber, wie es so schön heißt,

unter Blinden bin ich König!«

 

Auch vom Vogel, der verbrennt

und wie Phoenix aus der Asche

neu ersteigt, was Jesus kennt:

Wiederauferstehungsmasche.

 

Und von Pegasos, dem Ross,

das geflügelt wie die Worte

mancher Dichter gleich im Tross

aufwärts strebt zur Himmelspforte.

 

Vater Zeus schlief tief, obgleich

Ungeheuer Feuer sprühten

und aus seinem Schlummerreich

ihn zu wecken sich bemythen.



 – Stefan Pölt –






Januar 17, 2025

 


Unterm Strich


(Fatras)


 

 – In jeder stummen Seele
reift längst die rote Zahl.

In jeder stummen Seele
erinnern die Befehle
der Zeit ans Wahllokal.
Die Stimme der Querele
zertrümmert die Kanäle,
denn nichts ist so normal
wie Löcher im Portal.
Dank seiner Parallele
versinkt der Ton im Saal,
und im Verlies der Kehle
reift längst die rote Zahl.



 – FrankReich –