Dezember 23, 2024

 


Aus den Chroniken 

eines Steppkes 



 – Die Straße hatte damals eine Länge
von etwa sieben Lederstrumpfgeschichten. 
Wir konnten jagen, stromern ... ohne Zwänge, 

und wenn es hart kam, auf Bonbons verzichten. 


Am Strand im Urlaub sammelten wir Muscheln 

und ihrer Schönheit wegen(!) Kieselsteine. 

Im Schilfgras hörten wir die Nymphen tuscheln: 

«Der See birgt alte Schätze und Gebeine.» 


Im Kirschkern-Spucken warn wir echte Meister, 

bei Sauriern, ha! In jedem Streit die Schlausten. 

Wir glaubten an die Kraft der Poltergeister 

und dass Zyklopen nur in Märchen hausten. 


Der Kuchen Omas ließ uns dicker werden. 

Wenn Opa nieste, wackelten die Wände.
Ihr Garten galt als Paradies auf Erden:
Die Himbeerstaude nahm und nahm kein Ende. 


Den Becher Milch trank ich stets bis zur Neige. 

Ich war Korsar, ein guter, mit Gewissen. 

Mitunter leider auch ein wenig feige –
ich habe nie in einen Frosch gebissen. 



 – Dirk Tilsner –




Dezember 22, 2024

 


Weihnachtswunder



 – Es schwebt ein Pottwal überm Wald.

Ich frage mich: ist ihm nicht kalt?

Dann sag ich mir: was bin ich dumm!

Der schwimmt auch im Polarmeer rum,


gewärmt von einer fetten Schicht.

Da stört ein bisschen Kälte nicht. 

Doch warum fliegt er überm Tann

zur Weihnachtszeit? Was treibt ihn an?


So blass wie einstmals Moby Dick?

Ein Engelswal? Ein Zaubertrick?

Und weil das herrlich surreal ist,

erscheint dazu die Borealis.


Doch halt! Dort zieht ein heller Stern

mit langem Schweif am Himmel fern!

Mein weißer Wal zwinkert mir zu,

schlägt mit der Fluke, hält drauf zu.


Gefolgt von einer kleinen Flunder.

Die Weihnachtszeit ist voller Wunder!



 – Claudia Neubacher –





Winteres



 – Mein Mund schmeckt den Atem der Nacht, ihr Kadaver

zersetzt sich bereits, wird zu schwammigem Blau.

Das Funkeln der Sterne vergreist im Palaver

und fällt in den Rinnstein, zerschlissen und mau.

 

Ich mag kein verkrustendes Sehnen mehr, schleiche,

mein Herz in der Tasche, am Ufer entlang.

Die Wasser sind sprachlos, und Sturm trägt das bleiche

Gewölle der Zuversicht über den Hang.

 

Das Ding aber flattert, erbarmungslos brennend,

wie schwärendes Blut unter baumhohem Grind,

zerstörerisch krampft es mich niederzuzwingen.

 

Doch endlich ertrinkt es. Ein trotziges Kind,

das wütend zurückschlägt, sein Schicksal erkennend.

Vermag eine Nachtigall winters zu singen?



 – Andrea M. Fruehauf –



 

Dezember 21, 2024

 


Winterlied



Denkst du noch an jenen Sommerabend

Als der erste Kuss daneben ging?

Hast du noch die Rosen in der Nase?

Siehst du noch, wie hoch der Himmel hing?

 

Wär ich damals in den Baum gestiegen ...

Hätt‘ ich ein paar Sterne umgedreht ...

Hättest du beim Knöpfen still gehalten …

Ach, die Zeit hat alles überweht ...

 

Kälte ist schon übers Dach gekommen.

Winterblumen spannen Silbernetze.

Hätt‘st du je das Ende so gedacht?

Sommerwünsche wurden über Nacht

Zwei im Schnee vergess‘ne Lieblingsplätze.



 – Peter Welk –





Dezember 20, 2024

 


Christgeburt



 – Könige sind auf dem Wege

Mit Kamelen, zu dem Kind

Raus aus diesem Tiergehege

Wo sie sonst zu Hause sind

 

Schleppen Gold und edle Pflanzen

Denn Geschenke sind ja Pflicht

Ach, man könnt vor Freude tanzen!

Die Kamele jedoch nicht

 

Die Gesäße der drei Herren

Sind vom Reiten schmerzhaft wund

Dass sie singen und nicht plärren

Liegt wohl an der heilgen Stund‘

 

Endlich da, nach langer Reise

Und ein Stern hat sie gelenkt

Schlichter Stall in Altbauweise

Doch hier wird die Welt beschenkt!

 

Alle Gäste jubilieren

Denn die Menschenschuld erlischt

Schuhe aus und gratulieren

Josefs Frau hat durchgewischt

 

Und dann steh’n sie vor der Krippe

Von dem zarten Christuskind

Schafe, Esel, auch die Hippe

Ach, wie alle glücklich sind!

 

Ja, es wird die Welt erlösen

Sünden tilgen, als wär’s Pflicht

Auch von diesen denkbar Bösen

Ich bin ehrlich, ich würd’s nicht!

 


 – Volker Teodorczyk –



Dezember 19, 2024



 Im diffusen Licht 

des Nachmittags



 – vorhin
beim Blick durchs Küchenfenster dachte ich
der Wind treibt eine helle Plastiktüte 
gemächlich durch die Schatten des Innenhofs 


(dann aber sah ich
es hing noch
in dunklen Kleidern
ein flatternder Mann aus dem Hinterhaus dran) 



 – Christian Fechtner –



Dezember 18, 2024



 Die heiligen vier Könige



 – Drei Weise aus dem Morgenland,
sprich Osten, kamen angerannt,
durch Wüste, Trockenheit und Dürre,
sie brachten Weihrauch, Gold und Myrrhe.

 

Der Caspar und der Melchior

erreichten Bethlehem noch vor

dem Balthasar, der hatte Blasen

und konnte deshalb nicht so rasen.

 

Ein vierter wollt nicht huldigen

und ließ sich drum entschuldigen,

doch fehlte den drei Königen

der Wille zu beschönigen.

 

Sie beichteten im hellen Schein,

es fehle noch der Edelstein

von Phlegmar, denn so hieß der vierte

in Quellen nicht so oft zitierte.



 – Stefan Pölt –