Bewegungsmelder



 – Es hat der Mensch den Drang sich zu bewegen,

er sucht im freien Raum das ganze Sein,

der eine will sich zu der andern legen,

ein andrer steigt in Kunstmuseen ein,

die eine joggt um stille Ententümpel,

die andre träumt sich weg im Dachgerümpel,

dann kommt der Tag, sich in ein Grab zu legen,

um Würmer zur Bewegung anzuregen.



– tordilo –



 


plötzliche Sehnsucht



 – plötzliche Sehnsucht
nach den Rändern der Stadt
wo in Siedlungen
einzelne Häuserzeilen
den ganzen Tag in tiefen Schatten liegen


die Außenleuchten
blasse Monde
in bewusstlos dämmernden
Vorgärten



 – Christian Fechtner –



 


Ein paar Sekunden 

beim Sterben


 

– Sie hatte eben Kartoffeln aufgesetzt 

Der Fernseher lief
Als es vorbei war
Fiel sie einfach hin 


Sechsundsiebzig Jahre 

Das ist doch nicht viel 

Doch das blitzende Flimmern 

Vor den Augen
War voller Kreuze 
Ende 


Emmys kalte Schnauze 

Stupste an die beiden Eheringe 

Emmy bellte und lief zur Eingangstür 


Die der Tod eben 

Zudrückte 



– Aron Manfeld –



 


Passanten des Tages



 – der Morgenmann
mit den braunweißen Zwillingshunden
macht seinen Routinestopp
am Rand der Grünfläche


später wühlt eine Kapuzengestalt
mit hastigen Griffen
in einem Einkaufstrolley


zuletzt ein trottendes Schulkind
das ohne Zorn
eine leere Dose
durch den Nachmittag tritt


 – Christian Fechtner –



 


Melonancholisches 



 – Leben möcht ich, statt in Sachsen, 

dort, wo die Melonen wachsen. 

Morgens gäbs schon himmelssüße 

Honigmarmelonenspieße, 

mittags Cantalouperoulade, 

nachmittags in Marinade 

eingelegte Piel de sapo, 

hinterrücks und als da capo 

küsste mich ein Nara-Hase 

galiageil auf Mund und Nase,
führ mich mit dem Obsttransporter 
in die Kneipe, um supporter,
nur mit ihm, für wenig Kohle, 
Wassereismelonenbowle 

auszuschlürfen, heimzugehen,
um mir dabei zuzusehen,
wie ich mich als reifes Weibchen, 
sozusagen Stück um Scheibchen, 

auf dem Silbertisch drapierte … 

Ach, wenn mir das einmal nur passierte! 



 – Andrea M. Fruehauf –



 


ohne etwas zu suchen



ohne etwas zu suchen
fällt der Blick
auf die Skyline des Küchentischs:


kleinere und größere
Dosen und Gläser
und die zentralen
Zwillingstürme voll Pflanzenöl



 – Christian Fechtner –





Homo diabolicus 

(Terzine zum Thema: Teufelskanzel)


 – Der Ausblick übers Land, an Sagen reich,
bezeugt auf diesem Fels, mit Müh erklommen:
Der Teufel ist ein Schlappschwanz im Vergleich.


Ein lächerlicher Stein, genau genommen,
mit dem der Prahlhans durch die Lüfte zog,
bis er, erschöpft, an diesen Ort gekommen.

Kein Hexchen, das sich nicht vor Lachen bog,
als sie den matten Satan schlafend fanden,
worauf der schwer gekränkt von dannen flog.

Die Probe hätte er als Mensch bestanden.
Schaut hin! Wo sich einst Wald und Feld und Flur
wie grüner Urstrom durch die Landschaft wanden,

starrt ein Gebirge aus Beton. Natur
des Fortschritts, ohne Wuchs an ihren Hängen.
Statt Schnee an Gipfeln, glänzt die Smog-Glasur.

Weil im Gedärme Gier und Eifer drängen,
macht seine Sippe ganze Gletscher kalt,
bäckt täglich Brot, nur stets in Übermengen,

kippt Müll ins Meer, der sich zu Inseln ballt,
schlägt Wälder ab, legt letzte Sümpfe trocken
und 'kultiviert' mit Flüssen aus Asphalt.

Sieht sich als Ebenbild, doch liebt das Zocken
und glaubt, wer ständig ärmer wird, ist reich.
Kein Teufel könnte Ähnliches verbocken!

Der Sapiens – Verlierer im Vergleich.



 – Dirk Tilsner –