Franz, du musst!



– Sieht‘s der Mond auch jeden Abend,

Guckt er doch zum Fenster rein,

Drinnen flackert rot die Lampe,

Und man wechselt einen Schein.


Eine Hose wird in Falten

Über einen Stuhl gelegt,

Während sich ein tiefer Seufzer

Zwischenmenschlich fortbewegt.


Eine Spinne lässt sich fallen,

Und ein Seidenfummel fällt,

An der Wand im Schnörkelrahmen

Guckt ein Engel in die Welt.


Eine Fülle von orangen-

farbener Verkäuflichkeit

Legt sich auf das Vorgeprüfte

Und erwartet den Bescheid.


Ein Gebet auf schmalen Lippen

Wird im Himmel überhört,

Und ein Schicksal steht im Zimmer

Irgendwie herum und stört.


Ein ermunterndes: «Was ist denn!»

Aus der Ecke mahnt zur Lust,

Und das Schicksal fährt zusammen

Und entscheidet: «Franz, du musst!»


Sieht‘s der Mond auch jeden Abend,

Guckt er doch zum Fenster rein,

Drinnen fällt beherzt ein Schicksal

Auf ein anderes herein.



– Joe Fliederstein –



 


canto de verano



Der Mai war schön. Doch DIESE Zeit
ist schöner noch, wenn mit aparten
Gesängen aus dem Nachbargarten
die Sommernacht mein Herz befreit.

‘Gezwitschert‘ wird dort stets zu zweit:
erst Lento, in getrennten Klängen,
die sich zum Presto hin vermengen:
ein Specht klopft wild; ein Käuzchen schreit

in eine laue Dunkelheit.
Ich sing, erlöst von aller Schwere:
«Wenn ich doch selbst ein Vöglein wäre!»
und schlurf ins Haus, zu Trott und Streit.



 – Dirk Tilsner –



 


Befreit 



 – Ein kleines Mütchen 

kommt nicht auf Trab 

begraben vom Gut 

verschüttet vom Hab 


gelähmt von der Schwerje 

der trägen Materje 

hebt es nicht ab 


Im kleinen Mütchen 

erwächst große Wut 

es löst sich vom Hab 

befreit sich vom Gut 


und bald ist dem Mütchen 

viel leichter zumut 



 – niemand –





stillgelegt



 – ein atelier in regalen

feinsäuberlich gestapelt

vergessene ideen

verworfene entwürfe

sich selbst überlassen

verblichen

die freude am schaffen

unter schichten von staub

begraben träume


tuben schweigen sich an

auch das cadmiumgelb schreit

nicht länger zu lange schon

recken pinsel dürre borsten

in einst aus- und nicht

wieder eingeatmetes

kein hauch der ahnen ließe

wieviel erfüllung hier

schon war und noch

zu finden wäre


nur die sommersonne

sucht einen weg

durch blinde fenster



 – Claudia Neubacher –



 


Gesdern Nachd 



 – da hob i a weng de Sternla am Himml ogschaud 

mir ausgmold
wis wär da ohm a weng rum zu flieng 

Aufpassn muss ma do freili scho 

wecher die schwazn Lecher
die sichd mer nämli ned 



– AlmaMarieSchneider –



 


die Zeit gab uns 

Spiegel der Zukunft 



– den Sommer habe ich mir längst 

aus dem Haar gekämmt und 

dem Sturm meine Locken geopfert/ 

dem Leben das Blond 


Ich lese das Buch der Zeiten davor 

laufe Wege die sich vor mir teilen/ 

der Horizont ist nicht weitab 

schau' ihm soeben in die Augen 



 – Morphea –




 Ruhe in Frieden 



† † † † † † 

 – Hier liegt Computeringenieur 

Andreas Tschipp samt Zubehör, 

Nachdem er vor der Tastatur 

In seinen Ruhemodus fuhr. 


† † † † † †

Hier ruht Naturfreund Art R. Kant, 

Der letztens viele Pilze fand, 

Und neben ihm, ins Leichentuch 

Gewickelt, liegt auch sein Besuch. 


† † † † † †

Hier liegt die Putzfrau Rita Rei, 

Sie gab den Stein für Werbung frei. 

Auch Zewa kaufte einen Fleck, 

Dort steht gut lesbar: Wisch und weg! 


† † † † † †

Hier ruht der Plastineur von Hagens 

Ganz unversehrt trotz Würmernagens. 

«Ich lasse», hört man Gunther lachen, 

«mir meinen Tod nicht madig machen!» 


† † † † † †

Hier liegt der Herzog Werner Werzich 

In seiner Truhe und beschwert sich, 

Dass für den Akt der letzten Ehre 

Der Service unterirdisch wäre. 



 – Stefan Pölt –