Der Blinddarm



– Ich steh am Rand von meinem Grabe,
Weil ich noch einen Blinddarm habe.
Der hat sich jetzt entzündet!

«Es bleibt nur eines: Die OP!
Sonst tut dir bald kein Zahn mehr weh!»
Hat mir der Arzt verkündet.

Doch ich, ich denke mir im Stillen:
Der will sich nur die Taschen füllen!
Ich geh' nicht unters Messer.

Ich hab mich mit dem Arzt verkracht
Und flugs mich aus dem Staub gemacht.
Jetzt geht's mir wieder besser!


– Fritz Pfeiffer –


 


Duftig 



 – Es zwitschert und bimmelt 

Und duftet und wimmelt 

In mir
Auf der Wiese
So lang hab ich diese 

Vergnügen vermisst 

Wie süße Allüren 

Zum Nichtstun verführen 

Der Lenz mich umschwärmt 

Und mit Blütenstaub küsst 



 – Andrea M. Fruehauf – 





Die Rückkehr der Mumie



– Mumithepes, den Ägypter

hält es nicht mehr in der Krypta,

die er in den Hyksoskriegen

konserviert hinabgestiegen,

fluchbedingt (Schockschwerenot!)

nach der Priesterschaft Gebot,

denn zur Zeit der Pestilenz

wurd der freche Wüstenstenz

dort zur Strafe hinverortet,

weil er Klopapier gehortet.

Doch viel tausend Jahre später

lacht der alte Übeltäter,

ist in Zellstofflagenfragen

er halt echt verdammt beschlagen;

daher leitet unser Dieb

bald bei Kleenex den Vertrieb.



– sufnus –



Pfingstgewitter



– Du hast das Licht gedimmt. Hast ihn verflucht:

«Er greift mich wie man Pflastersteine greift!»

Hast pfeifend eins ums andre abgestreift,

Hast nackt nach Bleistift und Papier gesucht


Und Worte! Worte! Ungeheuerliche!

Ihm aufs Papier gemalt: «Mein Angetrauter,

Auf deiner Lammfelldecke liegen lauter

Besonders sanft umträumte Jugendliche!»


Oh, dieses Stück Papier! Oh, diese Nacht!

Du sagtest Horst zu mir und Heiner,

Wie du, Johannes, streichelt keiner,


Mein Ochsenhörnchen, meine Kummergurke,

Mein Pfingstsmatratzenschlummerschurke …

Du hast … du hast mich schier verhundertfacht.



– Peter Welk –




 

Mein vermutliches Vermächtnis



 – Mit spöttischer Verachtung will ich dereinst

da ich verbannt aus Epikurs Garten

die Stoa hinter mir lassend, den bunten Tand

die verschlungenen Pfade

den lärmenden Rausch fliehe

ausbrechen aus dem Zirkel von 

Gutsein und Genuss.


Eintreten ins Unbekannte

den Göttern nahe, doch nicht gleich

der Ewigkeit verbunden und ein jeder

der je hier wandelte oder wandeln wird

sein.


Erst in der vollkommenen Ordnung

der Ruhe frönen

und mit den Göttern das Nichts

erwarten, aus dem alles neu entsteht.

Auch die Götter.



– tueichler –



 

Am Ende der bewohnten Welt



 – vor einer weißen Hausfront
schiebt ein halbglatziger Mann mittleren Alters
einen leeren Rollstuhl
durch den Regen


quer über den Bürgersteig
parkt ein Elektroroller
herausfordernd
als suche er Streit



– Christian Fechtner –





Einverleibung


– Die Großstadt, wie ein Biest mit kalten Klauen,
knipst abends ihre tausend Augen an.
Dann schleicht sie mit der Einsamkeit heran,
um manche bange Seele zu verdauen.

Genüsslich fängt sie an mit dem Zerkauen,
weiß, wie mit Sorgen sie zersetzen kann,
zieht Sinn und Zeit formlose Fetzen an
und einverleibt sich letztes Urvertrauen.

Zurück lässt sie so manche leere Hülle.
Jetzt rätselt man im Haus, wer ihn wohl kennt.
Fast kann man etwas wie Gemeinschaft spüren.

Ein fremder Nachbar in der Großstadtfülle 
– die Türe erst nach Wochen aufgestemmt.
( «Man konnte den Geruch nicht ignorieren!» ).

– Claudia Neubacher –