Die relative Gemeinheit
der Zeit
Jésus à jour
– Lebte Jesus jetzt und hier,
wäre er womöglich queer
und mit seiner langen Mähne
eine Größe in der Szene.
Irgendwie ein bisschen schwul,
fänden ihn Diverse cool
und er könnte alle lieben.
Gott, es würde viel getrieben
und im Zweifelsfall auch ab-.
Frömmler brächte das auf Trab,
doch der Heiland schützte eben
erst mal das gebor'ne Leben.
Wünsche würden wirklich wahr.
Ach, es wäre wunderbar,
predigte ein Mensch von heute
für das Erdenglück der Leute.
Kirchen wären wieder voll,
die Gemeinden nicht so oll,
die beim Beten auf den Bänken
lachten und den Messwein tränken.
Hätte jemand das geglaubt?
Weder spießig noch verstaubt
wüchsen Lust und Sinnesfreude
selbst im letzten Pfarrgebäude.
– Didi.Costaire –
Hartes Los
– Silberrücken Paul ist heute grantig.
Verhasste Konkurrenz schleicht durchs Gebüsch.
Die Miene schaltet von entspannt auf hantig,
schon zuckt sein linkes Lid verräterisch ...
Wie können diese Nichtsnutze es wagen,
sich darzustell'n als wär'n sie weißgott wer;
zum Affen machen mit geschwelltem Kragen!
Der Oberaffe ist noch immer er!
Schon stemmt er sich mit Ächzen auf zwei Beine
und trommelt mit den Fäusten auf die Brust.
Respekt und Ruhm gebühren ihm alleine!
Sie teilen? – Welche Schmach und Machtverlust!
Er brüllt und grollt und peitscht mit Blätterzweigen
durchs Unterholz (und hofft, dass das genügt).
Er weiß: Muss er sich gleich als Platzhirsch zeigen,
wird er vom Lieblingsweibchen scharf gerügt.
Da steht er – Grünzeug wedelnd – unentschlossen;
es kämpft in ihm Verdruss gegen Vernunft.
Ein Wolkenbruch setzt ein – er wird begossen
und trollt sich wie ein Pudel. Doofe Brunft!
– Claudia Neubacher –
Kettenrauchertango
Dem Tode nah als Kettenraucher.
Ich gebe mich dem Rauch
Mit Wonne hin und auch
Von Kringeln eingekettet,
In Düfte eingebettet,
Lass ich in blauen Schwaden
Gedankenbilder baden
Von dir geliebtes Stück,
Du Raucherzwischenglück.
Ich gebe mich dem Rauch
Mit Wonne hin und auch,
Wenn ich in meiner Nähe
Nur Nebelmäuse sehe,
So seh ich in Gedanken
Mich dir entgegenwanken,
Geliebte, ach, von fern,
Umgaukelt mich dein Stern.
Du schönster von den mir bekannten Engeln,
Du Traumstopp zwischen zwei gepafften Stengeln,
Du Fünfminutenseligkeitensüße,
Die ich aus meinem Raucherhimmel grüße,
Wenn ichs vielleicht schon morgen übertreibe
Und mittels Rauchvergiftung mich entleibe,
So schick ich dir von oben blaue Blicke
Und knicke dir von dort aus dann das Herz.
Ich gebe mich dem Rauch
Mit Wonne hin und auch
Von Kringeln eingekettet,
In Düfte eingebettet,
Lass ich in blauen Schwaden
Gedankenbilder baden
Von dir geliebtes Stück,
Du Raucherzwischenglück.
Ich gebe mich dem Rauch
Mit Wonne hin und auch,
Wenn ich in meiner Nähe
Nur Nebelmäuse sehe,
So seh ich in Gedanken
Mich dir entgegenwanken,
Geliebte, ach, von fern,
Umgaukelt mich dein Stern.
Wärst du doch ein Rauchgeschlängel,
Nähm ich dich am Liebesgängel
Und in stetigem Bemühen,
Könnt ich dich auf Lunge ziehen,
Wärst du doch ein Lustgebilde,
Qualmend und aromamilde,
Könntest du für mich erglühen
Und mir um die Nase blühn.
Weils nicht so ist,
Und du es nicht bist,
Lass ich in blauen Schwaden
Gedankenbilder baden
Von dir geliebtes Stück,
Du Raucherzwischenglück,
Lust am Rauch,
Die tut es schließlich auch,
So seh ich in Gedanken,
Mich dir entgegenwanken,
Geliebte, ach, von fern
Umgaukelt mich dein Stern.
– Peter Welk –
wien sommer
sechster stock
altbauküche
nicht lesen
geblendet
bin ich vom sonnenlicht
im fenster
auf der anderen seite der straße
dein umriss noch immer
so vertraut
abfallende schultern
ein sanft geneigter kopf
manchmal weht
das rechteckige segel
aus verwaschenem rosa vorüber
und es raschelt
beim umblättern
dann rieseln verirrte buchstaben
unausgesprochener worte
auf deinen teller
fragmente ungeteilter gedanken
ich blinzle
beim versuch dich zu sehen
doch es glitzert
nur der honig
der von deiner semmel
zähflüssig
in die stille tropft
– Claudia Neubacher –
Frühling
Midlife-Krise früh um drei
Winter
Am Himmel
– Inmitten der vollen Ähren,
betupft von den leuchtenden
Sprenkeln des grellroten Mohns,
lagen wir mit dem Donnergrollen,
atmeten Heupferdchenträume
mit dem Wiegen der Halme.
Du wolltest fliegende Fische
zählen. Ich bloß immer wieder
deine Sommersprossen
und die versprengten Galaxien
im endlosen Blau deiner Iris.
«Eins!» riefst du und lachtest.
«Da – zwei!» Und ich versank
in den Spiralarmen deiner Locken.
Ich hätte dir gerne einen gefangen,
doch du hattest die Zeit angehalten.
Irgendwo in der Welt knatterten
Motorräder vorüber, holperten
über das alte Kopfsteinpflaster
der Höhenstraße, und der
auffrischende Wind trug mit dem Duft
von Marillenknödeln und Butterbröseln
das Glück in unser Universum.
– Claudia Neubacher –