August 17, 2025



Mein lieber Schwan



 – Einst hat ein Schwan,
mit noch nem Schwan
so ganz profan,
zwecks Heiratsplan,
ne edle Schwänin aufgetan.

Wolf-Christian,
der erste Schwan,
beherzt, urban,
fraß meist vegan
und mimte gern den Dorfgalan.

Der zweite Schwan,
Sebastian,
ein Grobian
und kleptoman,
stank morgens ewig nach Methan.

Wie im Roman
schwang jeder Schwan
nun simultan
wie hydroplan
am noblen Teich sein Balzorgan.

Die Schwänin, ahn-
voll angetan
von Christian,
dem Don Juan,
errötete am Schnabelzahn,

und mit Elan
schrie sie sopran
Sebastian,
dem Schlingelschwan,
ihr Machtwort vor die Hörmembran:

Mein lieber Schwan,
stinkst du nach Tran!
Und willst du ran,
du Pelikan,
so stell dich bei den Enten an!



– Andrea M. Fruehauf –


August 16, 2025



Die andere



 – Wie ein Speer ragst du ins Blaue,

schöner Berg mit weißem Glanz,

und es heißt, wer von dir schaue,

werde eins mit sich und ganz.


Freudig fühlen wir zwei Frauen,

dass ein solches Glück uns winkt,

wenn wir der Erfahrung trauen

und der Kraft, die uns beschwingt.


Noch liegt Nacht an Berges Hängen

und der Schnee ist hart und gut -

doch als wir zum Gipfel drängen,

kocht in früher Sonne Wut.


Nicht wie einstmals so verlässlich

krallt der Frost sich ins Gestein.

Matschig wird der Grund und hässlich,

und es setzt ein Knistern ein,


fast, als ob der Berg uns bitte:

«Mädchen, kommt nicht, sondern flieht!»,

und wir wenden unsre Schritte,

als ein Rumpeln näher zieht.


Als wir zur Nordwestwand eilen,

rutscht ihr Eis schon flächig ab,

und als wir uns abwärts seilen,

grinst sie hämisch wie ein Grab.


Mittag ist es, wärmste Stunde,

als ein Stein dich trifft am Seil,

an die Wand wirft und am Grunde

einschlägt wie ein Donnerkeil.


Reglos hängst du dort, ich rufe,

aber Antwort gibst du nicht,

mich beschirmt hier eine Stufe

vor dem Felsen, der zerbricht.


Würde gern zu dir gelangen,

doch der Steinschlag grenzt mich aus,

hält mich unterm Sims gefangen -

nur mein Notruf geht hinaus.


Nacht erscheint mit Frostes Ketten,

es wird stiller in der Wand.

Ich steig ab, mich selbst zu retten -

doch mein Herz ist wie verbrannt …



 – gummibaum –



August 15, 2025



Fremde in der Nacht



 – Gelb verrußt sind die Laternen,

und ihr Schein reicht bis zum Riss,

straßenblind und ungewiss

suchen Schatten nach den Sternen.


Jeder Horizont taucht unter

in ein unbekanntes Land,

Fremde reichen sich die Hand

über Straßen und darunter.


Jemand sucht die letzte Liebe

auf dem Weg zur Mitternacht,

überm alten Bahnhofsschacht,

wie im lauten Weltgeschiebe.


Grau gekachelt sind die Wände,

marmorlos und bilderblind.

Menschen suchen, wie sie sind,

einfach ein paar warme Hände.



 – Heike –



August 14, 2025



 Verlässlich



 – Ein Mann in Schwarz sitzt leicht versetzt

Zu einer Liegestätte

Letztendlich von ihr abgerückt 

Verhält sich still wie es sich schickt

Gemäß der Etikette

 

Der Herr von magerer Gestalt

Macht sich verdeckt Notizen

Nimmt jede Regung merklich wahr

Streicht sich dezent durchs weiße Haar

Und seine Augen blitzen  

 

Es wirkt, als warte er gezielt

Auf einen Wegbegleiter

Mit stoischer Gelassenheit

Für ihn gilt weder Raum noch Zeit

Sein Mienenspiel, fast heiter

 

Und mit dem letzten Atemzug

Erhebt sich auch der fremde Gast

Er sammelt sich, macht sich bereit

So stehen sie nun Seit‘ an Seit‘

Entfernen sich ganz ohne Hast

 

Wo geht es hin, wer kennt den Weg?

Wie lange geht die Reise?

Der dunkle Herr, er schweigt diskret

Nur er weiß, was im Fahrplan steht

Er lächelt mild und weise

 

Verlässlichkeit geht ihm voraus

Er kommt und geht in Stille

Ob unscheinbar, ob hoher Rang

Er geht mit dir den letzten Gang

Es bleibt nur deine Hülle



 – Volker Teodorczyk –



August 13, 2025




 Kleine Rotlichtballade
hessisch



 – Du hast Papiere nicht und Ahnen,
Du hast nur einen runden Leib,
Und die Behörden kratzen Kreuze
Betreffs: Festendlicher Verbleib?
 
Du hast in meinem Bett gelegen
Vorgestern Abend im August
Und hast gesagt: «Herr Nachbaa, gelle,
Se maches korrz, isch hob ko Lust.»
 
Und saß ein Vogel vor dem Fenster
Und hatte einen Ehrenplatz -
«Herr Nachbaa, sehn Se, unner Mensche
Iss doch es Edstle so‘n Schpatz,

Der fliescht erum un hockt am Erker
Un guckt enoi un hot ko Geld,
Des issen Schpatz un iss als solscher
Beliebt, gefiddert un gemeld.»
 
Du hast Papiere nicht und Ahnen,
Und übermorgen bist du tot,
Und vor den Fenstern alle Vögel
Spalieren dir im Morgenrot,
 
Und hinter Wolken schreibt ein dicker
Prophet dich ein in die Kartei.
«Herr Nachbaa, sehn Se, unner Mensche,

Do muss mer mindstens Engel sei.»



 – Joe Fliederstein –



August 12, 2025



der hurensohn



 – was ein joke dieser hurensohn er stieg aufs schiff

und zeichnete mit seiner abnehmenden spur linden in die ferne

in den horizont

welche mutter muss er wohl gehabt haben?

dieses wohlverdiente glück einer geburt

aus einer mauer, aus spalten, aus einem mauerriss ist er gestiegen

direkt ins licht – es gab ihm sofort einen schatten

und niemanden ging es etwas an

er blickte auf zu seiner mutter

der regen hat im himmel

das erste mal mit seinem leben herumgehurt.



 – seefeldmaren – 



August 11, 2025

 


Im Krankenstand



 – Zwei Tage vorher ging ich noch zum Baden.

Doch war am Sonntag Schluss mit Sonnenschein.

Es setzte grauer Dauerregen ein,

und ich erlitt an Leib und Seele Schaden.


Am Montag schon kam Traurigkeit geflogen,

dann nahm der Schüttelfrost mich in den Arm,

kaum maß ich Fieber, wurde mir ganz warm,

und Schmerz ist in die Muskeln eingezogen.


Ich blieb nicht länger einsam in der Wohnung,

und hastete sofort zum Klinikum.

Zu spät, ich sah den Tod mit seiner Schippe


am Notaufnahmetor. Ich flehte «Schonung!»

und riss im Flur die Schwerverletzten um. –

Der Arzt war knapp: «Privatpatient mit Grippe.»



– gummibaum –