April 19, 2025



Von einem Hasen



 – der Dichterin zuhören >>



Morgens, lange vor halb sieben,

rennt er wie vom Fuchs getrieben
in den warmen Hühnerstall,
wo die fleißigen und braven
Lakenfelder Mädels schlafen,

kriecht mit langen hängebangen
Ohren unter Kleckerstangen
hin zu jenem Separé,
um sich dorten bei den Glucken,
die da schon seit Tagen hucken,

vorsichtiglich anzuschleichen,
schnellstens Beute einzustreichen
und behänd vom Hof zu fliehn.
Doch die Berta, halb benommen,
sieht das braune Etwas kommen,

und schon schreit sie: «Stillgestanden!
Nie kam mir ein Ei abhanden!
Auch zu Ostern nicht, du Aas!»
Puterrot und sehr erschrocken
dreht der Dieb sich auf den Socken

um, rennt los; er beugt den Nacken
vor den Schnabelspitzattacken
der erbosten Weiberschar,
schafft die Spieß- und Rutengasse
endlich, flieht dann in die Sasse,

wo er sich von ganzem Herzen,
ohne Eier, doch mit Schmerzen,
fluchend in den Schlummer weint.
So geläutert kniet er bieder
später vor dem Weibe nieder:

«Niemals wieder werd ich Hennen
Eier klauen, wenn sie pennen!
Ich seh ein: Das macht man nicht.
Ostern und das ganze Treiben
können mir gestohlen bleiben!
Ja! Ich hab gekündiglicht!»



 – Andrea M. Fruehauf – 


April 18, 2025



Osterwunsch



Lieber Jesus,


wenn du nächstens, wie alljährlich,

neu erscheinst zur großen Feier

der Gebete, falsch und ehrlich,

Völlerei und bunter Eier,

der Erneuerung der Säfte

und des Lichts in Herzbereichen,

dann vergeude deine Kräfte

statt an uns – an deinesgleichen!


Ja, an einem wie den einen

mit der blonden Endzeit-Tolle,

den Jongleur (mit kurzen Beinen)

in der Action-Dauerrolle,

jenen ich-weiß-alles-Brüller,

Spieglein-an-der-Wand-Versteher,

Bärenbinder, Taschenfüller,

Edeldieb und Nebelkräher.


Preise ihn und seine Rache

an den nimmersatten Maden,

dass er alles(!) besser mache

als du selbst, von Gottes Gnaden.

Will er dann mit dir verhandeln,

um die Jünger auszurauben,

lass ihn übers Wasser wandeln

und ganz fest in seinem Glauben.


Wenn er endlich aufsteigt – bitte

bitte in Gewittermitte …



 – Dirk Tilsner –



April 17, 2025

 



Salatumblättert



 – Herr Pott, als er die Welt betrat,

War fertig hergestellt und tat

Die Umgestaltung allen Seins

Als nichtig ab: «Das ist nicht meins,

Ich will die Welt nicht umgestalten,

Ich will sie, wie sie ist, behalten.


Und was ich bin, will ich nicht ändern,

Was soll ich denn in andern Ländern,

Ich will nicht denken und verreisen,

Ich bleibe einfach auf den Gleisen,

Wie sie das Schicksal ausgelegt.»

Herr Pott hat sich nie mehr bewegt.


Er war nie krank, war nie gesund,

Und so wie er, war auch sein Hund,

Nie hat er sich etwas gefragt,

Nie aber und vielleicht gesagt,

Die andern Menschen nahm er hin

Als irgendetwas mittendrin

Im Dasein. Und ansonsten wähnte

Er sich am Leben. Aß. Und gähnte.


Und als er dann gestorben ist,

Hat niemand den Herrn Pott vermisst,

Er starb vergreist für sich allein

Und wurde sterbend noch zu Stein.

Und lebt jetzt weiter, eingewettert

Als Gartenzwerg, salatumblättert.



– Peter Welk –



April 16, 2025

 


Frühling 



– Dies erogene Brummen 

Des Zwölfzylinder V 

Lässt demütig verstummen: 

Ein Traum metallic-blau. 


In Chrom gehüllte Felgen 

Mit Schlappen: 30 Zoll. 

Welch ehrfürchtiges Schwelgen, 

Mit einem Wort nur: Toll. 


Der Spoiler küsst die Straße 

Bei offenem Verdeck 

Und – Gipfel der Ekstase – 

Blondine im Gepäck. 


So rollt im Maserati
Vor mir mein Chef, Herr Wolf, 
Dahinter ich mit Vati
In meinem alten Golf. 


– Rudolf Anton Fichtl –



April 15, 2025

 


Löwenlamento



 – Es war einmal ein Krokodil,

Das lebte irgendwo

In Afrika am Nil, gleichviel,

Vielleicht sogar am Po.


Und eines Tages kam ein Leu

Zum Krokodil und sprach:

«Ich bin ein Leu und wasserscheu,

Und das bedrückt mich, ach!»


Das Krokodil zog ein Gesicht

Und sprach: «Das Wasser tut

Mir gut, ich fürcht das Wasser nicht.»

Dann kroch es in die Flut


Und schob sich einer Nilkuh zu,

Der Leu hat sich gestreckt,

Denn Lust auf eben diese Kuh

War auch in ihm geweckt.


Das Krokodil schlang mit Genuss,

Hat lange dran geschlemmt,

Den Kuhschwanz hat der große Fluss

Am Leu vorbeigeschwemmt.


Der rief die Löwengötter an,

Die Erde hat gebebt:

«Wer nicht ins Wasser gehen kann,

Der hat umsonst gelebt!»


Er sah dem Schwanz entsagend nach,

Wie der im Nil verschwand,

Zog heimwärts in die Wüste, ach,

Starb wasserscheu im Sand.



 – Peter Welk –



April 13, 2025



Megalodon



– Wenn ich den Urzeithai erwähne,

so weine ich stets eine Träne.

Nur Wirbel noch und große Zähne

sind von ihm übrig, und vom Mahl

(er fraß am liebsten Bartenwal)

nur Knochen, die er nicht zerriss,

mit einer Spur von seinem Biss.


Er schwamm vergnügt in warmen Meeren

mit seinem hundert Tonnen schweren,

doch schlanken Leib, und beim Vermehren

kam oft ein süßes Zwillingspaar

(die Schwangerschaft ging fast ein Jahr),

das dann im Kinderstübchen saß,

damit kein Elternteil es fraß.


Die Babys, die vier Meter maßen,

weil sie als Föten Föten aßen,

verloren Zähne und vergaßen

es gleich, weil schon ein neuer kam

(ein Wechsel, der kein Ende nahm).

Die Zahnfee strich bei jedem Hai

rund 40000mal vorbei.


Ich würde alles darum geben,

die Tiere wieder zu beleben.

Für sie ein Flachmeer auszuheben,

wär mein Pläsir. Ich baute stolz

(aus Panzerglas und Ebenholz)

für sie, zur Aussicht auch nicht dumm,

ein Miozän-Aquarium …



– gummibaum –





Warte



 – Warte

Wölkchen

Nimm mich mit

Wär dir keine Last

Federleise

Trügst du mich

Ohne Ruh und Rast

Dass wir segeln

Mit dem Wind

Über unser Meer

Und zum Regnen

Gäb ich gar

Meine Tränen her



 – Andrea M. Fruehauf –