Dezember 06, 2024

 


Ich lese keine Gedichte



 – Ich lese keine Gedichte,


ich lese

Rechnungen,

Strafzettel

Mahnungen


- und Pfandflaschen

vom Boden auf.


Ich lese

Wahlversprechen,

Zeitungsannoncen,

Werbeanzeigen


- und die Zukunft

unserer Kinder

aus den Eingeweiden

überfahrener Katzen.


Ich lese keine Gedichte,


ich lese

Morddrohungen,

Gewaltaufrufe,

immer

länger

werdende

Todeslisten


– und die Angst

in euren Gesichtern.



 – klaatu –



Dezember 05, 2024

 


Am Fenster



 – Hart war der Winter damals, 

Fegte der Sturm wochenlang
Über mein ungeschütztes Feld.
Ließ er mal kurz nach, ließ ich
Krähen steigen und hoffte
Auf irgendein Zeichen,
Bis auch sie erstarrt vom Himmel stürzten. 
Schließlich fiel meterhoher Schnee und 

Begrub das Feld und die defätistischen Kreaturen. 

Umsonst. Nichts brennt tiefer als
Das gleichgültige Lächeln
Einer Eiskönigin.

Heute studiere ich den Zug des Regens
Am geschlossenen Fenster. Die Tropfen 
Sind alle verschieden und alle gleich. 

Manchmal verharrt einer für einen Augenblick, 

Bis auch er entkräftet seiner Bestimmung folgt. 

Der kurze Traum von einem Kuss der Königin. Umsonst. 

Sie schneit schon seit Jahren 

Nicht mehr vorbei. 



 – Dirk Tilsner – 



Dezember 04, 2024



Diät



 – Kekse, Kekse, Schokoriegel

Riesengrosse Waffelbrocken

Marzipan, so groß wie Ziegel

Und es schneien Nougatflocken

 

Ach, ich träume einen Stuss!

Ich spaziere unter Bäumen

Die aus reinem Zuckerguss

Straßen aus Melasse säumen

 

Doch ich kaue Kokoskerne

Trinke Wasser aus Karaffen

Ja, vier Zentner hätt‘ ich gerne

20 Gramm muss ich noch schaffen!



 – Volker Teodorczyk –



Dezember 02, 2024

 


montagmorgen



es wird zeit mich anzuziehen

ich friere

die kälte kriecht mir unters hemd

es wird zeit

 

draußen scheint die sonne

die gegnerin der dunkelheit

 

im garten blühen noch die letzten rosen

gelbe und weiße

sie üben sich im widerstand

gegen den raureif auf den dächern der nachbarhäuser

 

auch ich werde mich

wappnen

starkmachen

für und gegen

für alle fälle

 

es wird zwar niemand an der tür klingeln

oder klopfen

aber ich will vorbereitet sein

 

vielleicht bringt ja jemand

eine tüte mit weichem quittenkonfekt vorbei

oder mit knusperharten springerle

ich würde die tür öffnen

bedenkenlos



 – tulpenrot –



 

Dezember 01, 2024



 Engel finden 

leicht gemacht



 – Ach heile, heile, heilich:

Der Himmel schließt, beeil dich!


Trenn dich vom Daseinsmoder

per Schrotschuss, Starkstrom oder


tu dir halt Gift ins Essen,

sonst kannst du es vergessen,


auf einer Wolke 7

ein Engelchen zu lieben.


Willst du im Himmelswallen,

dir eine Schnalle krallen,


muss du zu Taten finden:

Im Po Granaten zünden,


dich einfach fallen lassen

von Hochhausdachterassen,


auch mit Piranhas baden

bringt dir genügend Schaden.


Am besten aber wär es

du wählst was, was nicht schwer ist:


Der Freund von meiner Nichte

schreibt liebend gern Gedichte –


drei Proben dieser Kacke:

Schon schmilzt dein Hirn zu Schlacke.



 – sufnus –



November 30, 2024



Interplanetares

Aufeinandertreffen



– Don Quichotte, der schwebend Bahnen zieht, 

Trifft auf Palmström irgendwo im Blau, 

Den er, schwebend auch, als etwas sieht, 

Das – ja, was? Noch sieht er's nicht genau, 


Eine Kugel sieht er, eingehüllt in Schwaden, 

Die hoch über ihm aus einer Wolke fällt, 

Und die Kugel hängt an einem Faden, 

Den – ja, wer? Womöglich Palmström hält? 


Es ist Palmström, ja! Er hält ein Weltgebilde 

Unter sich am Faden, und nun steigt ... 

Palmström steigt aus wolkigem Gefilde 

In das Weltbild ein und steht darin und zeigt 

Sich von innen dem im Außen schwebenden 

Don Quichotte und vor Erstaunen bebenden. 



– Peter Welk –



November 29, 2024

 


Werden und Vergehn 


(Kyrielle)


 – Wenn Abendrot den Berg behaucht,

die Watteschäfchen rotbebaucht

im letzten Blau am Himmel stehn:

ein Spiel von Werden und Vergeh'n.


Vom grauen Acker blick ich hoch:

wie lange wärmt die Sonne noch?

Bald kann ich meinen Atem seh'n,

gewebt ins Werden und Vergeh'n.


Der Weinschwärmer liegt längst verpuppt,

die Tannenzapfen kahlgeschuppt;

sie zeigen an, dass wir uns dreh'n

im Kreis von Werden und Vergeh'n. 


Schon bald hat Winterschnee verdrängt, 

was Herbst mit Füllhorn ausgeschenkt.

Und aus den Wipfeln rufen Kräh'n

ihr Lied von Werden und Vergeh'n.


Den Kranichen ist's einerlei,

wie jedes Jahr zieh'n sie vorbei.

Wohin sie auch die Winde weh'n,

stets heißt es: werden und vergeh'n.



 – Claudia Neubacher –