Mut zur Lücke 


– Es sind so viele Wissenslücken, 

Mehr Löcher als solider Grund, 

Nur Bruch in kleinen Einzelstücken 

Und ab und zu ein Zufallsfund. 


Ich kenne weder Ibsens Dramen, 

Noch den Geburtsort von Monet 

Und auch die vierzehn, fünfzehn Namen 

Der Jünger Jesu sind passé. 


Mir sagen Nibelungenstrophen 

So wenig wie Excalibur, 

Auch passe ich bei Philosophen, 

Mal abgesehn von Dieter Nuhr. 


Selbst Daten kann ich mir nicht merken, 

Nicht mal die Gründung der Türkei, 

Von Schillers oder Goethes Werken 

Ist mir nur eins präsent: Der Schrei. 


So bleibe ich wohl wissenslücklich 

Und lebe dennoch voll Genuss, 

Bin ungebildet, aber glücklich, 

Dass man nicht alles wissen muss. 



– Stefan Pölt –



 


Karrieresprung 



 – Es tritt die Jill-Inge aus Wocken

Dem Maddox gepflegt in die Glocken

Der trifft nun im Chor

Wie niemals zuvor

Die Höhen, ganz ohne zu stocken



– Volker Teodorczyk –





 es frisst der teufel in der not 

auch fliegen 



– der teufel frisst ja in der not auch fliegen 

obwohl er mehr auf satansbraten steht 

doch ist der leider gottes nicht zu kriegen 

wenn seine großmutter in urlaub geht 


denn die allein weiß so das fleisch zu braten 

dass es ihr‘m enkel immer wieder schmeckt 

manch andren ist‘s misslungen und missraten 

ins fegefeuer hat er die gesteckt 


wo sie alsdann am eig‘nen leib erfahren 

was eine krosse bratenkruste ist
durchbraten lässt er sie mit haut und haaren 

ein lehrgang den nie eine/r mehr vergisst – 

und frisst derweil bloß fliegen, ausnahmsweise, 

bis seine oma heimkommt von der reise … 



– harzgebirgler –





Beim U-Bahn-Fahren



 ein- und ausgeschaltet
das Lächeln einer jungen Frau
im Hin und Her
zwischen einem gesprächigen Schräg-Gegenüber
und dem Handy in ihrer Hand


(als huschte mit den Drehungen ihres Kopfs
das Leuchten
fast im Sekundentakt
vom Bildschirm in ihr Gesicht
und wieder zurück)


 – Christian Fechtner – 




Bestandsaufnahme



– Zwischen Nelken, Veilchen, Rosen

sitze ich mit Kopfverband,

hinter mir die Düngerdosen,

hier in meinem Blumenstand.


Heute früh – mein lieber Schieber! –

fiel der Terrakottatopf,

aus der Blumenampel über

mir, auf meinen Hinterkopf.


Dass die Veilchen, Rosen, Nelken

nun in meinem Blumenstand

demzufolge nicht verwelken,

halt ich durch mit Kopfverband


und sinniere schon seit Stunden,

grüble hin und grüble her,

akkurat den Kopf verbunden,

was denn jetzt das Beste wär


für die Rosen, Nelken, Veilchen.

Aktueller Zwischenstand:

Heute bleib ich noch ein Weilchen,

morgen kommt dann Ferdinand.



– Rudolf Anton Fichtl –




 


Auszeit 



– Die Zeit, sie rennt. Sie rennt mir fort. 

Ich hinke hinterher.
Kaum bin ich hier, ist sie schon dort, 
Macht mir das Leben schwer. 


Mir fehlen Flügel, um zu fliegen. 

Die Zeit verfliegt im Nu.
So bleibt mal wieder alles liegen. 
Ich lege mich dazu. 



– Didi.Costaire – 



 


Oderufer 1947 



– Kinderbeine baumeln 

Von den Mauerresten 

Auf den Wellen taumeln 

Halbwegs Richtung Westen 

Kleine Schiffsfiguren 

Sie vollführen Tänze 

Auf der Strömung Spuren 

An und auf der Grenze 


Cześć! Ertönt‘s von Weitem 

Von der Ufer Auen
Auf den Feindesseiten 
Wo sich Arme trauen 

Aufgeregt sich strecken 

Über Grenzanlagen 

Und sich nicht verstecken 

Mutig Freundschaft wagen 



– Volker Teodorczyk –